Das Wochenende steht vor der Tür. Zur letzten Schicht am Freitag ist Großputz angesagt. Die Maschinen und Anlagen des folienverarbeitenden Betriebs müssen gereinigt und gewartet werden. Claudia M. (Name geändert) freut sich schon auf die freien Tage mit der Familie: Ausspannen, spazieren gehen, einfach den Kopf frei bekommen.
In Gedanken öffnet sie – wie gewöhnlich bei den regelmäßigen Wartungsarbeiten – die Abdeckungen am Cutter. An der automatischen Schneidanlage müssen wöchentlich die Lager der Umlenkrollen für den Zahnriemen geschmiert werden. Das hat die erfahrene Mitarbeiterin schon oft gemacht.
Seit fast 20 Jahren ist Claudia M. im Betrieb beschäftigt, doch heute ist nichts wie sonst. Sie schraubt die Verkleidung ab und beginnt mit der Wartung des Cutters. Während sie mit der Hand nahe an der einen Umlenkrolle arbeitet, unterhalten sich zwei Kolleginnen am anderen Ende der Anlage über das bevorstehende Wochenende.
Ins Gespräch vertieft bemerken sie nicht, dass sich Claudia Ms. Finger an der Einzugsstelle zwischen Zahnriemen und Umlenkrolle befinden und schalten die Maschine ein. Ein lauter Schrei schreckt die beiden auf. Der Zahnriemen hat die Fingerkuppen ihrer rechten Hand erfasst und – knack, knack, knack – drei von ihnen gebrochen. Für die Verletzte beginnt das Wochenende nicht im Familienkreis – sondern auf der Rettungsstelle.
Der Unfall beweist, dass bei der Wartung und Reparatur an kraftbetriebenen Maschinen und Anlagen die Eigensicherung der Ausführenden enorm wichtig ist. In der Unfallanalyse zeigten sich bei Vorbereitung und Durchführung der Wartungsarbeiten gravierende Unterlassungsfehler:
1. Gefährdungsbeurteilung für Instandhaltungsarbeiten fehlte
Eine spezielle Gefährdungsbeurteilung für Instandhaltungsmaßnahmen ist Voraussetzung für sichere Wartungs- und Reparaturarbeiten. Welche Schritte dabei notwendig sind, erläutert ausführlich die Technische Regel für Betriebssicherheit TRBS 1112 „Instandhaltung“:
- Art, Umfang und Abfolge der Instandhaltungsmaßnahmen festlegen,
- auftretende Gefährdungen ermitteln und beurteilen,
- die erforderlichen Schutzmaßnahmen vorsehen,
- Anforderungen an die Qualifikation des Instandhaltungspersonals festlegen.
2. Gesamtanlage nicht gegen Wiedereinschalten gesichert
Verdeckungen und Verkleidungen verhindern im Normalbetrieb den Zugriff in bewegte Maschinenteile. Einzugsstellen, Quetsch- oder Scherstellen werden damit gegen das Erfassen, Einziehen oder Quetschen von Händen und Armen gesichert.
Bei Wartungsarbeiten müssen diese Sicherheitseinrichtungen oft abgebaut werden, um Teile auszutauschen, zu reinigen oder zu schmieren. Vor Beginn jeder Reparatur ist deshalb die Anlage am Hauptschalter auszuschalten. Das genügt aber noch nicht. Ein anderer Beschäftigter könnte die Maschine während der Wartungsarbeit versehentlich einschalten.
Daher ist es besonders wichtig, dass Einrichtungen zum Sichern gegen Wiedereinschalten verwendet werden. Dies können sein:
- verschließbare Schalter,
- Schalterabdeckungen,
- abnehmbare Schalthebel.
Der mit der Wartung Beschäftigte muss verhindern, dass während der Störungsbehebung die Anlage eingeschaltet werden kann. Weiterhin ist ein Verbotszeichen mit der Aussage „Nicht schalten“ und erforderlichenfalls der zusätzlichen Aussage „Es wird gearbeitet/Ort …/Entfernen des Schildes nur durch …“ gut sichtbar in unmittelbarer Nähe des Ausschalters fest anzubringen.