Instandhaltung: Mann mit Werkzeugkoffer arbeitet auf den Knien an elektrischen Anlagen.
Für Arbeiten an elektrischen Anlagen oder Anlagenteilen ist ein Anlagenverantwortlicher zu beauftragen.
Übergeordnete Schutzziele beim Umgang mit elektrischer Energie sind „Verhindern einer gefährlichen Körperdurchströmung“ und „Reduzieren der gesundheitlichen Auswirkung von auftretenden Störlichtbögen“. Im gemeinschaftlichen Auftrag zwischen den Unternehmen und Berufsgenossenschaften, die Prävention auch an dieser Stelle voranzutreiben, konnte die Zahl der schweren und tödlichen elektrischen Unfälle kontinuierlich reduziert werden.

Grundlage für den sicheren Betrieb elektrischer Anlagen und Betriebsmittel ist die Unfallverhütungsvorschrift „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ (DGUV Vorschrift 3 und 4). In Verbindung mit den bezeichneten VDE-Bestimmungen können die Schutzziele bei der Arbeit umgesetzt werden:

  • DIN EN 50191 (VDE 0104) „Errichten und Betreiben elektrischer Prüfanlagen“,
  • DIN VDE 0105-100 „Betrieb von elektrischen Anlagen“ und
  • VDE 0800 „Fernmeldetechnik; Allgemeine Begriffe …“.

Diese bewährten Normen harmonieren und stützen sich gegenseitig, sodass Praktikerinnen und Praktiker auf sichere Arbeitsabläufe zurückgreifen können. Gerade der kontinuierliche Entwicklungsprozess der DIN VDE 0105-100 hat Bestimmungen hervorgebracht, die in der Fachwelt hoch angesehen sind, sich in der Praxis bewährt haben und konsequent angewendet werden. Dieser Entwicklungsprozess findet auf nationaler, europäischer und seit circa zwei Jahren auch auf internationaler Ebene statt.

Parallel zu den Schutzzielen aus den DGUV Vorschriften 3 und 4 oder den Betriebsnormen stellt eine elektrotechnische Ausbildung die zweite wichtige Basis zum sicheren Arbeiten dar. Allerdings ist elektrotechnische Qualifikation auf dem Papier nicht immer gleichzusetzen mit umfangreicher Erfahrung: Mittlerweile gibt es Lehrgänge, die bisherige Metallfacharbeiterinnen und -arbeiter innerhalb weniger Tage, oft übers Wochenende, zu Servicetechnikerinnen und -technikern machen sollen.  Fachgerechte Arbeitsergebnisse sind auf dieser Grundlage nicht unbedingt zu erwarten. Auch unter dem Aspekt der Arbeitssicherheit betrachtet, handeln Unternehmerinnen und Unternehmer gegebenenfalls fahrlässig, wenn sie auf in solchen Schnellkursen ausgebildetes Personal setzen und gar nicht oder nur unzureichend selbst eine Bewertung der Befähigung für die übertragenen Arbeiten vornehmen. 

Grundsätzliches

Die Betriebsnorm DIN VDE 0105-100 enthält Festlegungen zum sicheren Arbeiten an, mit oder in der Nähe von elektrischen Anlagen aller Spannungsebenen, von Klein- bis Höchstspannung.

Sie gilt nicht für das bestimmungsgemäße Benutzen von Anlagen und Betriebsmitteln, die für den Gebrauch durch Laien konstruiert und installiert sind. Jedoch sind hinsichtlich des Betreibens solcher Anlagen und Betriebsmittel, insbesondere mit Blick auf den Erhalt des ordnungsgemäßen Zustands, die Anforderungen aus VDE 0105-100 sehr wohl umzusetzen. 

Während im Anwendungsbereich der Norm noch auf das „Bedienen“ verwiesen wird, gibt es keinen ausgewiesenen Begriff, der das Bedienen beschreibt. Die Begründung dafür liefert die betriebliche Praxis: Alle Tätigkeiten, die nicht dem Bedienen von Betriebsmitteln oder Anlagen zuzuordnen sind, gehören zum Arbeiten.

Beim Bedienen muss die Möglichkeit der elektrischen Gefährdung ausgeschlossen sein. Können elektrische Gefährdungen nicht ausgeschlossen werden, spricht die Norm vom Begriff „Arbeiten“, zu dem immer auch entsprechende Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes umzusetzen sind, die das Risiko eines Unfalls minimieren sollen. In diesem Zusammenhang steht auch die Anforderung, dass elektrische Betriebsmittel nach den für ihre Herstellung geltenden Festlegungen so gebaut sein müssen, dass Beschäftigte sie jederzeit gefahrlos bedienen können. Das gilt auch für die Zusammenfassung mehrerer Betriebsmittel zu einer elektrischen Anlage, unter Beachtung der hierfür aufgestellten Regeln.

