Die DGUV Regel 113-004 „Behälter, Silos und enge Räume“ bietet eine praxisnahe Hilfestellung für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und kann an die spezifischen Verhältnisse in der Trinkwasserversorgung angepasst werden.
Beim Einsteigen in Schächte der Trinkwasserversorgung machen folgende Gefährdungen besondere Schutzmaßnahmen erforderlich:
Mechanische Gefährdungen
- Aufenthalt im öffentlichen Verkehrsraum
Befinden sich die Schächte im öffentlichen Verkehrsraum, sind besondere Schutzmaßnahmen gegen den fließenden Verkehr sowie gegen Absturz in den Schacht zu treffen.
- Absturzgefahr beim Einsteigen in den Schacht
Steiggänge, etwa Steigleitern, müssen trittsicher und mit einer Haltevorrichtung ausgestattet sein. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist zu ermitteln, welche zusätzlichen Maßnahmen erforderlich sind.
Spätestens ab einer Fallhöhe von mehr als 5 Metern sind Einrichtungen zum Schutz gegen Absturz verpflichtend – einschließlich jährlicher Unterweisung mit praktischen Übungen zur Anwendung von Persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz und zum Retten.
Gefährdung durch Sauerstoffmangel und Gefahrstoffe
Vor dem Einsteigen ist sicherzustellen, dass weder Sauerstoffmangel noch gefährliche Konzentrationen von Gefahrstoffen in der Schachtatmosphäre vorliegen. Hierzu ist eine technische Lüftung oder eine Freimessung erforderlich.
Bei der Freimessung ist zu bedenken, dass eine alleinige Sauerstoffmessung (Sollwert: 20,9 Volumenprozent Sauerstoff) nicht ausreicht.
Um eine sichere Beurteilung der Schachtatmosphäre zu gewährleisten, sollten deshalb in Schächten der Wasserversorgung zusätzlich die Konzentrationen von brennbaren Gasen und Kohlendioxid gemessen werden. In Einzelfällen kann die Gefährdungsbeurteilung ergeben, dass weitere Messungen erforderlich sind – etwa von Schwefelwasserstoff in Schächten, die mit dem Abwassersystem in Verbindung stehen.
Diese Maßnahmen zur Beurteilung der Schachtatmosphäre reichen über das Einsteigen hinaus nur für Tätigkeiten ohne Freisetzung von Gefahrstoffen, beispielsweise die Zählerablesung. Bei Arbeiten mit Freisetzung von Gefahrstoffen (zum Beispiel Schweiß- oder Anstricharbeiten) sind zusätzliche Schutzmaßnahmen zwingend im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzulegen und umzusetzen.
Organisatorische Maßnahmen
- Betriebsanweisung/Unterweisung
Für das Einsteigen in Schächte der Trinkwasserversorgung ist eine Betriebsanweisung zu erstellen. Wenn immer gleichartige Arbeitsbedingungen bestehen und gleichartige wirksame Schutzmaßnahmen festgelegt sind, ist ein Erlaubnisverfahren für den Einzelfall (Erlaubnisschein) nicht erforderlich.
Die Betriebsanweisung sowie ggf. der Erlaubnisschein dienen als Grundlage für die Unterweisung der Beschäftigten – im Rahmen der Erstunterweisung sowie in regelmäßigen Abständen (mindestens einmal jährlich).
- Sicherungsposten/Rettungskette
Auch beim Befahren von Schächten der Trinkwasserversorgung sollte immer eine zweite Person als Sicherungsposten eingesetzt werden. Durch den Sicherungsposten ist das unmittelbare Absetzen eines Notrufes sowie weitere Hilfe sichergestellt.
Auf einen Sicherungsposten kann nur verzichtet werden, wenn
- im Einzelfall die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass das vorhandene Gefährdungspotenzial deutlich reduziert ist
und
- besondere organisatorische Maßnahmen konsequent umgesetzt werden.
Unter der Voraussetzung, dass eine Gefährdung durch Sauerstoffmangel und Gefahrstoffe ausgeschlossen ist (siehe dazu Ausführungen unter Gefährdung durch Sauerstoffmangel und Gefahrstoffe), kann eine entsprechende Reduzierung des Gefährdungspotenzials in Schächten der Trinkwasserversorgung gegeben sein, falls diese vier Bedingungen erfüllt sind:
- Die Schachtbegehung dauert nur kurze Zeit und dient ausschließlich Kontrollzwecken.
- Der Schacht befindet sich außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums.
- Der Schachteinstieg (Steiggang) ist sicher begehbar gemäß der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung.
- Ein besonderes Meldesystem ist eingerichtet.
Ein besonderes Meldesystem kann beispielsweise folgendermaßen eingerichtet werden: Jeder Beschäftigte meldet sich vor jedem Einstieg über ein Mobiltelefon bei einer ständig besetzten Stelle, um seinen genauen Standort und die voraussichtliche Dauer des Aufenthalts im Schacht anzugeben. Die ständig besetzte Stelle gewährleistet, dass die Rettungskette unmittelbar in Gang gesetzt wird, wenn bis zum Ablauf der vereinbarten Zeit keine Rückmeldung des Beschäftigten erfolgt ist.
Voraussetzung für ein besonderes Meldesystem ist, dass ein Rettungskonzept vorliegt. Es muss alle folgenden Punkte beschreiben, die vor Ort sicherzustellen sind:
- Es besteht eine geeignete Kommunikationsverbindung von der Arbeitsstelle zur ständig besetzten Stelle.
- Die ständig besetzte Stelle verfügt über Planunterlagen (zum Beispiel Lageplan, Schachtkataster) der Örtlichkeiten.
- Eine Abstimmung mit allen an der Notfallrettung beteiligten Stellen (zum Beispiel örtliche Rettungskräfte) ist erfolgt.
- Es finden wiederkehrend Erprobungen in der Praxis (Rettungsübungen) statt.
Als Unterstützung für betriebliche Unterweisungen steht auf der Homepage der BG ETEM eine Videosequenz „Befahren von Schächten in der Wasserversorgung“ zum Herunterladen bereit. Zusätzlich steht im E-Learningportal der BG ETEM ein E-Learningmodul „Einsteigen in Schächte“ zur Verfügung.
Eine Gefährdungsbeurteilung für Schächte der Trinkwasserversorgung lässt sich nicht für unterirdische Bauwerke anderer Medien, etwa abwassertechnische Anlagen oder Fernwärmeverteilung, übernehmen.
Simone Schreiber, Walburga Finzel, Timo Behnke
→ info
- Video „Befahren von Schächten in der Wasserversorgung“: medien.bgetem.de, Webcode M18556846
- E-Learningmodul „Einsteigen in Schächte“: elearning.bgetem.de
- Brancheninformationen Energie- und Wasserwirtschaft, www.bgetem.de, Webcode 13559203
- Brancheninformationen Wasserversorgung, www.bgetem.de, Webcode 13291499
- Informationen zu branchenspezifische Gefährdungen in der Wasserversorgung, www.bgetem.de, Webcode 17855350
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