Die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) stellt auch Anforderungen an den Betrieb betagter Maschinen. Neuere Maschinen müssen der Maschinenrichtlinie entsprechen, ältere mindestens den Anforderungen aus den Paragrafen 8 und 9 der BetrSichV. Zu den Grundpflichten des Arbeitgebers gehört zudem die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach Paragraf 4 BetrSichV, bei der auch der aktuelle Stand der Sicherheitstechnik zu ermitteln ist. Gerade beim Heidelberger Tiegel, der noch in vielen Betrieben zum Nuten, Prägen, Stanzen und Heißfolienprägen eingesetzt wird, stoßen diese Forderungen an Grenzen.
Denn diese Maschine mit Geschichte verfügt nur über wenige Schutzeinrichtungen: Dazu zählt der drehbare Kopfschutz in Form des Schildes mit der Beschriftung „Original Heidelberg“. Eine Sicherung verhindert, dass der Einrückhebel unbeabsichtigt die Maschine in Gang setzt. Zudem gibt es einen Keilriemenschutz. Allerdings sind einige Maschinenteile beim Betrieb frei erreichbar. So hat schon mancher Buchdruckerlehrling ungewollte Bekanntschaft mit dem Propeller gemacht, der die einzelnen Papierbogen zwischen Tiegelbett und Schwinge transportiert.
So lässt sich der Heidelberger Tiegel weiter betreiben
Unternehmen dürfen den Heidelberger Tiegel auch heute noch nutzen, wenn „ergänzende Schutzmaßnahmen“ umgesetzt werden:
- Nur Einsatz von qualifiziertem Personal
- Zusätzlich zur jährlichen Unterweisung regelmäßige Unterweisung über Restgefahren und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr
Ergänzende Schutzmaßnahmen
Zusätzliche Schutzeinrichtungen für den Heidelberger Tiegel sind immer wieder diskutiert worden – mit dem Ergebnis, dass die Maschine bei deren Einsatz nicht mehr betrieben werden kann. Aus diesem Grund lässt die BetrSichV an dieser Stelle Spielraum: Ihre Interpretation berücksichtigt das tatsächliche Unfallgeschehen und erlaubt auf dieser Basis gemäß dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit den weiteren Betrieb – sofern „ergänzende Schutzmaßnahmen“ durchgeführt werden, durch die quasi ein vergleichbares Schutzniveau für das Bedienpersonal erreicht werden kann. Diese werden in der Gefährdungsbeurteilung festgelegt.
Zu diesen Maßnahmen zählt unter anderem der Einsatz von ausschließlich qualifiziertem Personal (zum Beispiel ausgebildeten Buchdruckerinnen und Buchdruckern oder Personal mit einer ähnlichen Qualifikation). Außerdem müssen Beschäftigte ausführlich und über die mindestens jährliche Unterweisung hinaus regelmäßig über die Restgefahren und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr besonders unterwiesen werden. Wenn Betriebe diese Schutzmaßnahmen durchführen und dokumentieren, lässt sich der Heidelberger Tiegel weiterhin sicher nutzen.
Ähnlich kann auch mit anderen lange verwendeten Maschinen verfahren werden, zum Beispiel dem original Heidelberger Zylinder, der ebenfalls zum Nuten, Prägen und Stanzen dient. Es kommt allerdings immer auf das tatsächliche Unfallgeschehen und die Verhältnismäßigkeit weitergehender Maßnahmen an. Daher müssen einige ältere Druck- beziehungsweise Papierverarbeitungsmaschinen, zum Beispiel Kreisscheren, unter Umständen sicherheitstechnisch nachgerüstet werden.
Jörg Walter
→ info
- Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV): www.bgetem.de, Webcode M18857287
- Übersichtsseite Druck und Papierverarbeitung: www.bgetem.de, Webcode 13335297
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