Wasserstoff wird unter anderem in der Eisenerzeugung als Energielieferant verwendet, ist als Treibstoff für Busse im öffentlichen Personennahverkehr im Einsatz und versorgt Heizungen mit Energie. Um den Wasserstoff flächendeckend in Deutschland zu verteilen, bauen die Gasversorger ein Wasserstoffkernnetz auf.
Im Vergleich zum Erdgas, das größtenteils aus Methan besteht, hat Wasserstoff ein höheres Gefährdungspotenzial, insbesondere hinsichtlich Brand- und Explosionsgefahren. Das zeigen die sicherheitstechnischen Kenngrößen und Eigenschaften von Wasserstoff und Methan deutlich (siehe Tabelle).
Sicherheitstechnische Kenngrößen und Eigenschaften von Wasserstoff und Methan

Sicherheitstechnische Unterschiede zwischen Wasserstoff und Methan
Der Explosionsbereich von Wasserstoff in Luft ist wesentlich größer als der von Methan und reicht von 4,0 Volumenprozent (Untere Explosionsgrenze (UEG)) bis 77 Volumenprozent (Obere Explosionsgrenze (OEG)). Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass Wasserstoffflammen bei Tageslicht nicht sichtbar, Methanflammen hingegen meist gut zu erkennen sind. Außerdem ist die Mindestzündenergie (MZE) von Wasserstoff deutlich geringer als die von Methan. Die MZE ist die elektrische Energie, die benötigt wird, um ein Wasserstoff-Luft-Gemisch zu entzünden.
Da ein Wasserstoffmolekül (H2) wesentlich kleiner ist als ein Methanmolekül (CH4), kann Wasserstoff schneller und leichter an Verbindungstellen von Rohren oder Anlagen entweichen. Daher ist die Dichtheit von Anlagen und Verbindungen ein kritischer Punkt bei der sicherheitstechnischen Betrachtung von Wasserstoff. Hieraus folgt – in Verbindung mit der wesentlich schnelleren Flammengeschwindigkeit –, dass auch die Grenzspaltweite von Wasserstoff geringer als die von Methan. Die Grenzspaltweite gib den Abstand zwischen zwei Bauteilen beziehungsweise die Breite eines Schlitzes an, bei dem sich eine Flamme nicht mehr ausbreiten kann.
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Ausströmverhalten von Wasserstoff an Ausbläsern oder anderen Abströmöffnungen haben gezeigt, dass sich in einigen Fällen Wasserstoff direkt beim Ausströmen entzündet und als unsichtbare Flamme abbrennt, bis kein Wasserstoff mehr austritt. Die Entzündung muss nicht unmittelbar nach Austritt des Wasserstoffs aus der Abströmöffnung erfolgen, sondern kann etwas später auftreten, so dass eine Explosion möglich ist. Die Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass sich Wasserstoff beim freien Ausströmen an Ausbläsern selbst entzünden kann. Einerseits breitet sich Wasserstoff aufgrund der geringen Dichte (Dichteverhältnis zu Luft: 0,07) schnell nach oben aus, andererseits führt der hohe Diffusionskoeffizient in Luft dazu, dass sich Wasserstoff auch schnell nach unten ausbreitet. Diese beiden Effekte führen in der Regel zu größeren gefährlichen explosionsfähigen Atmosphären als bei Methan und sind bei der Einteilung in EX-Bereiche beziehungsweise Zonen zu berücksichtigen.
Wichtige Aspekte zum Brandschutz
Sollte Wasserstoff beispielsweise an einer undichten Stelle an einer Anlage ausströmen und sich selbst entzünden, besteht hier eine hohe Brandgefahr. Da eine Wasserstoffflamme nicht sichtbar ist, ist die Gefahr groß, dass Personen unbeabsichtigt in den Bereich der Flamme kommen und sich verbrennen. Auch sollte das Umfeld an geplanten Ausströmöffnungen (zum Beispiel die Lambda-Ausbläser an einer Gasdruckregelanlage) frei von Brandlasten sein. Gerade an innerstädtischen Anlagen ist darauf zu achten, dass sich im Bereich der Ausbläser keine Bäume, Plakatwände oder anderen brennbaren Objekte befinden.
