Ärztin im Gespräch mit einem Patienten.

Wer hat nicht schon mal geschimpft, dass der Job krank mache, wenn gerade etwas schiefgeht. Wenn im Team dicke Luft herrscht oder Termindruck Mehrarbeit nach sich zieht und das Überstundenkonto zu platzen droht? Doch selbst wenn der eigene Stresslevel am Anschlag ist und der Arzt eine Auszeit verordnet – von einer Berufskrankheit kann hier noch nicht gesprochen werden. Raimund Kaup, Experte für Berufskrankheiten bei der BG ETEM, sagt es klar: „Der Gesetzgeber hat das, was eine Berufskrankheit ist, streng definiert.“

Gesetzlich festgelegt

In Deutschland wird eine Krankheit als Berufskrankheit anerkannt, wenn sie in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) aufgeführt ist. Die BKV ist eine Rechtsverordnung der Bundesregierung, also eine generell-verbindliche Rechtsnorm. Wenn der BG ETEM ein Verdacht auf eine Berufskrankheit gemeldet wurde, kümmert sie sich sofort darum. Für das Ermittlungsverfahren gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung das Amtsermittlungsprinzip. Demzufolge müssen Versicherte nicht beweisen, dass die Arbeit die Erkrankung verursacht hat. Die Betroffenen müssen die ihnen bekannten Informationen zur beruflichen Tätigkeit und zum Krankheitsverlauf mitteilen und sich gegebenenfalls den notwendigen Begutachtungen unterziehen, damit die Unfallversicherung prüfen kann, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllt sind.

Schaubild BK-Verdachtsanzeigen 2022: Gesamt 5.757   Hauterkrankungen: 25,46 % Atemwegserkrankungen: 22,84 % Lärmschwerhörigkeiten: 22,59 % Muskel-Skelett-Erkrankungen: 12,12 % Erkrankungen durch chemische Einwirkungen: 11,67 % Sonstige Erkrankungen: 5,32 %   Quelle: Jahresbericht 2022 BG ETEM

Es ist an der Unfallversicherung, offen und damit auch im Sinne der Betroffenen zu recherchieren, welche Gründe für oder gegen die Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit gelten. Damit ein Ursachenzusammenhang anerkannt werden kann, muss die Einwirkung bei der Arbeit eine Intensität erreicht haben, dass sie zumindest als wesentliche Teilursache für die Erkrankung infrage kommt. Maßgeblich für die Bewertung sind die neuesten Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung. Ist belegbar, dass der Beruf ursächlich für die Erkrankung ist, wird die Berufskrankheit anerkannt. Wie lange das Verfahren dauert, hängt vom Aufwand der nötigen Ermittlungen ab. Je nach Art der Erkrankung und beruflichen Vorgeschichte der oder des Versicherten müssen Daten über die Arbeitsbedingungen in einem oder mehreren Unternehmen und häufig über einen langen Beschäftigungszeitraum eingeholt, gesammelt und bewertet werden. Die Feststellung des jeweiligen Krankheitsbildes sowie die Prüfung des Ursachenzusammenhangs erfolgt in Zusammenarbeit mit medizinischen Fachleuten. Das alles braucht seine Zeit.

Blick über die linke Schulter einer Ärztin, die das Röntgenbild eines Brustkorbs hält.
Ärztinnen und Ärzte helfen dabei, Krankheitsbilder festzustellen und nach deren Ursachen zu forschen.

Das Verfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit

1. Melden

Besteht der Verdacht einer Berufskrankheit, müssen Ärzte und Arbeitgeber das bei der Berufsgenossenschaft melden. Doch auch Krankenkassen, Betroffene selbst, Kolleginnen und Kollegen oder der Betriebsrat können sich direkt an die BG ETEM wenden.

2. Ermitteln


Sobald der Verdacht auf eine Berufskrankheit gemeldet ist, analysiert die BG ETEM die Krankengeschichte sowie die Bedingungen am Arbeitsplatz. Im Bedarfsfall wird auch das vorherige Arbeitsleben berücksichtigt. Möglicherweise wird ein unabhängiges fachärztliches Gutachten notwendig. Das Verfahren dauert meist nicht länger als sechs Monate.

3. Entscheiden

Damit eine Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt wird, müssen versicherungsrechtliche Voraussetzungen vorliegen. Sind sie erfüllt, 
entscheidet in bestimmten Fällen der unabhängige Rentenausschuss der BG ETEM, ob ein Versicherungsfall vorliegt. Liegt eine Berufskrankheit vor, erhalten die Betroffenen die notwendige medizinische Behandlung, Reha-Leistungen oder eine Rente.

4. Überprüfen
Sind Betroffene mit der Entscheidung der BG ETEM nicht einverstanden, können sie Widerspruch einlegen. Nach einer erneuten Prüfung entscheidet dann der Widerspruchsausschuss. Sind Betroffene auch dann noch nicht einverstanden, können sie vor dem Sozialgericht klagen.

Christian Alt