Führungsverantwortung und Fachverantwortung

Die Verantwortung im Unternehmen trägt der Unternehmer oder die Unternehmerin. Für den elektrotechnischen Bereich findet sich dieser Grundsatz in den DGUV Vorschriften 3 und 4 wieder.

Hier heißt es:

„Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass elektrische Anlagen nur von einer Elektrofachkraft oder unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft den elektrotechnischen Regeln entsprechend errichtet, geändert und instandgehalten werden. Der Unternehmer hat ferner dafür zu sorgen, dass die elektrischen Anlagen und Betriebsmittel den elektrotechnischen Regeln entsprechend betrieben werden.“

Der bloße Betrieb elektrischer Anlagen und Betriebsmittel erfordert grundsätzlich keine Elektrofachkraft. Es kann dennoch notwendig sein, dass zum Betrieb einer Hochspannungsanlage, zum Beispiel einer Transformatorstation zur Versorgung des Unternehmens, eine Elektrofachkraft benannt ist. Hochspannungsanlagen werden üblicherweise in sogenannten abgeschlossenen elektrischen Betriebsstätten betrieben. Hier darf gemäß VDE 0105-100, 4.3.1 nur Elektrofachkräften oder elektrotechnisch unterwiesenen Personen Zutritt gewährt werden. Elektrotechnische Laien, zum Beispiel der Unternehmer, dürfen diesen Bereich nur in Begleitung einer Elektrofachkraft oder elektrotechnisch unterwiesenen Person betreten. 

Wenn die Unternehmerin oder der Unternehmer selber nicht die Anforderungen an eine Elektrofachkraft erfüllt, müssen die mit dem Errichten, Ändern oder Instandhalten elektrischer Anlagen und Betriebsmittel einhergehenden Pflichten auf entsprechend qualifizierte Personen übertragen werden.

Die Fachverantwortung – auch Handlungsverantwortung genannt – obliegt jedem, der durch Arbeits- oder Dienstvertrag oder Ernennung für bestimmte Bereiche, Aufgaben oder Personen zuständig ist. Im Rahmen einer arbeitsplatzbezogenen Aufgabenstellung, Verantwortung, Einflussmöglichkeit und Ressourcenautonomie spricht man auch von Bereichsverantwortung – besonders dann, wenn zu diesem Verantwortungsbereich weisungsgebundene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählen.

Die Fachverantwortung, die aus dem Verständnis der DGUV Vorschriften 3 und 4 gesehen im Begriff „Elektrofachkraft“ zusammengefasst ist, kann einzig und allein durch den Unternehmer oder Vorgesetzte mit entsprechender elektrotechnischer Qualifikation im eigenen Betrieb übertragen werden. Sie bedarf in der Regel keiner besonderen Verfügung oder Beauftragung. Allerdings findet sich im Arbeitsschutzgesetz der Hinweis auf die schriftliche Beauftragung von zuverlässigen und fachkundigen Personen. Die „geeigneten“ Mitarbeiter nehmen demnach die ihnen übertragenen Aufgaben „in eigener Verantwortung“ wahr. Das hebt die generelle Verantwortung der höheren Leitungsebene nicht auf, sondern präzisiert im Hinblick auf die Herstellung sicherer Zustände für die Beschäftigten eine organisierbare und finanzierbare Verantwortungsstruktur. Darüber hinaus können Führungskräfte und Bereichsverantwortliche weitergehende Aufgaben delegieren, zum Beispiel im Rahmen der Verantwortlichkeit für ein bestimmtes Projekt oder eine bestimmte, zeitlich befristete Aufgabe (etwa eine Umbaumaßnahme). Auch hier ist die schriftliche Form sinnvoll.

Im Zuge der betrieblichen Aufbauorganisation können Unternehmerinnen und Unternehmer ihnen obliegende Aufgaben zur Durchführung in eigener Verantwortung auf andere Personen übertragen. Das erfolgt vorzugsweise schriftlich. Mit der Delegation dieser Aufgaben (Unternehmerpflichten) auf andere (Führungs-)Personen wird auch die Weisungsbefugnis übertragen, da sonst keine Personalführung möglich ist. Zur Sicherstellung dieser übertragenen Fachverantwortung sprechen die DGUV Vorschriften 3 und 4 nur von der Elektrofachkraft (EF). Doch schon die Ausübung von Leitung und Aufsicht gegenüber Personen ohne Kenntnisse und Erfahrungen einer Elektrofachkraft, zum Beispiel elektrotechnisch unterwiesene Personen oder Laien, bedingt neben der Fachverantwortung auch die Übernahme von Führungsverantwortung.

