Mehrere eineinandergreifende Zahnräder, davon eins in den Farben der Europäischen Union, blau mit goldenen Sternen.
Wie die Maschinenrichtlinie legt auch die neue Maschinenverordnung (MVO) ein einheitliches Schutzniveau zur Unfallverhütung innerhalb der Europäischen Union fest.

Nach 17 Jahren wird die neue Maschinenverordnung (MVO) EU 2023/1230 die bisherige Maschinenrichtlinie (MRL) 2006/42/EG ablösen. Dies ist nicht nur sinnvoll, sondern aufgrund der veränderten technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch erforderlich.

Wie bereits die MRL legt auch die neue MVO ein einheitliches Schutzniveau zur Unfallverhütung innerhalb der Europäischen Union (EU) fest. Die Verordnung regelt Bau- und Ausrüstung, freien Warenverkehr, Bereitstellung und die Inbetriebnahme von Maschinen. Zudem ersetzt sie einzelstaatliche nationale Regelungen und sorgt für einen grundsätzlichen Abbau von Handelshemmnissen. Als Verordnung ist die MVO nach Ablauf einer Übergangsfrist für alle EU-Staaten gültig und muss nicht mehr – wie eine Richtlinie – von den Mitgliedsstaaten zunächst in nationales Recht umgesetzt werden.

Unternehmen, die Maschinen in Verkehr bringen wollen, müssen ab dem 20. Januar 2027 die neue MVO anwenden. Die einzelnen Termine sind der Berichtigung der Verordnung (EU) 2023/1230 vom 4. Juli 2023 zu entnehmen. Bis zum 19. Januar 2027 ist noch die MRL maßgeblich.

Einige Anforderungen der MVO gelten jedoch bereits vor dem 20. Januar 2027. So können zum Beispiel Konformitätsbewertungsstellen gemäß der neuen MVO bereits ab dem 20. Januar 2024 notifiziert werden und dann als notifizierte Stelle die Unternehmen bei der Umsetzung aktiv unterstützen. Zudem erlässt die Kommission ab dem 20. Juli 2024 „delegierte Rechtsakte“ als „Konkurrenz“ zu den harmonisierten Normen. Für diese Rechtsakte gilt dann auch die Konformitätsvermutung, sodass bei Einhaltung auch von der Erfüllung der Anforderungen der MVO ausgegangen werden kann.

Diagramm zur Anwendung der neuen EU-Maschinenverordnung.
Schrittweise löst ab 2024 die neue Maschinenverordnung (MVO) der Europäischen Union die bisherige Maschinenrichtlinie (MRL) ab.

Wer die MRL kennt und die MVO erstmalig in Händen hält, wundert sich sicherlich, dass sowohl bei den Artikeln als auch bei den Anhängen kein Stein auf dem anderen geblieben ist. Dies hat jedoch seine Gründe. Bei den Artikeln wurden sinnvolle Kapitel gebildet, sodass die Artikel eines Themengebietes nun schlüssig hintereinanderstehen. Dies soll der Anwenderin oder dem Anwender die Suche vereinfachen. Auch die Anhänge sind neu sortiert. Grund dafür ist laut EU-Kommission, dass die Nummerierung der Anhänge der Verweisungsreihenfolge im Rechtstext folgen muss. So finden sich zum Beispiel die bisherigen „Anhang IV“-Maschinen jetzt im Anhang I, die „Anhang I“-Anforderungen im Anhang III wieder.

Da es in der Vergangenheit Probleme bei der Abgrenzung des Begriffs Maschine gab, wollte die EU-Kommission mit der neuen MVO ursprünglich den Oberbegriff „Maschinenprodukt“ einführen. Einige Staaten sprachen sich jedoch aufgrund von Übersetzungsproblemen dagegen aus, so dass nun zwischen

  • Maschinen,
  • dazugehörigen Produkten und
  • unvollständigen Maschinen

unterschieden wird. „Dazugehörige Produkte“ sind wie bisher auswechselbare Ausrüstungen, Sicherheitsbauteile, Lastaufnahmemittel, Ketten, Seile, Gurte und abnehmbare Gelenkwellen.

Die MVO wurde an den Stand der Technik angepasst. Berücksichtigt sind jetzt Aspekte der Digitalisierung, der funktionalen Sicherheit, des „selbstentwickelnden Verhaltens“ (Künstliche Intelligenz, kurz KI) und der Cybersicherheit.

Erfasst sind auch neue Sicherheitsrisiken, die unter anderem durch

  • Mensch-Roboter-Kollaboration
  • mit dem Internet verbundene Maschinen
  • Software-Updates
  • autonome Maschinen und
  • Fernüberwachung

entstehen können. Software, die eine Sicherheitsfunktion erfüllt und separat in Verkehr gebracht wird, gilt als Sicherheitsbauteil. Sie unterliegt damit den entsprechenden Konformitätsbewertungsverfahren.

