Welche Bauarten sind zu unterscheiden, wenn man von Fahrzeugkranen spricht?
Fahrzeugkrane werden in gleislose und gleisgebundene Arbeitsmittel unterschieden. Gleislose Krane sind Autokrane und Lkw-Ladekrane, letztere sind weit verbreitet. Beide Typen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Konstruktion und Bestimmung. Autokrane besitzen einen teleskopierbaren Hauptausleger, sie sind untrennbar mit dem Unterwagen verbunden. Lkw-Ladekrane dagegen werden auf einem Nutzfahrzeug aufgebaut und besitzen einen Knickausleger. Bei Montagen sollen Autokrane Lasten heben und dauerhaft sicher halten. Lkw-Ladekrane sind bevorzugt zum Be- und Entladen der eigenen Ladefläche bestimmt.
Zur Person
Ulrich Schulz ist Aufsichtsperson der BG Verkehr in Hamburg. Als ermächtigter Kransachverständiger unterstützt er mit seiner Expertise das Sachgebiet „Krane und Hebetechnik“ der DGUV, besonders im sicheren Umgang mit Fahrzeugkranen.
Warum ist die Definition nach DGUV Vorschrift 52 (Krane) für Betreiber wichtig?
Die Definition für Lkw-Ladekrane (siehe Infobox) wird oft missverstanden. Unabhängig von Auslegerlänge und Lastmoment unterliegen Lkw-Ladekrane den Anforderungen der DIN EN 12999. Anders als andere Arbeitsmittel (zum Beispiel Gabelstapler) werden Fahrzeugkrane von Personen mit verschiedenen Qualifikationen geprüft:
- Sachkundige, das heißt „befähigte Personen“ nach Betriebssicherheits-Verordnung,
- Sachverständige, das heißt „Prüfsachverständige“ nach Betriebssicherheits-Verordnung.
Bedeutsam ist diese Differenzierung für regelmäßige Kranprüfungen nach der DGUV Vorschrift 52. Grundsätzlich sind Krane mindestens jährlich einmal durch einen Sachkundigen zu prüfen. Nach der gleichen Vorschrift müssen Autokrane aber zusätzlich alle vier Jahre durch einen Sachverständigen geprüft werden; ab dem 13. Betriebsjahr wiederum jährlich durch einen Sachverständigen. Wurde ein Lkw-Ladekran innerhalb der Grenzen von 15 Meter Auslegerlänge und 30 Metertonnen Lastmoment gebaut, ist er mindestens jährlich einmal durch einen Sachkundigen zu prüfen. Überschreitet der Ladekran eines der genannten Kriterien, ist er wie ein Autokran zu prüfen.
Fahrzeugkrane werden an wechselnden Orten eingesetzt, anders als beispielsweise Brückenkrane. Welche Gefährdungen ergeben sich daraus?
Die Sicherheit von Fahrzeugkranen ist von äußeren Bedingungen abhängig. Auch davon, ob sie bestimmungsgemäß aufgestellt und verwendet werden. Trotz moderner Sicherheitseinrichtungen können Mobilkrane durch falsche Bedienung umstürzen oder Schaden nehmen.
Der Kranführer muss die Tragfähigkeit des Bodens am Aufstellort beachten. Wird die Tragfähigkeit des Bodens überschritten, brechen die Kranstützen in den Untergrund ein. Der Kran droht umzustürzen. Ist die Tragfähigkeit des Bodens unbekannt, sind die Stützfüße des Krans großflächig zu unterbauen. Dadurch wird die Bodenpressung deutlich verringert, der Kran steht stabil.
Auch das Schrägziehen und Schleifen von Lasten über den Boden ist gefährlich, es kann zum Umkippen des Krans oder zu Bauteilversagen führen. Das Losreißen festsitzender Lasten wie beispielsweise von Masten ist ebenfalls verboten. Beim Arbeiten mit Lkw-Ladekranen wird oft beobachtet, dass Fahrzeuge mit angehobenem Kranausleger verfahren werden. Auch für kurze Wegstrecken ist das unzulässig. Nicht selten kollidiert der Kranausleger mit Brücken und anderen Bauwerken. Besonders gefährlich ist die Annäherung des Kranauslegers zu elektrischen Frei- und Oberleitungen. Zu elektrischen Leitungen unbekannter Spannung ist immer ein Mindestabstand von fünf Metern einzuhalten.
Werden Lkw-Ladekrane mit einer Funkfernsteuerung bedient, wird das Anschlagen der Last vom Kranführer oft selbst übernommen. Beim Aufnehmen beziehungsweise Absetzen der Last muss sich der Bediener dann gleichzeitig auf den Kran, die Last und das Arbeitsumfeld konzentrieren – kein leichter Job. Hält sich der Kranführer im Schwenkbereich des Krans auf, gefährdet er sich zusätzlich (vgl. Unfallbeispiel).
Lkw-Ladekrane sind etwa auf Baustellen oder Betriebshöfen weit verbreitet. Welche Bedeutung messen Sie der Ausbildung von Kranführerinnen und -führern bei?
Der Kranführer muss fundiertes Fachwissen besitzen. Am Einsatzort hat er auftretende Probleme meist selbst zu lösen. Zusätzlich muss er gegebenenfalls überzogene Erwartungen anderer Personen abwehren – auch ein Kran hat seine Grenzen. Um erforderliches Können und Selbstvertrauen zu entwickeln, ist eine qualifizierte Ausbildung deshalb unverzichtbar.
Die wesentlichen Merkmale der Kranführerausbildung sind Wissen (Theorie) und Können (Praxis). Die Ausbildung sollte ausreichend Zeit für das Einüben aller Kranfunktionen vorsehen. In der Regel benötigt eine unerfahrene Person für die Ausbildung inklusive des erforderlichen Übens unter Aufsicht nicht weniger als zehn Tage. Die Ausbildung endet mit einer umfangreichen Prüfung.
