Die richtigen Worte finden
Ist es nur eine Phase oder steckt mehr dahinter? Wenn Beschäftigte ihr Verhalten stark ändern, kann das auf psychische Probleme hinweisen. Wie Führungskräfte damit umgehen sollten.

Psychische Beeinträchtigungen und Störungen gehören inzwischen zu den häufigsten Krankheitsbildern. Nach Zahlen der Deutschen Rentenversicherung rangierten sie im Jahr 2021 mit knapp 159.000 Fällen nach orthopädischen Krankheitsbildern auf Platz zwei der häufigsten Gründe für eine medizinische Rehabilitation.
Die Gründe dafür sind nicht nur psychische Belastungen am Arbeitsplatz, sondern liegen vielfach auch im privaten Umfeld. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind gefordert zu handeln, wenn sich Beschäftigte auffällig verändern, ihre Arbeitsleistung nachlässt oder ihr Verhalten das Zusammenspiel im Team gefährdet.
Was sind psychische Erkrankungen?
Was dem einen noch normal erscheint, ist für andere bereits psychisch auffällig oder gar Ausdruck einer psychischen Erkrankung. Fachleute unterscheiden
- psychische Eigenheiten – charakterliche Eigenschaften, die den Umgang mit der entsprechenden Person erschweren,
- psychische Beeinträchtigungen – mögliche Probleme, die das psychische Wohlbefinden der betreffenden Person einschränken,
- psychische Störungen – wie Angsterkrankungen, Depressionen oder Abhängigkeitserkrankungen, die das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen beeinträchtigen.
Darüber hinaus kann es zu akuten psychischen Krisen kommen. Sie äußern sich durch plötzliche und extreme Verhaltensänderungen und werden unter anderem auch von Extremereignissen wie zum Beispiel Gewalterfahrungen verursacht.
Wie erkenne ich psychische Probleme bei meinen Beschäftigten?
Die Signale für psychische Probleme bei Beschäftigten können sehr vielfältig sein. Führungskräfte sollten sensibel auf Verhaltensänderungen reagieren. Diese betreffen zum Beispiel
- die Arbeitsdisziplin – Unpünktlichkeit und Verspätungen ohne erkennbare Gründe, häufiges Verlassen des Arbeitsplatzes, unentschuldigtes Fehlen oder das Nichteinhalten von Terminen,
- das Leistungsverhalten – Arbeit bleibt liegen, wird schlechter oder gar nicht erledigt, die Fehlerquote steigt, Beschäftigte kontrollieren sich ständig selbst oder vermeiden zum Beispiel Kundengespräche,
- das Sozialverhalten – der Kontakt zu Kolleginnen oder Kollegen wird eingeschränkt, die Betreffenden sind häufiger gereizt oder aggressiv, auch übersteigerte Reaktionen auf Kritik kommen vor.
Darüber hinaus sind weitere Auffälligkeiten möglich – zum Beispiel anhaltende Traurigkeit, Selbstgespräche, häufige Erkrankungen, ungepflegtes Äußeres oder zunehmender und offensichtlicher Alkohol- oder Medikamentenkonsum. Führungskräfte sollten allerdings nicht gleich bei einem einzelnen Merkmal das Schlimmste vermuten. „Es kommen häufig mehrere Aspekte zusammen, die auf eine kritische Situation hinweisen“, sagt Dr. Christine Gericke, Arbeitspsychologin bei der BG ETEM. Für sie ist ganz wichtig: „Eine Führungskraft ist kein Therapeut, keine Therapeutin und darf keine Diagnosen stellen. Sie sollte aber sensibel für Verhaltensänderungen sein und diese auch ansprechen.“
Was kann ich tun?
Häufig sind Führungskräfte mit der Situation selbst überfordert. Oft wird die direkte Auseinandersetzung eher verschoben. In der Folge spitzen sich die Schwierigkeiten zu. Daher sollte das Gespräch mit der oder dem Betroffenen zeitnah stattfinden. „Das fällt natürlich leichter, wenn schon vorher ein durch Wertschätzung geprägtes Arbeitsklima zwischen Führung und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestanden hat“, sagt Christine Gericke.
Vorgesetzte sollten mit einer klaren Botschaft ins Gespräch gehen: „Du bist mir als Mensch und als Mitarbeiter wichtig und ich biete dir Hilfe an.“ Sie sollten auf Spekulationen hinsichtlich der Situation verzichten. Besser ist es, Fragen zu stellen und Betroffene zu Wort kommen zu lassen. Am Ende sollten Führungskräfte aber auch klar machen, dass sie eine Veränderung erwarten.