„Flatfish“ schwebt über dem Tauchbecken durch die Halle. Der zwei Meter lange und fast 300 Kilogramm schwere Tauchroboter hängt am Brückenkran. Langsam senkt er sich zur Oberfläche hinab, bis er sicher im Wasser schwimmt. Dr. Bilal Wehbe, stellvertretender Leiter des Maritimen Robotic Teams am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen, lässt „Flatfish“ vom Haken. Jetzt kann das autonome Unterwasserfahrzeug im Salzwasser zeigen, wie sicher es zu navigieren ist. Wehbe steuert und kontrolliert es vom Beckenrand aus.
„Flatfish“ ist Teil des Forschungsprojekts „Deeper Sense“. Dessen Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit autonomer Tauchroboter so zu verbessern, dass sie auch unter schwierigen Bedingungen unter Wasser selbstständig Pipelines untersuchen oder Schiffsrümpfe kontrollieren können.
Ausgerüstet mit zahlreichen Sensoren erstellt der Tauchroboter auch dann Umgebungsbilder, wenn Menschen nichts mehr sehen. Beim Test im Tauchbecken generieren die Forscherinnen und Forscher des DFKI Daten, mit denen die Algorithmen der Künstlichen Intelligenz trainiert werden.
Forschungsziel Sicherheitstechnologien
Einsätze unter Wasser bergen Gefahren – auch dann, wenn Maschinen dabei die Hauptrolle spielen. „Im Grunde steht Arbeitsschutz im Zentrum unserer Arbeit“, sagt Felix Bernhard. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und zugleich Koordinator für Arbeitssicherheit am Robotics Innovation Center des DFKI in Bremen.
Wer in der 1.300 Quadratmeter großen Halle arbeitet, in der sich auch das Tauchbecken befindet, bekommt grundsätzlich eine Sicherheitsunterweisung. Wo sind Notausgänge, Feuerlöscher – darunter auch Klasse D-Löscher für Lithium-Ionen-Batterien – und Erste-Hilfe-Ausrüstung? Welches Verhalten ist im Notfall richtig? All das muss klar sein, bevor es losgeht. Zu den Zielen des Projekts „Deeper Sense“ gehört es beispielsweise, die Arbeit von Tauchern an Offshore-Anlagen sicherer zu machen. Dazu muss geprobt werden, wie Mensch und Maschine unter schwierigen Einsatzbedingungen zusammenarbeiten können. Wo es für Menschen zu gefährlich ist, müssen Roboter allein klarkommen.
Sehen Sie im Video, wie Arbeitsschutz am DFKI gelebt wird:
Im Zentrum der Halle liegt das 23 mal 19 Meter große und acht Meter tiefe Testbecken mit 3,4 Millionen Litern Salzwasser, in dem auch „Flatfish“ seine Runden dreht. Darin werden Unterwasserfahrzeuge in verschiedenen Szenarien allein und im Zusammenspiel mit Menschen getestet. An einer künstlichen Plattform simulieren Taucherinnen und Taucher Arbeitssituationen unter Wasser. Dabei setzen sie außergewöhnliche Werkzeuge ein, wie etwa druckluftbetriebene Kettensägen.
Sicherheit während solcher Experimente spielt für Bernhard innerhalb wie außerhalb des Wassers eine große Rolle. Seine Aufmerksamkeit gilt unter anderem einem Brückenkran mit 12,5 Tonnen Tragfähigkeit über dem Tauchbecken. Wer die Halle betritt, muss zunächst schauen, ob der Kran in Betrieb ist. In diesem Fall ist Sichtkontakt mit dem Kranführenden herzustellen. Während des Kranbetriebs gilt außerdem strikte Helmpflicht. Auch für den Fall, dass Beschäftigte ins Wasser fallen, sind umfangreiche Vorkehrungen getroffen. Rettungsringe und ein kleines Boot liegen bereit. Zusätzlich müssen alle, die am Beckenrand arbeiten, eine Rettungsweste tragen. „Darüber hinaus gilt bei uns in jedem Fall die Zwei-Personen-Regel“, sagt Bernhard. Das bedeutet, niemand darf allein am Beckenrand arbeiten.
Gefährdungen beurteilen
Mit Tauchrobotern unter Wasser, „Space Climbern“ in einer Kraterlandschaft oder dem Spezialbagger in unwegsamem Gelände – die Arbeitsbedingungen der Forscherinnen und Forscher am DFKI sind vielfältig. Wichtig ist: Sie müssen wissenschaftlich frei arbeiten können und dennoch die Arbeitsschutzregeln einhalten. So wie jede Unternehmerin und Unternehmer muss deshalb auch das DFKI für jede Tätigkeit eine eigene Gefährdungsbeurteilung vorhalten. Diese gilt es immer wieder anzupassen. Das Fazit von Felix Bernhard fällt klar aus: „Eine Gefährdungsbeurteilung von der Stange gibt es nicht – und bei uns schon gar nicht.“
Michael Krause
Forschung mit Nutzwert
Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) besteht seit 1988. An neun Standorten in Deutschland betreiben 925 Beschäftigte und 630 studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 75 Ländern Grundlagenforschung auf dem Gebiet von Softwaretechnologien und Methoden der künstlichen Intelligenz. Im Robotics Innovation Center in Bremen arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Informatik, Konstruktion, Biologie, Elektrotechnik und anderen Disziplinen an intelligenten Robotersystemen für den Einsatz unter Wasser, im Weltraum, in der Landwirtschaft oder der Medizin. Ein Ziel ist es dabei, Maschinen zu entwickeln, die dort einsetzt werden können, wo die Arbeitsbedingungen für Menschen zu gefährlich sind.
Das DFKI finanziert sich aus Forschungsmitteln der Europäischen Union, des Bundes und der Länder sowie durch Entwicklungsaufträge aus der Industrie.
→ info
- 7 Schritte zur Gefährdungsbeurteilung: www.bgetem.de, Webcode 21865578
- Robotics Innovation Center Bremen des DFKI: robotik.dfki-bremen.de
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