Nach Bestehen der Prüfung erhält der Teilnehmende einen Befähigungsnachweis. Der Begriff „Kran-Führerschein“ ist in diesem Zusammenhang irreführend. Die Lkw-Fahrerlaubnis nach dem Straßenverkehrsrecht ist strikt vom Befähigungsnachweis des Kranführers zu trennen. Nach erfolgreicher Prüfung ist der Kranführer noch durch seinen Arbeitgeber schriftlich zu beauftragen.
In Fachkreisen wird bereits darüber diskutiert, dass die DGUV Vorschrift 52 voraussichtlich außer Kraft gesetzt wird. Was haben Betriebe zu erwarten?
Die DGUV Vorschrift 52 wird nicht einfach außer Kraft gesetzt, sondern durch eine entsprechende DGUV Regel für Krane ersetzt werden. Viele Inhalte der jetzigen Unfallverhütungsvorschrift „Krane“ werden voraussichtlich in das neue Regelwerk überführt, vermutlich ergänzt um bestehende Anforderungen und Erfahrungen der Unfallverhütung.
Noch einmal zum Be- und Entladen von Fahrzeugen mit Kranen: Welche Bedeutung hat das Anschlagen von Lasten für eine erfolgreiche Lastenbeförderung?
Ohne das Anschlagen von Lasten sind Kranarbeiten nicht möglich. Anschläger und Einweiser sind für den sicheren Krantransport genauso wichtig wie der Kranführer selbst. Das Anschlagen der Last bedeutet mehr, als nur einen Lasthaken durch eine Befestigungsöse zu stecken. Wie sicher die Kranarbeiten durchgeführt werden, hängt schließlich davon ab, wie gut Kranführer und Anschläger zusammenarbeiten.
Der Anschläger muss Kenntnisse zu den eingesetzten Lastaufnahmeeinrichtungen und den Anschlagarten besitzen. Leider wird das Anschlagen von Lasten oft als eine untergeordnete Nebentätigkeit betrachtet. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass einmal abgestürzte Lasten nicht mehr aufzuhalten sind und schwere Unfälle verursachen können. Nicht selten wurden Anschläger durch eine unkontrollierte Lastbewegung verletzt, weil sie den Gefahrenbereich falsch einschätzten.
Anschläger benötigen eine schnelle Auffassungsgabe und gutes Reaktionsvermögen. Außerdem muss der sichere Zustand der Anschlagmittel gewährleistet sein. Sie sind schonend zu handhaben und einer regelmäßigen Prüfung auf ihren sicheren Zustand zu unterziehen.
Die Fragen stellte Markus Tischendorf
Hintergrund
- Definition: Lkw-Ladekrane sind Fahrzeugkrane, die vorwiegend zum Be- und Entladen der Ladefläche des Fahrzeuges gebaut und bestimmt sind, deren Lastmoment 30 Metertonnen (mt) und deren Auslegerlänge 15 Meter nicht überschreiten.
- In Mitgliedbetrieben der BG ETEM werden Lkw-Ladekrane vielfältig eingesetzt, beispielsweise auf Bau- und Betriebshöfen, im Rohrleitungsbau, beim Errichten von Stromtrassen und bei der Installation von Photovoltaikanlagen auf Dächern.
- Fahrzeugkrane sind oft unverzichtbar bei Großprojekten, besonders beim Errichten von Windkraftanlagen an Land sowie bei Umbauten und Revisionen in Kraftwerken, Fertigungsbetrieben und dergleichen.
Tödlicher Unfall mit Ladekran
Am Unfalltag wollte ein Beschäftigter mit einem Ladekran einen alten Schaltschrank von der Ladefläche des Lkw abladen. Er steuerte den Kran mithilfe einer Funkfernsteuerung, die er um den Bauch trug. Zunächst bestieg er die Ladefläche, um die Hebebänder am Schaltschrank zu befestigen. Als er auf der beengten Ladefläche stehend mit der eingeschalteten Fernsteuerung an der Kransäule hängenblieb, schwenkte diese um und quetschte den Kranführer ein. Er verstarb wegen seiner Verletzungen noch an der Unfallstelle. Der Unfall ereignete sich, weil die Kransteuerung versehentlich betätigt wurde. Der Beschäftigte war langjährig als Kranführer tätig, er kannte den Kran und die Funktionsweise der Funkfernsteuerung. Der Arbeitsunfall hätte verhindert werden können, wenn der Mitarbeiter die Fernsteuerung für die Nebentätigkeiten ausgeschaltet hätte.
→ info
- DGUV Vorschrift 52 „Krane“ (BGV D6): www.bgetem.de, Webcode M18556934
- DGUV Vorschrift 38 „Bauarbeiten“: www.bgetem.de, Webcode M18775773
- Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV): www.bgetem.de, Webcode M18857287
- Broschüre „Sicherheit und Gesundheit beim betrieblichen Transport und Verkehr“ (MB 035): www.bgetem.de, Webcode M21447142
- DGUV Regel 109-017 „Betreiben von Lastaufnahmemitteln und Anschlagmitteln im Hebezeugbetrieb“: www.bgetem.de, Webcode M21802113
- DGUV Regel 101-005 „Hochziehbare Personenaufnahmemittel“: www.bgetem.de, Webcode M18447332
- Seminar „Sachkunde zur Prüfung von Anschlagmitteln im Hebezeugbetrieb“ (Veranstaltungsnummer: 128): www.bgetem.de, Webcode 21788705
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- „Lastenheber mit Übersicht“, aus etem 1.2020
- „Risiko Last“, aus etem 4.2020
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