Bauarbeiter, der Asbest sicher handhabt; er trägt die volle Schutzkleidung mit weißem Overall, gelben Handschuhen und Helm sowie Atemmaske mit Filtern
Seit Anfang des Jahres sind vier Verfahren für Tätigkeiten mit Asbest neu veröffentlicht worden.

Zur Anerkennung werden die Verfahren durch eine Arbeitsgruppe von Experten, die vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung koordiniert wird, geprüft, bewertet und veröffentlicht. Tätigkeiten, die nach Vorgaben solcher Verfahren durchgeführt werden, haben einige formale Sonderstellungen:

  1. Wenn nach den Vorgaben des Verfahrens gearbeitet wird, darf der Arbeitgeber die Verfahrensbeschreibung als Betriebsanweisung verwenden. Er kann dann davon ausgehen, dass er sicher im Bereich des niedrigen Risikos arbeiten lässt.
  2. Wenn in Innenräumen nach den Vorgaben des Verfahrens gearbeitet wird, ist im Normalfall nach solchen Arbeiten keine Freimessung auf Asbestfasern zur Freigabe des Arbeitsbereichs notwendig.
  3. Für die aufsichtführende Person bei einem emissionsarmen Verfahren kann die Sachkunde durch die Qualifikation Q1E für das jeweilige Verfahren ersetzt werden.

Neben der Senkung des Risikos erleichtern die genannten Punkte dem Arbeitgeber die Organisation und Ausführung der Tätigkeit und helfen, Kosten zu senken.

Seit Anfang des Jahres sind vier Verfahren mit einer großen Bedeutung für die Branchen der BG ETEM neu veröffentlicht worden. Dies sind:

AT 1 – Demontage asbesthaltiger Flanschdichtungen

Das AT 1-Verfahren ist ein sehr altes Verfahren, das zur Wiederanerkennung neu bemessen werden musste. Hier haben RWE und BG ETEM zusammen die notwendigen Daten generiert. Das Verfahren wird regelmäßig ausgeführt und erlaubt es, die asbesthaltigen Flanschdichtungen im Gas-, Wasser- und Energiesektor sicher auszubauen. 

BT 30 – Bohren in Wände und Decken mit asbesthaltigen Bekleidungen

Das BT 30 ist das vermutlich am häufigsten eingesetzte emissionsarme Verfahren. Bis vor der Neuveröffentlichung hat es das Bohren von Löchern bis 12 Millimeter Durchmesser erlaubt. Nach der Aktualisierung erlaubt nun das Verfahren das Bohren von Löchern bis zu einem Durchmesser von 32 Millimetern. Damit können alle relevanten Dübellöcher, beispielsweise für die Verankerung von Heizungen oder anderen schweren technischen Geräten, gebohrt werden.

Neben Bohradaptern sind nun auch Hohlbohrer sowie integrierte Erfassungen direkt am Bohrgerät in das Verfahren aufgenommen und die Notwendigkeit, Chemikalienschutzanzüge zu tragen, ist entfallen.

In vielen Fällen kann zudem nun ein M-Entstauber verwendet werden. Details finden sich in der zugehörigen Verfahrensbeschreibung.

BT 61 – Instandhaltung von Abwasserkanälen aus Asbestzement durch vor Ort härtendes Schlauchlining

BT 63 – Instandhaltung von Asbestzement-Druckrohrleitungen mittels kevlarverstärkten Schlauchlinern

Dies sind zwei neue Verfahren zum Instandsetzen defekter Asbestzement-Wasserleitungen durch Inliner.

Auch wenn die Verfahren technisch relativ anspruchsvoll sind, ermöglichen sie es doch, notwendige Arbeiten an den vielfach vorhandenen alten Leitungen durchzuführen.

In der Einleitung zu den Verfahren findet sich ein Disclaimer.

Das Verfahren ist gefahrstoffrechtlich hinsichtlich der Expositionssituation während der Anwendung des Verfahrens geprüft. Weitere Rechtsvorschriften (wie beispielsweise die REACH-Verordnung) sind nicht Gegenstand dieser Prüfung.

Dies bedeutet, dass vor der Anwendung das Verfahren mit der zuständigen Behörde abzustimmen ist.

Hintergrund der Formulierung ist die europäische REACH-Verordnung, die es verbietet, asbesthaltige Produkte, deren „Nutzungsdauer“ abgelaufen ist, weiter zu verwenden. Die Nutzungsdauer findet sich im nationalen Recht auch in der Gefahrstoffverordnung im § 11 Absatz 5 Nummer 2.

Inwieweit von einem Wasserrohr, das selbst kein Wasser mehr führt, sondern nun als Stabilisierung für den Inliner fungiert, die „Nutzungsdauer“ abgelaufen ist, wird in Fachkreisen rege diskutiert.

Infolgedessen ist in Absprache mit den für den Vollzug zuständigen Landesbehörden beschlossen worden, diesen Disclaimer aufzunehmen, so dass jede zuständige Aufsicht unter Betrachtung der speziellen Situation des betroffenen Rohres entscheiden kann, ob die Verfahren ausgeführt werden dürfen oder nicht.

Emissionsarme Verfahren ermöglichen es einer ausführenden Firma, die abgedeckten Tätigkeiten mit klar planbarem Aufwand sicher und fachgerecht durchzuführen. Zusammen mit der Sonderstellung zur Qualifizierung der aufsichtführenden Person, bieten sie dem Arbeitgeber große Vorteile.

Matthias Plog