Die Anforderungen an die Arbeitsraumbreiten resultieren aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), der nachgeordneten Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und den Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR), hier insbesondere der ASR A1.2 „Raumabmessungen und Bewegungsflächen“.
Arbeitsräume müssen eine ausreichende Grundfläche und eine, in Abhängigkeit von der Größe der Grundfläche der Räume, ausreichende lichte Höhe aufweisen, sodass die Beschäftigten ohne Beeinträchtigung ihrer Sicherheit, ihrer Gesundheit oder ihres Wohlbefindens ihre Arbeit verrichten können. Die freie unverstellte Fläche am Arbeitsplatz muss dabei so bemessen sein, dass sich die Beschäftigten bei ihrer Tätigkeit ungehindert bewegen können (ArbStättV). Bei der Bemessung dieser Räume werden die Körpermaße des Menschen zugrunde gelegt. Hinzu kommen notwendige Räume z. B. für die Handhabung von Arbeitsmitteln.
Der Unternehmer ist gehalten, sich bei der Bemessung dieser Arbeitsräume u. a. am Stand der Technik zu orientieren. Dieser ist bezogen auf die Arbeitsraumbreiten im Kanal- und Rohrleitungsbau in den Normen DIN 4124 „Baugruben und Gräben – Böschungen, Verbau, Arbeitsraumbreiten“ und DIN EN 1610 „Einbau und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen“ beschrieben. Die Normen geben konkrete Werte für die Arbeitsraumbreiten vor, in Abhängigkeit des äußeren Rohrschaftdurchmessers bzw. der Grabentiefe. Dabei wurden in der Norm übliche Verfahren zum Zusammenfügen und Verdichten der Rohrleitung zugrunde gelegt. Die lichte Arbeitsraumbreite wird dabei in der Regel zwischen den Verbauplatten gemessen.
Kommen nun andere Verfahren zum Einsatz, kann es sein, dass dadurch der vorhandene Arbeitsraum weiter eingeschränkt wird. In solchen Fällen muss auch der Arbeitsraum angepasst werden. Abbildung (Abb.) 1 zeigt eine Abwasserleitung DN 1200 aus Grauguss. Die einzelnen Rohre werden mithilfe von Kettenzügen zusammengezogen. In den Muffen ist eine Dichtung eingelegt (Abb. 2), die für die Montage mit Klammern (Abb. 3) fixiert werden muss.
Die Kettenzüge liegen vor der Rohrleitung. Der Abstand der Ketten bestimmt sich durch den Überstand der Muffe bzw. durch die des Hebelzugs. In diesen Bereichen müssen notwendige Arbeiten vorgenommen werden. Zum einen das Anziehen der Ketten, zum anderen das Entfernen der Montagesicherungen rings um die Muffe herum. Der dabei notwendige Platzbedarf ergibt sich aus den Körpermaßen des Menschen und den bei dieser Tätigkeit notwendigen Bewegungsabläufen. Dabei kann herauskommen, dass mehr Platz benötigt wird, als es die oben genannten Normen vorgeben.
Im vorliegenden Beispiel ergibt sich nach Tabelle 1 der DIN EN 1610 bei einem äußeren Rohrdurchmesser von OD = 1,26 m eine Mindestgrabenbreite von 2,11 m, was einem Arbeitsraum von 43 cm links und rechts des Rohrschaftes entspricht. Bei der Simulation der Tätigkeiten außerhalb des Grabens wurde festgestellt, dass mit einem Arbeitsraum von ca. 50 cm, gemessen von der Muffe, die Arbeiten sinnvoll ausgeführt werden können. Der Außendurchmesser des Rohres beträgt an den Muffen 1,42 m. Daraus ergibt sich eine erforderliche Grabenbreite von 2,42 m, also rund 30 cm mehr als nach Tabelle 1 aus DIN EN 1610.
