Herr Deppe, zwei Tage lang nahmen 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SELH an einem Workshop teil. Warum?
Michael Deppe: Nach einer Neustrukturierung im Jahr 2019 stellte sich im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung Psychische Belastung heraus: Manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht zufrieden, die Teams haben sich noch nicht neu gefunden. Dazu haben Corona und Homeoffice den direkten Kontakt erschwert. Unsere Vision beinhaltet die Beteiligung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Leitbildern. Wir wollten das Wir-Gefühl im Unternehmen stärken. Deswegen haben wir alle Beschäftigten für die Workshop-Teilnahme freigestellt: Führungskräfte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kanalbetrieb sowie technische und kaufmännische Angestellte.
Das Wir-Gefühl stärken: Wie geht das?
Leonore Schedding: Man muss einander zuhören und verstehen, um die Vision des Miteinanders zu leben. Dementsprechend habe ich den Workshop geplant und gestaltet. Dabei war besonders wichtig, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer miteinander reden. Also jeder mal mit jedem spricht – unabhängig von der Hierarchieebene. Das hat funktioniert. Es gab einen Austausch in größeren und kleineren Runden. Die Themen der Gespräche und Diskussionen waren vielfältig: Warum arbeiten wir eigentlich gerne hier? Wie sieht für mich ein erfolgreicher Arbeitstag aus? Was brauche ich, um gut arbeiten zu können? Wichtig war dabei, nicht zwei Tage zu jammern, sondern sich auf das zu konzentrieren, was gut läuft. Hier erlebten Teilnehmerinnen und Teilnehmer, was der andere braucht, um erfolgreich zu arbeiten. Der Perspektivwechsel ermöglichte einen offenen und vertrauensvollen Austausch und gegenseitige Wertschätzung. Die Ergebnisse haben viel positive Energie freigesetzt.
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- DGUV Information 206-040 „Kommunikation“: Gemeinsam besser kommunizieren – Gesprächsformate für eine gute Kultur
Nennen Sie ein Beispiel?
Leonore Schedding: Ein großes Thema war Nachhaltigkeit. SELH kümmert sich in der Hauptsache um die ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung und ein funktionierendes Kanalnetz in Herscheid und Lüdenscheid. Somit trägt das Unternehmen zur Reinhaltung des Wassers für die Bürgerinnen und Bürger des Entsorgungsgebietes bei. Viele der Anwesenden haben darin einen großen Sinn gesehen – unabhängig von ihrem Alter. Sie sagten: ‚Klar, ich arbeite fürs Geld, und die Kolleginnen und Kollegen sind nett. Aber ich leiste hier auch einen wichtigen Beitrag für den Umweltschutz und im Sinne der Nachhaltigkeit. 'Sauberes Wasser für alle' – für meine Mitmenschen, meine Kinder, meine Enkelkinder.‘ Diese Sinnhaftigkeit hatten manche schon vor dem Workshop auf dem Schirm. Andere haben sich im Lauf der zwei Tage wieder daran erinnert. Auf diese Weise ist eine Aufbruchstimmung entstanden.
Michael Deppe: Miteinander reden ist das Wichtigste. Der Workshop hat das Verständnis füreinander gestärkt, es gab sogar einen Aha-Effekt. So kamen die Beschäftigten aus dem Kanalbetrieb direkt mit dem Einkauf ins Gespräch und betonten, wie wichtig hochqualitatives Werkzeug für sie sei, weil der Arbeitsalltag sie sonst schnell frustriert. Umgekehrt erklärten die Beschäftigten aus dem Einkauf, was sie benötigten, um passgenaues Material zu kaufen. Am Ende waren alle schlauer.
Wie reagierten die Beschäftigten darauf?
Michael Deppe: Positiv. Zwei Beispiele: Eine Auszubildende sagte, die Tage seien für sie ein schöner Einstieg ins Unternehmen gewesen. Sie habe einen guten Einblick ins Miteinander bekommen. Auch langjährige Mitarbeiter sagten uns anschließend: „Der Workshop hat gezeigt, was für ein großartiges Team wir eigentlich sind.“
Was machen Sie jetzt mit den neuen Erkenntnissen?
Michael Deppe: Wir haben mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die „Vision 2035“ für das Unternehmen weiterentwickelt. Wir wollen als Akteur im natürlichen Wasserkreislauf langfristig Lebensqualität für Generationen sichern. Außerdem haben wir die Gefährdungsbeurteilung Psychische Belastung angepasst. Als Präventionsmaßnahmen unter anderem mehr offene Kommunikation und mehr Information für die Belegschaft aufgenommen. Uns begeistert heute das hohe Engagement der Beschäftigten bei den Konkretisierungen der Maßnahmen zur Erreichung der Vision. Außerdem haben wir unser Qualifizierungsangebot ausgeweitet und bieten mehr Schulungen an. Ein besonderes Highlight war die Aufnahme des Schwammstadtkonzeptes in die Unternehmensvision, um zukünftig dem Klimawandel und dessen Auswirkungen wie Hitze und hiermit Dürre oder Starkregen zu begegnen.
Und warum ist ein Workshop zur Unternehmenskultur ein Beitrag zum Arbeitsschutz?
Leonore Schedding: Psychische Beanspruchungen wie Stress oder eine unbefriedigende Arbeitssituation können auf Dauer krank machen. Umgekehrt tragen eine gute Führungs- und Unternehmenskultur entscheidend dazu bei, dass Beschäftigte sich wohlfühlen, gern zur Arbeit kommen – und letztendlich sich proaktiv beteiligen und damit gesund bleiben.
Michael Deppe: Arbeitsschutz spielt bei uns schon immer eine große Rolle. Unternehmen müssen heute aber noch mehr berücksichtigen. Klassiker wie regelmäßige Sicherheitsunterweisungen oder passende Persönliche Schutzausrüstung sind die Basis, reichen aber nicht mehr aus: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlangen heute eine gute Führung. Dazu gehört eine Kommunikation auf Augenhöhe, und dass sie an Entscheidungen beteiligt werden. Sie wollen von den Führungskräften gehört werden. Der Effekt ist die Stärkung der Gesundheit. Mit dem Auftakt-Workshop haben wir genau da angesetzt. Jetzt wollen wir den Weg weitergehen.
Die Fragen stellte Annika Pabst
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