Sicherheitstraining beim Industriedienstleister Actemium: eine Kabelinstallation im Doppelboden steht auf dem Programm. Es gilt, zunächst die passende Persönliche Schutzausrüstung (PSA) auszuwählen, dann einen offenen Zugang zum Doppelboden abzusichern, schließlich herabzusteigen und dort liegende Kabel abzuisolieren. Wer im wahren Leben unsachgemäß mit den Kabeln hantiert, kann einen Stromschlag bekommen – und wer bei der Übung ein paar Schritte zu weit nach vorne macht, kann in den Doppelboden abstürzen.
Die Beschäftigten wissen um die Gefahren und sind entsprechend vorsichtig. Auch wenn ihnen heute keine ernsthafte Gefahr droht. Das Kabelinstallationstraining findet rein virtuell statt – über eine VR-Plattform. Wer es absolviert, trägt dabei eine sogenannte VR-Brille.
VR, das steht für Virtual Reality, also Virtuelle Realität. Wer eine VR-Brille trägt, sieht eine computergenerierte Wirklichkeit mit 3-D-Bild vor sich, kann sich darin umsehen, bewegen und Dinge verändern. Etwa virtuell ein Kabel mithilfe von passendem Werkzeug abisolieren.
Lerneffekt für die echte Welt
Actemium ist eine Marke des Systemintegrators Vinci Energies. Das Unternehmen liefert Industriekunden Lösungen für Elektro-, Automatisierungs- und IT-Technik. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Actemium installieren zum Beispiel Vorfeldbeleuchtung und Zugangssysteme auf Flughäfen oder Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik in Chemieanlagen.
Mit VR-Brille und Controllern können Beschäftigte nicht nur Kabelinstallationen einüben, sondern auch einen Schaltschrank warten oder Erste Hilfe trainieren. „Von Routinearbeiten bis hin zu gefährlichen Aufgaben: Die unternehmenseigene Plattform für VR-Training ermöglicht eine unbegrenzte Flexibilität, um die verschiedensten Szenarien realitätsnah und vollkommen gefahrlos zu trainieren“, sagt Helen Bartmann, Projektleiterin für Digitalisierungsprojekte bei Actemium. Selbst bewusstes Fehlverhalten und daraus folgende Konsequenzen ließen sich so live erleben: „Sie bleiben nachhaltig im Gedächtnis und verbessern das Verhalten in der Realität.“
VR und KMU
Praktische Erfahrung sammeln und im Umgang mit Risiken besser werden: Virtual Reality (VR) macht’s möglich. Die Technologie kann auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine effektive und effiziente Methode sein, um Arbeitssituationen gefahrlos zu üben. Unternehmen benötigen die passende Ausrüstung und Infrastruktur für die Trainings und müssen entscheiden, welche Inhalte und Szenarien für ihre Zwecke am besten geeignet sind. Gegebenenfalls lohnt es sich, zur Unterstützung der Einführung einen Dienstleister zu beauftragen.
Ergänzung, kein Ersatz
Bei Übungen rund um Elektrizität sind virtuelle Trainingsszenarien durchaus sinnvoll. Arbeiten mit Spannung sind gefährlich. Mitgliedsbetriebe der BG ETEM meldeten der Berufsgenossenschaft im vergangenen Jahr 3.622 Stromunfälle, zwei davon endeten tödlich. Umso wichtiger ist es, dass Beschäftigte wissen, worauf es bei der Arbeit mit Elektrizität ankommt.
Die Sicherheitsregeln sind zwar den meisten Menschen bekannt, die im Rahmen ihrer Tätigkeit mit Spannung arbeiten. Allerdings wenden Beschäftigte die Regeln nicht immer korrekt an – weil sie unerfahren oder zu routiniert sind und deshalb unachtsam werden. Es gilt also, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder zu schulen und zu sensibilisieren.
Virtuelles Training zum Ausleihen
Auch die Aktionsmedien der BG ETEM, die Betriebe für Präventionsveranstaltungen ausleihen können, sind teilweise VR-basiert: zum Beispiel der Gabelstaplersimulator oder das virtuelle Fahrradtraining. Gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung IFA hat die BG außerdem ein VR-Sicherheitstraining für Airbus entwickelt, über das Beschäftigte üben können, Flugzeugflügel in sechs Metern Höhe zu lackieren.
Der Kölner Energieversorger Rheinenergie setzt seit vier Jahren auf Virtual-Reality-Trainings in der Arbeitssicherheit – etwa beim Schalten im Bereich von Mittel- und Hochspannungsnetzen. Rheinenergie nutzt mittlerweile neben VR- auch sogenannte AR-Brillen dazu, Beschäftigte bei Arbeiten an Kabelverteilerschränken mit passenden Informationen zu unterstützen. AR steht für Augmented Reality, zu Deutsch „erweiterte Realität“: AR-Brillen liefern zusätzliche Informationen zu dem, was der Träger oder die Trägerin sieht. Etwa technische Daten zu einer Maschine.
Ob mit Spannung oder ohne: Die Palette potenziell gefährlicher Arbeitssituationen, die sich mit VR üben lassen, ist groß. Aber die Technologie hat Grenzen. Sowohl Actemium als auch Rheinenergie haben virtuelle Sicherheitstrainings explizit als Ergänzung zu Gefährdungsbeurteilungen, Sicherheitsunterweisungen und real stattfindenden Übungen eingeführt. Ein Ersatz dafür sind sie nicht.
Annika Pabst
→ info
Aktionsmedien der BG ETEM: www.aktionsmedien-bgetem.de
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