Zudem ist das „Selbstentwickelnde Verhalten“ (KI) bedeutsam. Ergeben sich aus vollständig oder teilweise selbstentwickelndem Verhalten Gefährdungen – die im Laufe des gesamten Lebenszyklus der Maschine auftreten können –, muss der Hersteller sie berücksichtigen und in die Risikobeurteilung und Maßnahmen zur Risikominimierung aufnehmen.

Ergonomie

Die Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen zur Ergonomie enthalten jetzt auch Aspekte der Mensch-Maschine-Interaktionen (unter anderem kollaborierende Roboter) und wurden entsprechend angepasst. So müssen Maschinen jetzt

  • auf angemessene Art und Weise auf Personen reagieren (durch Worte, Gesten oder Körperbewegungen) und
  • der Bedienerin/ dem Bediener geplante Handlungen auf verständliche Weise mitteilen.

Schutz gegen Korrumpierung

Bei Maschinen sind in Zukunft Maßnahmen zur Cybersicherheit notwendig. So

  • darf eine Verbindung mit anderen Geräten nicht zu Gefährdungen führen
    (dies schließt Fernwartung beziehungsweise Fernzugriff ein) und
  • muss unberechtigter Zugriff auf eine Maschine in angemessener Weise verhindert werden.

Alle Zugriffe – ob rechtmäßig oder nicht – müssen gespeichert werden.

Sicherheit und Zuverlässigkeit von Steuerungen

In der neuen MVO finden sich auch Anforderungen zur Sicherheit und Zuverlässigkeit von Steuerungen. Bedeutsam ist zum Beispiel, dass

  • Defekte an Hard- und Software sowie Fehler in Logiken von Steuerkreisen nicht zu Gefährdungen führen,
  • Sicherheitsfunktionen nicht über die vom Hersteller (in der Risikobeurteilung) festgelegten Grenzen hinaus verändert werden können und
  • eine Maschine keine Handlungen ausführt, die über die festgelegte Aufgabe und den festgelegten Bewegungsbereich hinausgehen.

Hilfreich kann hier sein, die harmonisierte Norm 13849-1:2023 (Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen) anzuwenden.

Bedienungsanleitung

Eine Betriebsanleitung muss nicht wie bisher in Papierform der Maschine beiliegen, sondern kann auch digital bereitstehen. Unklar bleibt jedoch, ob bei der Bereitstellung von digitalen Anleitungen oder Konformitätserklärungen eine dauerhafte Verfügbarkeit, etwa nach einer Betriebsaufgabe, notwendig ist.

Wesentliche Veränderung

Auch der Aspekt der „wesentlichen Veränderung“ ist in der MVO enthalten. Eine wesentliche Veränderung kann physisch (Hardware) oder digital (Software) erfolgen. Im Wesentlichen übernimmt sie die Logik des Interpretationspapiers „Wesentliche Veränderung an Maschinen“ (Bek. des BMAS – IIIb5-39607-3). Es muss daher eine neue Gefährdung oder ein erhöhtes Risiko vorliegen, das mit bereits vorhandenen oder zusätzlichen trennenden/nicht trennenden Schutzeinrichtungen nicht eliminiert werden kann.

Ablaufdiagramm mit den wesentlichen Änderungen in der neuen EU-Maschinenverordnung.
Auch der Aspekt der „wesentlichen Veränderung“ ist in der neuen MVO enthalten: Sie kann physisch (Hardware) oder digital (Software) erfolgen.

Wirtschaftsakteur

Hersteller, Bevollmächtigte, Einführer und Händler sind in der MVO unter dem Begriff „Wirtschaftsakteur“ zusammengefasst. Dieser ist unter anderem für die Einhaltung der Schutzziele, die Ausfertigung der technischen Unterlagen, die Zusammenarbeit mit der Marktaufsicht und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen zur Produktbeobachtung zuständig.

Diagramm mit den Pflichten der Wirtschaftsakteure.
Der Wirtschaftsakteur ist unter anderem für die Einhaltung der Schutzziele zuständig.

Konformität und Kennzeichnung

Neben den bereits bekannten Konformitätsbewertungsverfahren Modul A, B, C und H wurde in der MVO ein weiteres Verfahren „Konformität auf der Grundlage einer Einzelprüfung“ ergänzt (Modul G).

Modul G setzt sich wiederum aus

  • einer Fertigungskontrolle (vergleichbar dem Modul C) und
  • einer Prüfung durch eine notifizierte Stelle

zusammen. Die Prüfung erfolgt entsprechend den harmonisierten Normen oder Spezifikationen, um die Konformität der Maschine mit den anwendbaren grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen nach Anhang III zu verifizieren (vergleichbar dem Modul B).

Neben der CE-Kennzeichnung müssen auf jeder Maschine beziehungsweise jedem Maschinenprodukt Firmenkontaktdaten (auch digital möglich) angegeben werden.

 

 

Heinz Kruse