Herr Schwab, Herr Neugebauer, seit dem Jahr 2021 befasst sich Ihr Unternehmen intensiv mit psychischer Belastung. Wie kam es dazu?
Andreas Neugebauer: Ich glaube, vielen Leuten ist nicht klar, welche vermeintlich banalen Alltagsthemen die Psyche negativ beeinflussen können. Nehmen wir Lärm. Wenn jemand im Büro telefoniert und dabei permanent gegen die Geräuschkulisse im Hintergrund ankämpft, kann das auf Dauer ernsthaft belasten. Umso mehr andere „Störelemente“ dazu kommen, desto mehr kann sich so etwas hochschaukeln. 2021 ist unser Standort im oberbayrischen Weilheim in neue Räumlichkeiten gezogen. Wir wollten im neuen Gebäude möglichst viel optimieren und gute Arbeitsbedingungen für alle schaffen. Dafür mussten wir verstehen, was im alten Büro als negativ empfunden wurde – und Beschäftigte belastet hat. Unternehmen sind ohnehin verpflichtet, die Ursachen psychischer Belastung zu erfassen. 2021 haben wir jedoch realisiert, dass wir in Zukunft deutlich mehr tun könnten und sollten. Deshalb haben wir mit Unterstützung der BG ETEM die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung im Unternehmen durchgeführt. Vor allem eine der Arbeitspsychologinnen, Denise Wilpert, hat uns da sehr geholfen. 2023 hat dann Ulrich Schwab das Thema auf Arbeitgeberseite übernommen und bereits viel vorangetrieben. Was mich sehr freut: Er arbeitet eng mit dem Betriebsrat zusammen.
Psychische Belastung – warum ist dieses Thema so wichtig?
Ulrich Schwab: Ich habe vor einigen Jahren eine berufsbegleitende Ausbildung zum systemischen Coach gemacht. Im Rahmen der Ausbildung habe ich mich auch mit psychischer Belastung beschäftigt. Das hat mir verdeutlicht, wie wichtig dieses Thema ist. Zufriedenheit und Motivation sind für mich die größten Leistungstreiber in einem Betrieb. Es ist eigentlich ganz einfach: Wenn es unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gutgeht, profitieren alle – auch das Unternehmen. Und: Für psychische Erkrankungen sollte sich niemand schämen müssen. Wichtig ist, dass man die Quellen der Belastung identifiziert und ihnen entgegenwirkt.
Andreas Neugebauer: Ein gebrochener Fuß ist etwas Konkretes, eine psychische Belastung eher abstrakt. Manche Leute betrachten Angelegenheiten rund um mentale Gesundheit leider immer noch als Schwäche. Mit der Realität hat das nichts zu tun. Es war trotzdem klug von der BG ETEM, die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung „Gemeinsam zu gesunden Arbeitsbedingungen“ zu nennen. Das ist eine angenehm positive Formulierung. Es handelt sich um ein ganz normales Arbeitsschutzthema, das alle betrifft. Eben diese Botschaft versuchen wir auf allen Unternehmensebenen zu verankern. Ich denke, wir haben das bis jetzt ganz gut hinbekommen.
Wie gehen Sie vor, um Ihre Beschäftigten zu entlasten?
Ulrich Schwab: Seit 2023 haben wir, basierend auf der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, mehr als 20 Workshops mit Führungskräften und Beschäftigten veranstaltet, um über Herausforderungen und Lösungsansätze zu sprechen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen können wir eine gesündere Arbeitsumgebung schaffen. Ein Beispiel: Ein Team empfand seine Arbeitsumgebung als suboptimal. Es war zu laut, es herrschte zu viel Durchgangsverkehr. Also haben wir den Raum umgebaut. Die positiven Auswirkungen solcher Schritte summieren sich. Der Schlüssel ist: Wir müssen wissen, was unsere Kolleginnen und Kollegen bewegt. Um das herauszufinden, gibt es neben der Gefährdungsbeurteilung und den Workshops weitere Instrumente. Ich lade beispielsweise seit einigen Jahren wechselnde Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Bereichen zum Frühstück ein. Wir reden offen darüber, was sie gerade beschäftigt. Manchmal kann ich etwas Konkretes mitnehmen, das wir verbessern können.
Welche internen Rückmeldungen erhalten Sie?
Andreas Neugebauer: Kürzlich wurden in der Betriebsversammlung die Erkenntnisse der letzten Gefährdungsbeurteilung geteilt. Wir stehen in fast allen Fällen im grünen Bereich. Besonders stark finde ich, dass alle Abteilungen uns beim sozialen Rückhalt im grünen Bereich sehen. Das ist ein sehr gutes Zeichen. Trotzdem gibt es natürlich Raum für weitere Verbesserungen. Wir werden den eingeschlagenen Weg fortsetzen und weitere Maßnahmen einführen. Dies geht nur mit dem Arbeitgeber zusammen und ein großes Stück Arbeit liegt noch vor uns.
Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit der BG ETEM?
Ulrich Schwab: Eine große! Wenn wir Fragen zu Maßnahmen haben, können wir uns immer an unsere Ansprechpersonen wenden. Davon machen wir regelmäßig Gebrauch. Bei einigen Workshops hatten wir Besuch von der BG ETEM. Dazu kommt, dass uns die BG ETEM mit der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung ein Werkzeug bietet, das super praktikabel ist.
Welchen Stellenwert besitzt Arbeitsschutz generell bei Xylem Analytics Germany?
Ulrich Schwab: Die Arbeitssicherheit hat bei uns neben dem unternehmerischen Erfolg den höchsten Stellenwert. Wir gehören seit ein paar Jahren zu einem US-Konzern. Dieser hat sehr hohe Standards bei der Arbeitssicherheit. Dabei geht es aber eher um die Prävention klassischer Unfälle. Wie verhindern wir beispielsweise, dass sich jemand in den Finger schneidet oder die Treppe herunterfällt? Aus unternehmerischer Sicht erscheint mir naheliegend: Eine mentale Belastung erhöht die Gefahr eines Arbeitsunfalls. Zudem können die Folgen sehr langwierig sein.
Ingmar Böke
→ info
- Psychische Belastung online erfassen: gbpb.bgetem.de
- Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung: www.bgetem.de, Webcode 15176025
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