Zur Erfüllung der Anforderungen wird gerne auch immer wieder auf die DIN VDE 1000-10 und deren Begriff „Verantwortliche Elektrofachkraft“ verwiesen. Aus den dort verankerten Bestimmungen ergibt sich aber nicht zwangsläufig eine Weisungsbefugnis im Sinne eines Gesetzes.

Die VDE-Bestimmung DIN VDE 1000-10 kann bei der Konkretisierung der betrieblichen Organisation herangezogen werden, rechtlich bindend ist jedoch nicht. Sie ist eine anerkannte elektrotechnische Regel. Darüber hinaus lässt diese Norm die Möglichkeit zu, dass auch Personen anderer Ausbildungsgänge als die eines Technikers, Meisters oder Ingenieurs als „Verantwortliche Elektrofachkraft“ eingesetzt werden können. Ein erfahrener Geselle oder eine Gesellin mit Führungsqualitäten kann auch als „Technische Führungskraft“ benannt werden. Hier wäre auch die im Elektrohandwerk etablierte sogenannte Altgesellenregelung eine Richtschnur bei der Personenauswahl. Die hierfür notwendige Qualifikation ist gesondert nachzuweisen. Deren Überprüfung kann durch den Unternehmer oder eine von ihm beauftragte Person (EF) erfolgen.

Für den sicheren Betrieb elektrischer Anlagen und hinsichtlich der Wahrnehmung entsprechender Verantwortung, differenziert die DIN VDE 0105-100 seit der Ausgabe vom Oktober 2015 drei Rollen:

1. Anlagenbetreiber

Als Anlagenbetreiber wird eine Person bezeichnet, der Unternehmer oder eine von ihm beauftragte natürliche oder juristische Person, die die Unternehmerpflicht für den sicheren Betrieb und ordnungsgemäßen Zustand der elektrischen Anlage wahrnimmt.

Damit wird klar zwischen der bestehenden Verantwortung des Anlagenbetreibers (Unternehmers) und der arbeitsbezogenen Verantwortung des Anlagenverantwortlichen unterschieden. Bei umfangreichen oder komplexen Anlagen kann diese Zuständigkeit auch für Teilanlagen übertragen sein. Je nach Betriebsgröße oder Personalstärke kann auch eine einzige Person beide Verantwortungsbereiche ausfüllen. Dabei müssen aber die Anforderungen an eine „Elektrofachkraft“ nach den DGUV Vorschriften 3 und 4 erfüllt sein.

2. Anlagenverantwortlicher

Zwei Fachkräfte mit Helmen und Sicherheitswesten prüfen ein Schriftstück in einer Fabrikhalle.
Eine umsichtige Abstimmung zwischen Anlagen- und Arbeitsverantwortlichen und die Erteilung der Durchführungserlaubnis bilden die Grundlage für ein sicheres Arbeiten an, in und in der Nähe elektrischer Anlagen.

Für die Person, die mit der Rolle des Anlagenverantwortlichen beauftragt ist, ergibt sich in der DIN VDE 0105-100 (VDE 0105-100), dass sie während der Durchführung von Arbeiten die unmittelbare Verantwortung für den Betrieb der elektrischen Anlage beziehungsweise der Anlagenteile zu tragen hat, die zur Arbeitsstelle gehören. Es ist davon auszugehen, dass der oder die Anlagenverantwortliche mögliche Auswirkungen der Arbeiten auf die in seinem beziehungsweise ihrem Zuständigkeitsbereich befindlichen Anlagen oder Anlagenteile und die Auswirkungen von diesen auf die vorgesehene Arbeitsausführung beurteilen kann. Erforderlichenfalls können einige mit dieser Verantwortung einhergehende Verpflichtungen auf andere Personen übertragen werden.

Aus der Historie heraus gibt es immer wieder die Verwechslung der unternehmerischen Verantwortung für die Anlage mit der Anlagenverantwortung nach DIN VDE 0105-100. Bei der ersten Aufgabe handelt es sich um die oben beschriebene Betreiberverantwortung, die sicherlich auch in vielen Betrieben mit der Arbeit bezogenen Anlagenverantwortung gekoppelt sein kann, aber immer differenziert betrachtet werden muss. Der oder die Anlagenverantwortliche ist aus dieser Rolle heraus grundsätzlich nicht für die Organisation der Prüfungen zum Erhalt des ordnungsgemäßen Zustandes verantwortlich. Dennoch wird die so verantwortliche Person aufgrund ihrer Fachverantwortung notwendige Erhaltungsmaßnahmen und Mängel erkennen und an entsprechender Stelle vortragen, aber das obliegt ja eigentlich jeder Elektrofachkraft.

