Ein Mann mit Werkzeuggürtel steht in einem Raum im Rohbau und justiert einen Aufsatz auf eine Bohrmaschine.

Unfälle mit Bohrmaschinen können böse Folgen haben. Die korrekte Handhabung kann vieles verhindern.

Wer kennt das nicht? Zu Hause schnell ein paar Löcher bohren, um Haken zu montieren oder ein Regal aufzuhängen. Oft bleibt der zweite Handgriff der Bohrmaschine im Koffer. Sie wird ja nur kurz gebraucht. Dann passiert es: Der Bohrer verkantet sich, bleibt ruckartig stehen. Die Maschine schlägt in der Hand um. Oft geht das harmlos aus. Es kann aber auch zu erheblichen Verletzungen führen. Auch in Betrieben kommen derlei Unfälle immer wieder vor. Allein 2019 wurden im Elektrohandwerk 798 Arbeitsunfälle mit Hand- oder Armverletzungen gemeldet. 153 von ihnen waren Unfälle mit Bohrmaschinen. Bei zwei Dritteln dieser Unfälle kam es zu Verstauchungen und Prellungen. Bei einem Drittel sogar zu Knochenbrüchen oder Bänderverletzungen. Etwa 60 Prozent der Verletzten waren jünger als 30 Jahre. „Ein Hinweis, dass mangelnde Erfahrung und unzureichende Unterweisung eine Rolle spielen“, sagt Sonja Boesen, Aufsichtsperson bei der BG ETEM. Denn das Unfallgeschehen zeigt: Häufige Ursache ist die fehlerhafte Handhabung von Bohrmaschinen.

Technische Lösungen

An Bohrmaschinen sind unterschiedliche Sicherheitssysteme verbaut, um vor Verletzungen zu schützen. Ihr Ziel ist es, die Maschine auch dann noch kontrollieren zu können, wenn die Spindel blockiert. Damit Bohrmaschinen funktionsfähig bleiben, müssen die Auslösekräfte von Sicherheitskupplungen relativ hoch ausgelegt werden. „Es bleibt also ein Restrisiko“, weiß Axel Walzer von der Stanley Black & Decker Deutschland GmbH. „Trotz der Schutzsysteme kann es unter bestimmten Bedingungen zu Verletzungen kommen. Diese werden durch Unachtsamkeit oder Unkenntnis begünstigt.“ Zusätzlich zu mechanischen Kupplungen installieren viele Hersteller elektronische Lösungen wie zum Beispiel Gyroskop-Sensoren. Diese können eine schnelle Drehbewegung der Bohrmaschine um die eigene Achse erkennen und über ein elektronisches Signal den Motor innerhalb von Sekundenbruchteilen abschalten.

Der zweite Handgriff gewinnt weiter an Bedeutung. Der Markt fordert immer kleinere und leistungsfähigere Maschinen. Die Hersteller kommen diesem Wunsch der Kunden nach. Kleine Maschinen, insbesondere wenn sie akkubetrieben sind, werden vom Anwender oft unterschätzt. Auch Akku-Bohrmaschinen können zu schweren Verletzungen im Hand-/Armbereich führen. In Konsequenz werden leistungsfähige Akku-Bohrmaschinen heute mit zweitem Handgriff konzipiert und auf dem Markt angeboten. „Natürlich muss man den zweiten Handgriff auch nutzen“, sagt Werner Wild, Metabowerke GmbH. „Denn das sorgt für mehr Stabilität bei der Handhabung der Maschinen.“ Dabei ist zu beachten, dass auch Handgriffe sich abnutzen. Der Arretierungsmechanismus – oft eine reine Reib-/Klemmverbindung der Kunststoffbauteile – unterliegt einem Alterungsprozess. Die Klemmkräfte lassen nach und die Maschine kann trotz eines montierten Griffs durchrutschen. Besser sind Metallbandschlaufen oder Lösungen mit Rastnasen, die eine formschlüssig dauerhaft sichere Verbindung ermöglichen.

Richtig unterweisen

Die BG ETEM hat sich mit Herstellern, Vertretern der Normung und mit Prüfstellen ausgetauscht. Das gemeinsame Ziel: eine Sensibilisierungs-Kampagne für die korrekte Anwendung, Unterweisung und Handhabung moderner Bohrmaschinen. Beschäftigte sollten zum Beispiel mit dem Reaktionsverhalten der Sicherheitstechnik vertraut sein. Hierzu zählt das Verhalten der Rastenkupplung. Nach Abschalten der Maschine rastet sie wieder mechanisch ein. Das verursacht eine spürbare Drehmomenterhöhung. Wer die Maschinen nutzt, sollte damit rechnen und die Kräfte beherrschen können. Teil der Initiative ist es, die Betriebe zu einer technisch fundierten Unterweisung zu motivieren und die Beschäftigten für die Problematik zu sensibilisieren. Die BG ETEM entwickelt Demomodelle, die die Kräfte bei unterschiedlichen Bohrmaschinen, Kupplungsarten und Griffformen/-längen erlebbar vermitteln. Die Modelle sollen im Jahr 2023 über die Schulungswagen der BG ETEM vor Ort bei den Mitgliedsbetrieben eingesetzt werden und ermöglichen einen praxisnahen Austausch zum Thema Bohrmaschinen.

Um das Unfallgeschehen noch besser zu verstehen, ist im Prüflabor Köln der Prüf- und Zertifizierungsstelle Elektrotechnik zudem ein Prüfstand aufgebaut. Daran können Bohrmaschinen hinsichtlich des Stillstands-Drehmoments bei Blockierung der Spindel vermessen werden. Dieses Drehmoment wird unter Berücksichtigung der Hebellängen an den Griffen in die Kräfte umgerechnet, die der Bediener im Gefahrfall kontrollieren muss.

Seit Mai 2022 können Maschinen, die in ein Unfallgeschehen involviert waren, auf ihre Funktions- und Leistungsfähigkeit geprüft werden. Gleichzeitig wird das betroffene Mitgliedsunternehmen per Checkliste zum Unfallgeschehen befragt. Als kleine Motivation wird diese Aktion mit einem Gutschein über eine Kfz-Verbandskombitasche unterstützt. Die gewonnenen Erkenntnisse können zum Beispiel in die Überarbeitung von Normen einfließen.

 

Heinz Kruse, Stephan Gadzali, Christian Kraus