Wie auch Erdgas ist Wasserstoff ein entzündliches Gas der Kategorie 1 und trägt die Kennzeichnung H220. Daher sind Arbeitsbereiche, in denen damit umgegangen wird, Bereiche mit hoher Brandgefährdung gemäß TRGS 800. Entsprechende Schutzmaßnahmen sind hier im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung umzusetzen. Hierzu zählen unter anderem räumliche oder bauliche Trennungen zu anderen brennbaren Gegenständen. Wie auch bei Bränden von Erdgas an Leitungen oder Anlagen gilt bei Wasserstoff, dass die Brände durch Abschiebern gelöscht werden sollten. Wird die Flamme mithilfe eines Feuerlöschers abgelöscht, kann das weiter ausströmende Gas eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre bilden.
Wichtige Aspekte zum Explosionsschutz
Wasserstoff kann größere gefährliche explosionsfähige Atmosphären bilden als Methan und ist wesentlich zündwilliger. Dies wird durch die geringe MZE und Grenzspaltweite sowie die geringere Sauerstoffgrenzkonzentration deutlich. Daher ist im Explosionsschutzkonzept hierauf besonders zu achten. Bei der Verwendung von explosionsgeschützten Betriebsmitteln oder Geräten – beispielweise mobilen Gasmessgeräten zum Freimessen – ist darauf zu achten, dass sie eine ATEX-Zulassung für Explosionsgruppe IIC haben. Das bedeutet, dass Betriebsmittel und Geräte mit einer Zulassung für Methan (Explosionsgruppe IIA) nicht für Wasserstoff genutzt werden dürfen.
Aufgrund der geringen MZE von Wasserstoff sind Schutzmaßnahmen vor elektrostatischen Entladungen gemäß TRGS 727 besonders wichtig. Daher sind in EX-Bereichen folgende Punkte zu beachten (gemäß Fachbereich AKTUELL FBETEM-007 „Gefährdungen und Schutzmaßnahmen bei Arbeiten im Bereich von Wasserstoffanlagen und -leitungen“):
- Isolierende Oberflächen sind auf ein möglichst geringes Maß zu begrenzen.
- Die Dicke isolierender Beschichtungen darf maximal 0,2 Millimeter betragen, wenn sie mit Wasserstoff in Berührung kommen können.
- In Aufstellräumen, in denen die Zone 2 definiert ist, muss der Fußboden ableitfähig sein.
- In EX-Bereichen ist ableitfähige Schutzkleidung zu tragen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Erdungskette geschlossen ist. So können beispielsweise das Stehen auf einer Verpackungsfolie oder stark verschmutze Schuhe die Erdungskette unterbrechen.
Wasserstoff-Luft-Gemische können sich durch Schlagfunken von Handwerkzeugen entzünden. Wird in EX-Bereichen mit Handwerkzeugen gearbeitet, müssen diese zur Zündquellenvermeidung aus nicht gehärteten Nichtedelmetallen (NE-Metalle) wie beispielweise Beryllium-Kupfer-Legierungen bestehen.
Gasfreiheit sicherstellen
Der gasfreie Zustand für sicheres Arbeiten an Gasanlagen oder Gasleitungen, die mit Wasserstoff gefüllt sind, wird anders als bei Methan über Inertgas sichergestellt. Dabei wird der Wasserstoff durch das Inertgas (zum Beispiel Stickstoff) aus der Anlage oder Leitung verdrängt. Muss mithilfe einer Venturidüse Gas aus einem Bereich herausgesaugt werden, darf hierfür keine Druckluft zum Einsatz kommen. Die Venturidüse ist dann ebenfalls mit einem Inertgas zu betreiben. Strömt während der Arbeiten Luft in die Anlage oder Leitung ein, muss sie erst mit einem Inertgas verdrängt werden, bevor die Anlage oder Leitung wieder mit Wasserstoff begast wird. Ziel dieser Maßnahme ist es, eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre zu vermeiden, die sich aufgrund der hohen Zündwilligkeit von Wasserstoff entzünden würde.
Dr. Jonathan Bechem
→ info
- Leicht entzündlich – Wasserstoff als Energieträger: www.bgetem.de, Webcode 23881178
- Tätigkeiten mit Wasserstoff – Risiken und Schutzmaßnahmen: dguv.vorsorge.de
- GESTIS-Stoffdatenbank – Gefahrstoffinformationssystem des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung: https://gestis.dguv.de
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