Serhat Yüksel im Rollstuhl an seinem Arbeitsplatz mit zwei Monitoren, im Hintergrund des Büroraums ein Bildschirm für Präsentationen
Ein wichtiger Bestandteil im Alltag von Serhat Yüksel: die Arbeit im Büro und das Zusammensein mit den Kolleginnen und Kollegen.

Serhat Yüksel war frisch in sein drittes Lehrjahr als angehender Elektriker gestartet. Dann kam der 15. August 2023. Mit zwei Kollegen seines Betriebs Heinrich Eimecke GmbH aus Kiel arbeitete Yüksel bei einem Kundenbetrieb. „Als ich auf einer Stehleiter stand, habe ich mir mit einem Hammer auf den Daumen geschlagen“, erinnert er sich. „Ich sah Sterne, stürzte von der Leiter und verlor das Bewusstsein.“ Seine Kollegen und Beschäftigte des Kunden leisteten Erste Hilfe. Stunden später erwachte Yüksel im Kreis seiner Familie im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Der damals 19-Jährige hatte sich beim Sturz die Brustwirbelsäule gebrochen. Diagnose: Querschnittlähmung.

Der Erstkontakt

Einen Tag später meldete die Heinrich Eimecke GmbH den Arbeitsunfall der BG ETEM. Rehamanager Mathias Wolf sagt rückblickend: „Herr Yüksels Arbeitgeber hätte nichts tun können, um den Sturz zu verhindern. Der Unfall war ein großes Unglück.“

Wegen einer Hirnhautentzündung dauerte es fast einen Monat, bis Yüksel in das BG Klinikum Hamburg verlegt werden konnte. Dort verbrachte er weitere sieben Monate. Dass er in dieser Zeit nicht den Mut verlor, verdankt Yüksel auch seiner Familie. Diese besuchte ihn häufig. In den ersten Nächten nach dem Unfall schlief sein sechs Jahre älterer Bruder Ilker sogar in seinem Krankenzimmer. Regelmäßige Besucher waren auch Rehamanager Mathias Wolf und Serhat Yüksels früherer Chef Herbert Heider. Dieser war bis zu seinem Renteneintritt im Jahr 2024 einer von zwei Geschäftsführern der Heinrich Eimecke GmbH.

Michael Renner, Andreas Abel, Serhat Yüksel im Rollstuhl und Mathias Wolf auf Firmengelände, im Hintergrund Firmenfahrzeuge
Michael Renner, Andreas Abel und Serhat Yüksel von der Heinrich Eimecke GmbH mit Rehamanager Mathias Wolf von der BG ETEM (v. l.).

Mathias Wolf erinnert sich an das erste Telefonat: „Er sprach in den höchsten Tönen von seinem Azubi und sagte, der Betrieb würde alles daransetzen, Herrn Yüksels Rückkehr ins Unternehmen möglich zu machen.“ Genau das tat die Firma dann auch in der Folge. Klar war dabei von Beginn an: Seine Ausbildung als Elektriker würde Serhat Yüksel nicht fortsetzen können. Er einigte sich stattdessen mit der Geschäftsführung auf eine Ausbildung zum Technischen Systemplaner. Dessen Aufgabe ist es, Bau- und Montagepläne zu erstellen, die Monteuren und Technikern später als Arbeitsgrundlage dienen.

Logistisches Mammutprojekt

Aktuell beschäftigt die Heinrich Eimecke GmbH 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 25 Azubis. Nächstes Jahr feiert die Firma ihren 125. Geburtstag. Michael Renner kennt den Betrieb gut. Er ist seit 1985 dabei und rückte vergangenes Jahr an die Seite von Co-Geschäftsführer Andreas Abel.

Serhat Yüksel steht mit seinem Rollstuhl in der geöffneten Tür des Fahrstuhls
Ein besonders aufwendiger Teil der Umbaumaßnahmen war der neu gebaute Fahrstuhl. Dieser führt vom Hauptbüro im ersten Geschoss in den Eingangsbereich des Lagers.

