Larissa Zeichhardt in einer gut sitzenden Signaljacke.
Larissa Zeichhardt führt gemeinsam mit ihrer Schwester Arabelle Laternser die Geschäfte bei LAT.

Das Berliner Unternehmen LAT beschäftigt 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Elektro- und Bahnstromanlagen sowie Sicherheitstechnik installieren und warten, Kabel am und unter dem Gleis verlegen oder Netzwerktechnik für den Nah- und Fernverkehr konzipieren. Die größten Risiken bei der Arbeit: Züge und Strom. Das Thema Sicherheit bei der „Arbeit unter rollendem Rad“ ist (lebens)wichtig. Eine besondere Rolle bei der Arbeit am Gleis kommt der Persönlichen Schutz­ausrüstung (PSA) zu – und die muss passen. „Ich hatte an meinem ersten Baustellentag eine geliehene Sicherheitsjacke in Größe XXL an, Herrenschnitt. Die war natürlich viel zu groß, der Wind pfiff durch und mir war die ganze Zeit einfach nur kalt“, erzählt Larissa Zeichhardt, ­Geschäftsführerin der LAT-Gruppe. Schlecht sitzende PSA ist nicht nur ungemütlich, sondern birgt Verletzungsgefahr. Etwa weil zu weite Ärmel irgendwo hängenbleiben können. „Und wenn man ein schweres Kabel auf der Schulter trägt, das ständig rutscht, weil die Jacke nicht sitzt, verursacht das Abschürfungen und tut richtig weh“, sagt Zeichhardt.

Unpassende PSA ist ein Risiko

Die 43-Jährige führt das Unternehmen seit 2016 gemeinsam mit ihrer Schwester Arabelle Laternser in zweiter Generation. Die Branche – ebenso wie viele andere gewerbliche Berufe – ist auch heute noch überwiegend eine Männer­domäne. „Dementsprechend sind Kleidungsstücke, die zur PSA gehören, im Wesentlichen auf Männer zugeschnitten und damit für Frauen häufig zu lang oder zu weit“, erklärt Zeichhardt. Frauen mussten sich – bisher – mit dieser PSA begnügen, was oft mit eingeschränktem Tragekomfort und im schlimmsten Fall mit Risiken verbunden ist. Zeichhardt und ihre Schwester machten das Thema PSA deshalb zur Chefinnensache, schafften für die Frauen im Betrieb und für sich selbst Schutzkleidung mit Damenschnitt an. Generell und unabhängig vom Geschlecht achten sie darauf, dass die PSA ihren Leuten passt und jeder und jedem Auswahlmöglichkeiten entsprechend ihrer oder seiner Körperform und -größe zur Verfügung stehen. Denn die Schutzleistung von PSA hängt stark von der optimalen Passform ab, erst sie liefert maximale Sicherheit: Die Kleidung sollte zum Beispiel nicht zu locker sitzen, damit Bündchen an Armen und Beinen perfekt abschließen. Schutzkleidung darf gleichzeitig nicht zu eng anliegen, denn die Luftschicht zwischen Stoff und Körper dient der Isolation gegen Kälte. Zu weite Ärmel oder Hosenbeine können die Bewegungsfreiheit einschränken, sich verhaken oder einreißen.

Stimmen Form und Funktion?

Zur PSA gehören in der Regel auch Sicherheitsschuhe. Die werden für Frauen häufig in kleineren Größen angeboten, auch spezielle Damenschnitte sind inzwischen häufiger verfügbar als früher. Das muss auch so sein, denn wenn Sicherheitsschuhe nicht richtig sitzen, kommt es zu Blasenbildung. Die durchtrittsicheren Sohlen schützen vor Verletzungen durch herumliegende spitze Gegenstände, zum Beispiel Glasscherben. Das Schotterbett der Gleise kann zudem uneben sein, die Sicht schlecht: „Entsprechend groß ist die Umknickgefahr für unsere Beschäftigten“, berichtet Zeichhardt. Guter Halt im Schuh ist also ein Muss.

