Illustration: Abgesperrter Unfallort mit umgestürzter Hubarbeitsbühne
Mit einer solchen Scherenarbeitsbühne verunglückte der Mitarbeiter. Zu große Seitenkräfte durch den Schrägzug eines Elektrokabels brachten die Maschine zum Umstürzen.

Zwei Beschäftigte eines Unternehmens, ein Bauleiter und ein junger Handwerks­meister, hatten den Auftrag, in einer Halle Elektrokabel zu verlegen.

Die zu installierende Montagehalle war groß, mindestens 25 Meter breit und rund 15 Meter hoch. Das Stromkabel musste un­ter dem Hallendach montiert werden. Vor Ort standen zwei Hubarbeitsbühnen zur Verfügung, eine Mietmaschine und eine betriebseigene Scherenarbeitsbühne.

Nachdem das schwere Kabel mit der einen Hubarbeitsbühne in der oberen Hallenecke befestigt war, sollte es nach und nach unter dem Hallendach auf die andere Seite geführt werden. Dazu steuerte der Handwerksmeister seine Scherenarbeitsbühne in die Höhe. Plötzlich ging alles ganz schnell: Die Maschine kippte zur Seite um und der junge Mitarbeiter schlug mit ihr auf dem Betonboden auf. Beim Sturz aus zwölf Metern Höhe zog er sich schwere Verletzungen zu, denen er wenig später erlag.

Seitenkräfte beachten

Hubarbeitsbühnen ermöglichen Arbeiten in großer Höhe. Selbst leichte Scherenarbeitsbühnen erreichen eine Hubhöhe von 20 Metern und mehr. Jeder, der schon einmal auf einer Leiter gestanden hat, weiß aus eigener Erfahrung: Je höher man steigt, desto wackeliger wird es. Dann reichen schon geringe seitliche Kräfte aus, um die Leiter zum Umsturz zu bringen. Gleiches gilt für Hubarbeitsbühnen. Deshalb begrenzen die Norm DIN EN 280 für fahrbare Hubarbeitsbühnen beziehungsweise die Bedienungsanleitungen der meisten Geräte die zulässigen Seitenkräfte auf 400 Newton, also circa 40 Kilogramm. Dass diese schnell erreicht sind, ist nicht jedem bewusst.

Beim Arbeiten mit kraftbetriebenen Handwerkzeugen wie schweren Bohrhämmern können die zulässigen Seitenkräfte schnell überschritten werden – mit fatalen Folgen. Auch in diesem Fall waren solche Seitenkräfte für das Umkippen der Scherenarbeitsbühne ursächlich. Durch das Ziehen an dem Elektrokabel wurde die Maschine des Handwerksmeisters umgeworfen, wie spätere Untersuchungen ergaben. Laut DGUV Information 208-019 „Sicherer Umgang mit fahrbaren Hubarbeitsbühnen“ sind Umsturzunfälle mit Hub­arbeitsbühnen die häufigste Unfallursache bei schweren und tödlichen Arbeitsunfällen. Es folgen Unfälle durch

  • Quetschen von Personen
  • Herausschleudern von Beschäftigten aus dem Arbeitskorb und
  • Stürze aus der Höhe.

Bei 65 Prozent aller Ereignisse ist mensch­liches Fehlverhalten die Ursache. Äußere Einflüsse (23 Prozent) und technische Mängel an den Baumaschinen (12 Prozent) ergänzen die Erkenntnisse über die Unfallursachen. Dies zeigt, wie wichtig eine gute Qualifikation des Personals ist.

Qualifizierung in Theorie und Praxis

Wer fahrbare Hubarbeitsbühnen bedient, muss über grundlegende Maschinen­kenntnisse und umfassende Fertigkeiten im Umgang mit den Geräten verfügen. Die Ausbildung erfolgt auf der Grundlage des DGUV Grundsatzes 308-008 „Ausbildung und Beauftragung der Bediener von Hubarbeitsbühnen“.

Die BG ETEM bildet in ihren Bildungsstät­ten am Linowsee und in Augsburg nicht nur Personen aus, die Hubarbeitsbühnen selbstständig führen. Das Ausbildungsangebot wurde frühzeitig um Ausbilder­seminare erweitert, um den großen Fachkräftebedarf in den Mitgliedsbetrieben zu decken. Unternehmerinnen und Unternehmer, die Hubarbeitsbühnen einsetzen, können außerdem freie Bildungsinstitute mit der Aus- und Weiterbildung ihrer Beschäftigten beauftragen. „Wichtig ist, dass immer eine Einweisung in das jeweilige Gerät erfolgt, denn jede Maschine funktioniert etwas anders oder hat Besonderheiten“, erklärt Ulrich Egger, Aufsichtsperson der BG ETEM. Er ist für die fachliche Gestaltung der BG-ETEM-Seminare verantwortlich. „Die Einweisung ist aber nicht gleichbedeutend mit der gesetzlich geforderten Unterweisung“, betont der Arbeitsschutzexperte. Zusätzlich ist es erforderlich, das Bedienpersonal schriftlich zu beauftragen. Das hat einen arbeitsrechtlichen Hintergrund. Denn nicht jeder Bediener einer Hubar­beitsbühne, der ausreichend qualifiziert ist, darf auch jedes Gerät im eigenen Betrieb bedienen. So ist es beispielsweise denkbar, dass einzelne Beschäftigte nur ausgewählte Hubarbeitsbühnen benutzen dürfen.

 

Markus Tischendorf