Mann mit Werkzeug in der Werkstatt von Hanika
Der Schreiner Maximilian Kölbel ist Experte für den Halsbau.

Mitten in einem Wohngebiet der kleinen mittelfränkischen Stadt Baiersdorf baut das Familienunternehmen Hanika seit vielen Jahrzehnten hochwertige Gitarren. Inhaber des Unternehmens ist Armin Hanika. Er übernahm die Chefposition 1993 von seinem Vater, dem Firmengründer Helmut Hanika. „Mein Vater hat immer großen Wert auf ein menschliches Miteinander gelegt. Das ist auch mir wichtig“ beschreibt Hanika die Firmenphilosophie.

Ausgefeiltes Teamwork

Zupfinstrumentenmachermeister und Betriebswirt Martin Bretscher kann das bestätigen: „Man kann hier gleichmäßig und ruhig arbeiten und sich entwickeln.“ Der ehemalige Werkstattleiter kümmert sich heute um die Belange des Teams, zu dem 25 Männer und Frauen gehören. „Jede Woche stellen wir in Serie etwa 50 Gitarren her“, sagt Bretscher. „Das funktioniert nur, weil wir jeden Arbeitsschritt und jede Zuständigkeit bis ins Detail geplant haben.“ Die Werkstatt ist über die Jahrzehnte immer größer geworden. Das zeigen die kleinen Anbauten und verschachtelten Arbeitsbereiche der Gitarrenmanufaktur. Gitarren von Hanika sind das Ergebnis ausgefeilten Teamworks. An den Werkbänken arbeiten Instrumentenbauer und Schreiner nebeneinander und fertigen Einzelteile, aus denen am Schluss die fertigen Instrumente zusammengebaut werden.

Mit der BG ETEM arbeitet Hanika schon lange zusammen. Zum Beispiel, um für spezielle Arbeitsplätze Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen. Als ein Kollege vor einigen Jahren nach einer Krankheit wieder eingegliedert wurde, entstand die Idee, ein betriebliches Gesundheitsmanagement einzurichten. Hanika organisierte Seminartage mit Arbeitsmedizinern der Berufsgenossenschaft sowie einen Workshop zum Thema Kommunikation. „Das waren Themen, die aus Unternehmersicht sinnvoll waren“, sagt Armin Hanika. „Wir haben dann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter direkt gefragt: Was bewegt euch momentan? Was brennt euch auf den Nägeln? Und das Ergebnis war: Stress und nur wenig Erholung.“

Die Praktikantin Sinem Timurlenk lernt den Gitarrenbau bei Hanika kennen.
Hanika Gitarren hat unter Instrumentenbauern einen guten Ruf. Offene Stellen können schnell wiederbesetzt werden. Sinem Timurlenk lernt das Handwerk als Praktikantin in der Werkstatt kennen.

Hohes Niveau

Martin Bretscher wundert das nicht: „Jede Kollegin und jeder Kollege arbeitet nach einer vorgegebenen Zeit und muss bei jedem Werkstück, bei jedem Arbeitsschritt ein hohes Niveau erreichen.“ Jedes Instrumententeil, sei es der Korpus, der Hals oder die Lackierung, muss je nach Qualitätsstufe ein gleiches Qualitätsniveau haben, und das immer auf einem handwerklich hohen Level. „Das ist nur mit viel Erfahrung, Know-how und konzentrierter Arbeit zu erreichen“, sagt Bretscher. Außerdem warten die Kolleginnen und Kollegen an der nächsten Arbeitsstation schon auf die Bauteile, um ihre Arbeit fortzusetzen. Die Arbeit ist also stark getaktet, jeder und jede Beschäftigte befindet sich in einer Art Sandwichposition. Das bedeutet einen ständigen Zeit- und Leistungsdruck. Die Qualitätsanforderungen sind hoch. Doch der Mensch ist nicht jeden Tag in derselben Form, manchmal ist er müde, unkonzentriert oder emotional mitgenommen. Dann wird der Druck zum Stressor. „Wir machten deswegen im Jahr 2020 Stress zu unserem Thema“, erzählt Martin Bretscher. Er recherchierte, entdeckte die Angebote der BG ETEM und telefonierte mit Denise Wilpert, Arbeitspsychologin bei der BG ETEM. „Es ging uns gar nicht darum, eine gesetzeskonforme Gefährdungsbeurteilung zu erreichen. Wir wollten, dass der gesamte Prozess uns als Team weiterbringt.“ Arbeitspsychologin Wilpert machte Vorschläge für das weitere Vorgehen: „Sie empfahl uns, den Workshop ‚Gemeinsam zu gesunden Arbeitsbedingungen‘ als Vorbereitung einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung.“ So konnte sich Bretscher auf verständliche Anleitungen stützen. „Das hat die BG ETEM wahnsinnig gut vorbereitet. Ich war mir schnell sicher: ‚Das müssen wir machen!‘ Und auch die Kolleginnen und Kollegen nahmen die Idee positiv auf.“ 

Martin Bretscher (l.) und Uwe Heinecke von Gitarren Hanika tauschen sich über das Thema psychische Belastung aus.
Martin Bretscher (l.) und Uwe Heinecke bereiteten gemeinsam den Workshop zu psychischer Belastung auf der Basis der Anleitungen der BG ETEM vor.


„Heute sind die Teamstrukturen übersichtlicher. Alle wissen, dass die Teamleiter ansprechbar sind, und wir haben gesehen, dass Probleme gelöst werden können. Das allein senkt das Stressempfinden und lässt einen nicht mit einem blöden Gefühl im Bauch zurück.“

Jens Schönitz
Diplom-Musikinstrumentenbauer (FH) 
und Instrumentenbaumeister

Uwe Heinecke von Gitarren Hanika präsentiert ein Instrument, das in der Werkstatt gefertigt wird.
Der Schreinermeister Uwe Heinecke ist Sicherheitsbeauftragter bei Hanika Gitarren.