Schutzkleidung sollte zudem die entsprechende Funktionalität aufweisen. Im Fall von LAT bedeutet das: Die Warnkleidung muss nicht nur im fluoreszierenden Orange-Rot sein, das für die Arbeitenden vorgeschrieben ist, sondern auch regenfest. „Durchnässt kann man nicht arbeiten“, betont Zeichhardt. „Und wenn die Leute viermal am Tag zurück zur Baustelleneinrichtung müssen, um sich umzuziehen, dann rechnet sich das auch betriebswirtschaftlich nicht.“

Porträt Larissa Zeichhardt

„Wir nutzen bei ­Unterweisungen auch das ­Material der BG ETEM. Das ist ­gesetzeskonform und rechtssicher.“

Larissa Zeichhardt
Geschäftsführerin LAT-Gruppe

Zusammenhalt und Teamgeist

Hersteller von Schutzkleidung haben die Relevanz passgenauer PSA erkannt. Der Zufall führte Larissa Zeichhardt durch ihre Netzwerk-Arbeit mit einem Produzenten für PSA zusammen. „Die planten eine Kollektion für Frauen und haben gefragt, ob das etwas für uns sei. Unsere Bauleiterin und ich waren uns direkt einig: Wir sind dabei.“

Seit drei Jahren können die Beschäftigten bei LAT ihre Schutzkleidung über den eigenen Webshop bestellen. Es stehen drei Abholoptionen zur Verfügung, unter anderem der Versand nach Hause. Wird die Kleidung beschädigt, können die Beschäftigten das auch online melden: Viele der Arbeiten im Gleis können nur nachts durchgeführt werden und so müssen sie nach der Nachtschicht nicht noch extra in den Betrieb kommen. Einmal im Jahr wird ein großer LAT-Trainingstag veranstaltet, auf dem Feedback zur PSA gesammelt wird. Für die nötige Sicherheit sorgt LAT auch durch regelmäßige Schulungen, Erste-Hilfe-Kurse und die Arbeit einer Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie von sechs Sicherheitsbeauftragten.

Neben den herkömmlichen Jacken, Hosen, Handschuhen mit Firmenlogo stechen einige eigens designte Hin­gucker-Stücke ins Auge – zum Beispiel Schirmmützen und T-Shirts mit Kunstdruck oder gestreifte Arbeitssocken. „Ganz schön bunt, oder?“ Zeichhardt lacht. „Wir haben in der Coronazeit einige Künstler durch Ausstellungsmöglichkeiten unterstützt, und seitdem pflegen wir ausgewählte Kooperationen.“ Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommt die Kleidung gut an, gerade hat einer ein Urlaubsfoto geschickt, auf dem er mit LAT-Wollmütze zu sehen ist. „Ein Zeichen, dass die Beschäftigten die Kleidung mit Stolz tragen, sich mit dem Unternehmen identifizieren und als Team zusammenstehen.“

Veränderung braucht Akzeptanz

Es war genau dieser Teamgeist, der das Überleben der LAT-Gruppe gesichert hat, nachdem Zeichhardts Vater plötzlich verstorben war und ihr Weg sie dann von Zürich statt nach Denver zurück nach Berlin führte. „Ich saß sowieso auf gepackten Koffern, und es war für mich klar, dass ich meine Schwester Arabelle unterstützen werde. Schließlich standen das Lebenswerk unseres Vaters und 130 Jobs auf dem Spiel.“


Larissa Zeichhardt im Gespräch

Zur Person

Larissa Zeichhardt, Jahrgang 1981, studierte in London, den USA sowie Australien und machte in einem Konzern Karriere. Seit 2016 leitet sie gemeinsam mit ihrer Schwester Arabelle Laternser die von ihrem Vater im Jahr 1969 gegründete Unternehmensgruppe LAT in Berlin.


Anfangs ohne einen wirklich langfristigen Plan, aber letztendlich erfolgreich gelang es den Schwestern, das Unternehmen zu bewahren und weiterzuentwickeln. Nicht alles lief dabei so glatt wie das Thema PSA. „Bei der Digitalisierung mussten wir einige Hindernisse überwinden, auch weil wir Lösungen erzwingen wollten“, gibt Zeichhardt zu. So erwies sich die Anschaffung von Tablets für die Baustelle als Fehlschlag. Zu unpraktisch, zu gering die Akzeptanz bei den Beschäftigten. Alles rund um die Baustelle wird nun über eine Smartphone-App erfasst, mit der auch die Sicherheits­unterweisung für die Baustelle unterstützt wird. „Die funktioniert super und wird deshalb auch von allen akzeptiert.“ Nach wie vor spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle, aber nicht als Selbstzweck, sondern nur so weit, dass sie die Arbeit erleichtert. Zeichhardts Lehre: „Wichtig ist, dass wir offen mit diesem Scheitern umgehen und daraus lernen. Eine offene Fehlerkultur schafft Neues.“ Und dieses Neue schafft die studierte Elektro­ingenieurin gern auch einmal selbst und tüftelt im Austausch mit Herstellern an verschiedenen Weiterentwicklungen. Mit diesen soll die PSA der LAT-Be­schäf­tigten immer weiter verbessert werden – und noch passender.

Stephan Kuhn