DN = Nenndurchmesser in mm | Mindestgrabenbreite (OD + X) in m | ||
---|---|---|---|
verbauter Graben |
unverbauter Graben |
||
ß ≤ 60° |
ß > 60° |
||
≤ 225 |
OD +0,40 |
OD +0,40 |
|
> 225 bis ≤ 350 |
OD +0,50 |
OD +0,40 |
OD +0,50 |
> 350 bis ≤ 700 |
OD +0,70 |
OD +0,40 |
OD +0,70 |
> 700 bis ≤ 1.200 |
OD +0,85 |
OD +0,40 |
OD +0,85 |
> 1.200 |
OD +1,00 |
OD +0,40 |
OD +1,00 |
Die Arbeiten werden bei jedem einzelnen Rohrelement, auf beiden Seiten der Rohrleitung, durchgeführt. Das bedeutet, dass der Arbeitsraum über die gesamte Länge der Baumaßnahme benötigt wird. Bei einer mittleren Grabentiefe von 2,5 m ergibt sich damit ein Mehraushub von ca. 0,75 m3 je Meter Graben.
In der Praxis sollte der Unternehmer diese Überlegungen im Vorfeld anstellen und die Arbeiten wie gezeigt simulieren. So kann der tatsächliche Platzbedarf ermittelt werden. Der Graben kann in der entsprechenden Breite angelegt werden.
In diesem Zusammenhang ergibt sich die Frage, wer die Kosten für den Mehraushub trägt. Das lässt sich pauschal so nicht beantworten, da hier das Arbeitsschutzrecht und die individuelle Vertragsgestaltung berücksichtigt werden müssen. Das Arbeitsschutzrecht richtet sich in erster Linie an den Unternehmer. Dieser ist für die Einhaltung der Vorgaben verantwortlich und kann haftbar gemacht werden, wenn Mängel bestehen. Der Unternehmer muss also dafür sorgen, dass die oben beschriebenen Regelungen zu den Arbeitsraumbreiten eingehalten werden.
Das Arbeitsschutzrecht richtet sich mit der Baustellenverordnung aber auch an den Bauherrn. Dieser ist nach § 2 der Baustellenverordnung (BaustellV) verpflichtet, die allgemeinen Grundsätze des § 4 ArbSchG bereits in der Planung des Bauvorhabens zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass u. a. die Arbeit so zu gestalten ist, dass Gefährdungen für die physische Gesundheit möglichst vermieden werden und der Stand von Technik und Arbeitsmedizin Berücksichtigung findet. Das gilt insbesondere für bauliche Gegebenheiten, auf die das ausführende Unternehmen nur begrenzten oder gar keinen Einfluss hat. Das betrifft im beschriebenen Beispiel z. B. die Leitungsführung und die vorgegebenen Baustoffe (Rohrleitung) und die daraus resultierenden Verfahren zum Einbau.
Überlässt der Bauherr in der Ausschreibung dem ausführenden Unternehmen die Wahl des Arbeitsverfahrens und schreibt das Anlegen des Grabens nur mit den Minimalbreiten nach Norm aus, dann läuft er Gefahr, dass es mit dem Auftragnehmer zu Auseinandersetzungen über die Vergütung kommt. Es bleibt dann unklar, ob der Auftragnehmer das Arbeitsverfahren (ggf. gibt es alternative Möglichkeiten) an die Mindestgrabenbreiten nach DIN anpassen muss oder ob die vorgegebenen Grabenbreiten an das gewählte Verfahren anzupassen sind.
Es ist somit für beide Parteien sinnvoll, wenn der Bauherr in der Ausschreibung das Arbeitsverfahren vorgibt und die notwendigen Arbeitsraumbreiten für dieses Verfahren selbst bestimmt. Er kann dann die Ausschreibung entsprechend gestalten und ist dann sicher vor Bauverzögerungen und Nachträgen. Die unternehmerische Freiheit, das Arbeitsverfahren selbst zu wählen, wird dadurch nur unwesentlich eingeschränkt. Es steht dem Unternehmer frei, ein Nebenangebot mit einem anderen Verfahren abzugeben.
Fazit
Auch im Kanal- und Rohrleitungsbau können sich Arbeitsraumbreiten ergeben, die über das in den einschlägigen Normen beschriebene Maß hinausgehen. Die Grundlage ist die Beurteilung des für den Einbau der Rohrleitung gewählten Arbeitsverfahrens und die daraus resultierenden Arbeitsschritte bzw. die dabei entstehenden Bewegungsabläufe. Wird dieses Verfahren bereits in der Ausschreibung beschrieben, können im Nachgang Verzögerungen und Streitigkeiten vermieden werden.
Dipl.-Ing. Volker Münch
Referat Tiefbau BG BAU Prävention
(Nachdruck aus BauPortal 7/2019)
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