Mit der jüngsten Änderung der Handwerksordnung (HwO) hat die Bundesregierung die Qualifikationsanforderungen für das Aufstellen von Gerüsten deutlich verschärft. Nach dem sogenannten Übergangsgesetz gilt seit Juli 2024, dass nur noch in der Handwerksrolle eingetragene Gerüstbauunternehmen Arbeits- und Schutzgerüste aufstellen dürfen. Diese Reform soll sicherstellen, dass nur noch fachlich qualifiziertes Personal den Gerüstaufbau übernimmt – was letztlich die Sicherheit auf Baustellen erhöhen und Unfälle vermeiden soll. Bislang durften 22 namentlich benannte Gewerke Gerüste aufstellen und gewerblich anbieten. Das ist jetzt nur noch eingeschränkt möglich.
Was regelt die Handwerksordnung?
Der Gerüstbau fällt unter die Handwerksordnung (HwO), genauer gesagt unter die Gewerke, die in Anlage A zur HwO aufgelistet sind. Diese zentrale Vorschrift regelt den Zugang zu einem Handwerk. Das bedeutet, dass die Aufstellung von Gerüsten in erster Linie eingetragenen Gerüstbaubetrieben vorbehalten ist. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat in seinem Eckpunktepapier vom August 2023 die Voraussetzungen für den Aufbau von Gerüsten dargelegt. Handwerksbetriebe, die nicht zum Gerüstbauerhandwerk gehören, dürfen nur noch Gerüste für ihre eigenen Arbeiten errichten und Dritten zur Nutzung überlassen.
Handwerksbetriebe, die nicht zum Gerüstbauerhandwerk gehören, dürfen nur noch Gerüste für ihre eigenen Arbeiten errichten.
Ausnahmeregelung
Eine Ausnahmeregelung (Fallgruppe 2) des § 5 HwO besagt, dass in der Handwerksrolle eingetragene Handwerksbetriebe auch Arbeiten von anderen Handwerken ausführen können, wenn sie mit dem eigenen Leistungsangebot technisch und fachlich zusammenhängen oder es wirtschaftlich ergänzen. Das können Elektrotechniker sein, die zur Montage einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ein Dachfanggerüst für die Absicherung der eigenen Arbeiten aufbauen. Das trifft auch auf Kälteanlagenbauer zu, die etwa Klimageräte auf Dachflächen montieren oder Wartungsarbeiten durchführen wollen. Die Ausnahmeregelung der Fallgruppe 2 geht noch einen Schritt weiter. Demnach dürfen Betriebe Arbeits- und Schutzgerüste aufstellen, die für die eigenen Arbeiten notwendig sind, und diese danach auch für nachfolgende Gewerke stehen lassen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Zimmerer für die eigenen Arbeiten ein Dachfanggerüst aufstellt und es dem Dachdecker und darauffolgend der Elektrofachkraft überlässt, zum Beispiel für die Montage von Solarmodulen. Voraussetzung für die Überlassung von Gerüsten ist nach der Gesetzgebung, dass sie eine untergeordnete Rolle im Auftragsvolumen spielen (maximal 20 Prozent) und Betriebe nicht mit Gerüstbauarbeiten werben.
Diese Handwerksbetriebe dürfen Gerüste für eigene Arbeiten errichten:
- Maurer und Betonbauer
- Zimmerer
- Dachdecker
- Straßenbauer
- Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer
- Brunnenbauer
- Steinmetze und Steinbildhauer
- Stuckateure
- Maler und Lackierer
- Schornsteinfeger
- Metallbauer
- Kälteanlagenbauer*
- Klempner
- Installateur und Heizungsbauer*
- Elektrotechniker*
- Tischler
- Glaser
- Fliesen-, Platten- und Mosaikleger
- Betonstein- und Terrazzohersteller
- Estrichleger
- Schilder- und Lichtreklamehersteller*
- Gebäudereiniger
* bei der BG ETEM versichert
Schulen und unterweisen
Wer ein Gerüst für den Eigenbedarf aufstellen möchte, muss die Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die der Technischen Regel für Betriebssicherheit (TRBS 2121-1) kennen und einhalten. Detaillierte Informationen, wie diese Anforderungen umzusetzen sind, enthält die DGUV Information 201-011 „Verwendung von Arbeits-, Schutz- und Montagegerüsten“. Gezielte Schulungen und Sicherheitsunterweisungen bilden hierbei die Basis für einen sicheren Gerüstaufbau. Dabei lernen Beschäftigte, welche Sicherheitsmaßnahmen zu beachten sind, wie sie Absturzsicherungen richtig verwenden und welche gesetzlichen Vorschriften einzuhalten sind. Diese Schulungen vermitteln spezifische Sicherheitsanforderungen und Techniken für den Aufbau und die Nutzung von Arbeits- oder Schutzgerüsten. Je nach Art und Modell des Gerüsts kann die genaue Anleitung, wie ein Gerüst aufzubauen ist, variieren. Es ist daher wichtig, die Herstelleranweisungen zu kennen und zu beachten. Diese finden Anwenderinnen und Anwender in der Aufbau- und Verwendungsanleitung des Gerüstherstellers. Renommierte Hersteller bieten dazu Schulungen und Trainingsprogramme an. Danach können Gerüste sicher aufgebaut und verwendet werden, was das Risiko von Unfällen minimiert.
Efstratios Sianidis
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- DGUV Information 201-011 „Verwendung von Arbeits-, Schutz- und Montagegerüsten“: dguv.de, Webcode p201011
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