Wichtige Lerneffekte

Nach drei Monaten Vorbereitung traf sich das Hanika-Team in der Werkstatt, um in kleinen Gruppen über Probleme, mögliche Lösungen und neue Ideen zu sprechen. Sprecherinnen und Sprecher der Gruppen stellten die Ergebnisse anschließend im Plenum vor. Die Führungskräfte erfuhren, welche Probleme ihre Beschäftigten haben. Alle lernten die Sorgen, Nöte und Zwänge jener Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzten kennen, mit denen sie nicht direkt zusammen arbeiten. Oft ging es in den Gesprächen um die Gestaltung der Arbeitsplätze, die Beschäftigte als nicht optimal empfanden. Im Prozess wurde auch klar, dass nicht alle Probleme sofort zu beheben waren. „Manches war leider sogar unveränderlich“, berichtet Bretscher: „Aber in solchen Fällen war ein wichtiger Lerneffekt, dass man sich dessen bewusst wurde. Das hat das Verständnis untereinander und für das Unternehmen verbessert.“ Der Workshop hat allen gezeigt: Man muss Probleme ansprechen, um Prozesse verbessern zu können. „Vor allem die Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen, sich aktiv in die Diskussion einzubringen und gemeinsam Lösungen für unser Unternehmen zu finden, war dafür wichtig und hat mich wirklich beeindruckt“, fasst Bretscher zusammen.


„Wir sollten uns die Ergebnisse des Workshops immer wieder in Erinnerung rufen, denn im Alltag vergisst man mit der Zeit. Geblieben ist aber eine offenere Gesprächskultur.“

Julian Kemfert
Schreinergeselle

Armin Hanika, Inhaber von Hanika Gitarren.


„Belastungen sind nicht immer vermeidbar. Aber man sollte die Problematik im Auge behalten und Strukturen schaffen, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Fall der Fälle Hilfen anbieten.“

Armin Hanika,
Zupfinstrumentenbaumeister und geschäftsführender Inhaber des Unternehmens Hanika Gitarren 

Verbesserungen wurden erreicht

Nach und nach wurden in der Zeit nach dem Workshop verschiedene Änderungen im Unternehmen umgesetzt. Ein Beispiel ist die Arbeitsplanung: Heute plant nicht mehr eine Person die Verteilung der Aufgaben, sondern die Gruppe der Teamleiter. Sie besprechen, welche alten Aufgaben der vergangenen Woche noch zu erledigen sind und was Neues kommt. Die Teamleiter kennen die Kapazitäten ihrer Leute am besten und können auch sagen, dass etwas in einem Team eventuell nicht zu schaffen ist. Auch Arbeitsabläufe haben sich geändert, um Druck herauszunehmen. So ist die garantierte Zeit, zu der ein bestimmtes Werkstück fertig vorliegen muss, vom Mittag eines Tages auf das Arbeitsende verlegt worden, sodass es auf jeden Fall am nächsten Morgen für die weitere Bearbeitung zur Verfügung steht. Auch die Gestaltung von Arbeitsplätzen wurde Thema: In einem kleinen Arbeitsraum, den wechselnde Beschäftigte kurzzeitig für ihre Arbeit nutzen müssen und in dem es aufgrund der Enge immer wieder zu Kollisionen der Werkstücke kam, wurde ein großes fahrbares Gitarren-Gestell entfernt. Stattdessen ist nun eine kleinere Instrumenten-Halterung an einer Wand angebracht. So entstand etwa ein Quadratmeter zusätzlicher Bewegungsraum. Zudem ist die Nutzung des Schleifraums nun geregelt. Hanika hat ein System eingeführt, das für alle einsehbar festlegt, wer den Raum wann belegen darf. Auch die Jahresgespräche laufen jetzt anders ab. Früher fanden sie im Büro des Chefs statt und bedeuteten für manchen Beschäftigten Stress. Nun sind die Gespräche flexibilisiert: Jede und jeder Beschäftigte darf sowohl die Person wählen, mit der sie oder er reden möchte, als auch die Zeit und den Ort. Es ist heute also möglich, das Jahresgespräch mit einem Teamleiter während eines Spaziergangs nach Arbeitsende oder mit dem Chef am Nachmittag in einem Café zu führen.


„Seit dem Workshop haben die Teamleiter eine zentrale Funktion als Ansprechpartner für Probleme der Kollegenschaft.“

Tobias Hanika 
Zupfinstrumentenmacher-Geselle und Teamleiter

Workshop machte Hanika besser

„Mittlerweile werden Verbesserungen auch ohne ein großes Meeting auf den Weg gebracht – aus dem Team zum Teamleiter“, erklärt Uwe Heinecke, Sicherheitsbeauftragter bei Hanika. Die Eingaben würden von den Teamleitern priorisiert und nach und nach umgesetzt: „Das ist inzwischen ein laufender Prozess.“ Auch Firmenchef Hanika hat der Workshop überzeugt: „Eine Wirksamkeitskontrolle hat 2023 gezeigt, dass wir nach dem Workshop vieles verbessert haben: Das Stresslevel wurde gesenkt, weil wir das Thema Stress erkannt haben und jetzt wissen, wie wir damit umgehen müssen. Kurzum: Der Workshop hat Hanika Gitarren zu einem besseren und sichereren Unternehmen gemacht.“

Christian Alt