Damit Yüksels Rückkehr gelingen konnte, hat sein Arbeitgeber keine Mühen gescheut. „Unsere Büros liegen im ersten Geschoss. Wir haben uns gefragt: Wie bekommen wir ihn hier hoch? Der Haupteingang ist nicht barrierefrei und die Treppe zu schmal für einen Treppenlift. Außerdem hatten wir in der ersten Etage kein barrierefreies WC“, erzählt Renner. Ein Plan musste her. Dafür beauftragte die BG ETEM eigens einen Bauingenieur. Der riet zum Bau eines Aufzugs und zu einer Strukturveränderung im ersten Stock 
des Firmengebäudes. Über den zweimonatigen Umbau erzählt Andreas Abel: „Wir sind zeitweise ins Bürogebäude eines Kunden eingezogen, der Start-ups betreut. Wir waren quasi das 
älteste Start-up Kiels.“

Multitasking bei der BG

Die Heinrich Eimecke GmbH unterstützte Serhat Yüksel mit viel Engagement – genau wie sein Rehamanager Mathias Wolf. Er organisierte die Verlegung des Verunfallten in das BG Klinikum Hamburg, die Hilfsmittelversorgung, suchte nach einem für Rollstuhlfahrer geeigneten Kraftfahrzeug und half bei der Suche nach einer barrierefreien Wohnung für Yüksel.


„Es wird weitere Herausforderungen geben. Als BG werden wir Herrn Yüksel ein Leben lang begleiten.“

Mathias Wolf, Rehamanager, BG ETEM

Mathias Wolf im Gespräch
Mathias Wolf, Rehamanager BG ETEM

Auch den Umbau im Betrieb begleitete Wolf eng, schließlich finanzierte die BG sämtliche Maßnahmen. Dass sich das gelohnt hat, davon ist Wolf überzeugt: „Wir als BG stellen die Weichen für das weitere Leben des Versicherten. Es ist unsere Pflicht, die Wiedereingliederung mit allen geeigneten Mitteln zu erreichen. Im konkreten Fall war es sehr erfreulich, dass alle Parteien an einem Strang gezogen haben – Herr Yüksel, seine Familie, sein Arbeitgeber und die BG ETEM.“

Zurück in die Normalität

Serhat Yüksel an seinem Bildschirmarbeitsplatz, drei Männer stehen hinter ihm und schauen gemeinsam mit ihm auf den Monitor
Ausbildung zum Technischen Systemplaner

Im August 2024 war dann endlich der große Tag gekommen. Serhat Yüksel begann seine neue Ausbildung. Bei seinem Arbeitgeber fühlt er sich unverändert wohl. Die neuen Aufgaben machen ihm Spaß. Außerdem wohnt er inzwischen in einer neuen, rollstuhlgerechten Wohnung. Diese liegt lediglich 200 Meter vom Haus seiner Eltern entfernt. Diese und sein Bruder bleiben eine wichtige Stütze. Über seinen Alltag sagt Yüksel: „Ich gehe zur Arbeit, zur Physiotherapie oder bin mit Familie und Freunden zusammen. Mein Leben hat sich normalisiert. Die Unterstützung durch die BG ETEM und meinen Betrieb gibt mir Sicherheit. Ich bin sehr dankbar dafür.“


„Die ganze Firma freut sich riesig, dass Serhat zurück an Bord ist. Er hat sich schnell wieder eingelebt.“

Andreas Abel, Geschäftsführer Heinrich Eimecke GmbH

Andreas Abel
Geschäftsführer Andreas Abel

Nach dem Empfinden von Andreas Abel sind die Beschäftigten im Unternehmen seit dem Unfall noch enger zusammengerückt, als es ohnehin schon der Fall war. Außerdem sagt er: „Arbeitsschutz war uns immer sehr wichtig. Früher haben Mitarbeitende auch mal gemurrt, weil sie immer wieder dieselben Sicherheitshinweise zu hören bekamen. Seit dem Unfall ist das anders.“

Ingmar Böke