Damit ist klar: Für Arbeiten an elektrischen Anlagen oder Anlagenteilen ist ein Anlagenverantwortlicher zu beauftragen. Der Anlagenverantwortliche mit Weisungsbefugnis für den sicheren Betrieb muss zwingend die Anforderungen an eine Elektrofachkraft erfüllen.

Darüber hinaus übernimmt diese Person an der Arbeitsstelle mitunter auch die Aufgaben und Verantwortung nach § 8 Absatz 2 des Arbeitsschutzgesetzes: Der Arbeitgeber muss sich je nach Art der Tätigkeit vergewissern, dass die Beschäftigten anderer Arbeitgeber, die in seinem Betrieb tätig werden, hinsichtlich der Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit während ihrer Tätigkeit in seinem Betrieb angemessene Anweisungen erhalten haben. Werden mehrere Gruppen mit der Arbeit beauftragt, dann ist jeweils ein Arbeitsverantwortlicher in der Arbeitsgruppe zu benennen. Der Anlagenverantwortliche übernimmt die Koordination der einzelnen Gruppen. Arbeiten, Schalthandlungen oder Arbeitsverfahren sind zwischen Arbeitsverantwortlichen und Anlagenverantwortlichen vor Arbeitsbeginn abzustimmen.

3. Arbeitsverantwortlicher

Der Arbeitsverantwortliche ist eine beauftragte Person, die die unmittelbare Verantwortung für die Durchführung der Arbeit trägt. Erforderlichenfalls sind einige mit dieser Verantwortung einhergehende Verpflichtungen auf andere Personen übertragbar. Er trägt die Verantwortung für die sichere Ausführung seiner eigenen Tätigkeiten und gleichermaßen für die ihm zugewiesenen Arbeitskräfte. Aufgrund der Bezeichnung der DIN VDE 0105-100 in den DGUV Vorschriften 3 und 4 ergibt sich für diese Norm eine Rechtsverbindlichkeit und daraus, mit dem Arbeitsverantwortlichen, eine weitere Person in verantwortlicher Rolle in der Elektrotechnik. Die Verantwortung im Sinne dieser Norm erstreckt sich auf alle mit der Aufgabe zusammenhängenden Tätigkeiten mit der Möglichkeit einer elektrischen Gefährdung.

Personal und Organisation

Alle Personen, die an Arbeiten an, mit oder in der Nähe elektrischer Anlagen beteiligt sind, müssen über die einschlägigen Sicherheitsanforderungen, -vorschriften, betrieblichen Anweisungen und die mit den Arbeiten verbundenen Gefahren unterrichtet sein. Die Verantwortung dafür trägt der Arbeitsverantwortliche, der für jede der Arbeiten zu benennen ist. Hat eine Person nicht das für eine Arbeit erforderliche Wissen oder dafür ausreichende Erfahrung zur Vermeidung elektrischer Gefahren oder Verletzungen, darf sie diese Arbeit nicht ausführen oder muss dabei beaufsichtigt werden. Vor Beginn der Arbeiten muss der Schwierigkeitsgrad beurteilt werden, um die für die Durchführung geeigneten Personen auszuwählen. An Orten, an denen eine elektrische Gefährdung für Laien besteht, muss der Zugang durch entsprechende organisatorische Maßnahmen eingeschränkt und überwacht werden. So ist etwa der Zugang zu abgeschlossenen elektrischen Betriebsstätten so zu regeln, dass die Schlüssel für solche Räume nur Elektrofachkräften oder elektrotechnisch unterwiesenen Personen zugänglich sind.

Zusätzlich ist bei Arbeiten an elektrischen Anlagen darauf zu achten, dass im Fall einer Körperdurchströmung oder Verbrennung infolge von Störlichtbögen zeitnah Erste Hilfe verfügbar ist.

Aufgrund der wechselnden Arbeitsorte und der häufig geringen Zahl von Elektrofachkräften in Arbeitsgruppen ist es sinnvoll, möglichst viele Beschäftigte als Ersthelferin oder Ersthelfer auszubilden. Auch in kleinen Teams ab zwei anwesenden Beschäftigten muss mindestens eine entsprechend ausgebildete Person zur Verfügung stehen, darüber hinaus mindestens zehn Prozent der Personen in Produktions- oder Handwerksbetrieben.

Die Kosten des Erste-Hilfe-Lehrgangs (16 Stunden Ausbildung) und Erste-Hilfe-Trainings (jeweils acht Stunden regelmäßige Fortbildungen in Zeitabständen von maximal zwei Jahren) zur Qualifikation der Ersthelfer bei einer ermächtigten Stelle übernimmt die Berufsgenossenschaft.

 

Hans-Peter Steimel