Amputation nach Arbeitsunfall: Dieter Manzke sitzt auf einer Trainingsbank und macht Hanteltraining.
Trotz Arbeitsunfall in Bewegung bleiben: Dieter Manzke lässt sich von Rückschlägen nicht beirren.

August 2013. Dieter Manzke ist als Ser­vicemonteur mit der Wartung einer Wind­kraftanlage beschäftigt. Ein Windstoß erfasst den stämmigen Mann auf der Ar­beitsplattform und „pustet ihn rückwärts runter“ – wie der heute 44-Jährige es ausdrückt. Manzke fällt aus zwei bis drei Metern Höhe von der Plattform, kommt mit beiden Beinen auf. „Dabei bin ich mit dem linken Fuß umgeknickt.“

Er hat scheinbar Glück. Es ist nichts gebrochen. Allerdings diagnostizieren die Ärzte Risse im Innern der Knochen. Das sei bei normaler Belastung unproblema­tisch, sagen sie. Trotzdem hat Manzke Schmerzen im Fußgelenk. Untersuchungen zeigen, dass sich ein Stück Knorpel im Sprunggelenk festgesetzt hat. Auch das sei kein Problem, meint der behandelnde Arzt. Der Knorpel wird operativ entfernt. Für Manzke ist die Sache damit abgehakt: „Nach 14 Tagen ging es mir recht gut.“

Einige Zeit später treten bei Arbeiten zu Hause die ersten Schmerzen auf. „Ich kniete und hatte beim Aufstehen ein ganz komisches Gefühl im Fuß“, erinnert er sich. Manzke kann immer schlechter auftreten, die Schmerzen werden stärker, sind am Ende extrem. Er sucht Hilfe im Krankenhaus.

Nicht zu retten

Dort wird er sofort operiert. Keime und Bakterien haben den operierten Bereich im Fußgelenk infiziert. Es folgen weitere Eingriffe, Antibiotika-Kuren, Schmerzthe­rapien, Knochen- und Hauttransplantati­onen mit eigener Haut aus dem Ober­schenkel zum Abdecken der inzwischen 13 Zentimeter großen Wunde am Fußge­lenk. „Das sah echt nicht besonders gut aus“, sagt Manzke im Rückblick.

In den folgenden Jahren kämpft er weiter um den Erhalt seines Fußes und damit seiner Mobilität. Anfangs zunächst mit einem orthopädischen Schuh, der für Stabilität sorgen soll. Später auch mit einem externen Fixateur, den er acht Monate lang am und im Bein trägt. Bei weiteren Operationen werden zunächst das obere und dann das untere Sprung­gelenk versteift.

Sechs Jahre nach dem Arbeitsunfall zeichnet sich ab: Der Fuß ist nicht zu retten.

Sport als Therapie

Amputation nach Arbeitsunfall: Dieter Manzke steht in Sportkleidung mit Beinprothese und ausgebreiteten Armen in einer winterlichen Landschaft.
Dieter Manzke geht regelmäßig joggen – mit seiner Sportprothese.

Im Vorfeld der Amputation spricht Dieter Manzke mit verschiedenen Ärzten und seinem Reha-Manager Mathias Wolf von der BG ETEM. „Der hat immer hinter mir gestanden, war regelmäßig im Kranken­haus und hat sich gekümmert. Ich kam mir sehr gut aufgehoben vor.“ Dafür hat er sich sogar mit einem selbstgedrehten Video bedankt.

Nach der Unterschenkelamputation hat Manzke ein Ziel: „Wenn das Bein schon ab ist, dann zeige ich den Leuten, dass ich mit Prothese ganz normal laufen kann.“ Er speckt von 140 auf 85 Kilo­gramm ab, damit die Prothese besser passt, und beginnt sich sportlich zu betätigen. „Ich habe mir gesagt, ich muss den Oberkörper fit halten, damit ich mich auch im Rollstuhl fortbewegen kann.“ Bei einem Sportprothesen-Tag probiert er zum ersten Mal eine solche Prothese aus. „Ich stand eine Minute auf dem Ding, da war klar: Das ist es, das ist der Oberknal­ler.“ Seitdem steht für ihn fest: „Ich will laufen, ich mache Sport.“

Amputation nach Arbeitsunfall: Porträt von Reha-Manager Mathias Wolf.

„Ich habe Dieter Manzke immer als sehr motiviert erlebt.“
Mathias Wolf, Reha-Manager

Heute ist Manzke regelmäßig bei Sport­prothesen-Tagen unterwegs, motiviert auch andere Betroffene. Im heimischen Büro hat er eine Fitnessecke mit Hantelbank und Gewichten. Das strahlt auch auf seine beiden 8- und 11-jährigen Söhne ab. Beide sind sehr sportbegeistert und spie­len Fußball. Der Jüngere will sogar beim Kraftsport mitmachen und hat bereits kleinere Hanteln, um mit seinem Vater zu trainieren.

Er brachte auch die Idee der „Xletix Kids“ mit nach Hause, einem Hamburger Event, bei dem sich ganze Familien auf einen mehrere Kilometer langen Parcours begeben, um kletternd, hangelnd oder rutschend diverse Hindernisse zu über­winden. Dieter Manzke war dabei, trug ein Trikot seines Prothesenbauers. Mit dem ist er einer Meinung: „Meine Prothesen müssen so gebaut sein, als ob es kein Morgen gibt.“

Erneute Operation

Manzke lässt sich auch von Rückschlä­gen nicht beirren. Im Herbst musste er erneut operiert werden. Dabei wurde eine Hautfalte am Stumpf beseitigt, in der sich ansonsten Entzündungen bilden könnten. „Jetzt bin ich gerade dabei, mich auf meiner Prothese neu einzulaufen“, berichtet er. Und dies trotz ständiger Schmerzen. Manzke bekommt medizini­sches Cannabis dagegen. Er kann damit Autofahren und arbeiten, hat sogar extra ein von der BG ETEM organisiertes Fahr­sicherheitstraining in der Bildungsstätte Linowsee absolviert.

Dieter Manzke ist in Vollzeit berufstätig. Nicht mehr als Wartungsmonteur in der Windkraft, „das war nach dem Unfall nicht mehr möglich“. Zuletzt hat er als Verkäufer für Ersatzteile und Zubehör in einem Autohaus gearbeitet. Doch Manzke ist vielseitig. Er hat unter anderem Zweiradmechaniker, Kfz-Mechaniker und Bodenleger gelernt.

In Kürze wird er zu einem Fahrradhändler wechseln und E-Bikes verkaufen. Er hat aber auch schon in die Werkstatt reinge­schnuppert und schnell ein paar Schutz­bleche montiert. „Das hat dem Chef gut gefallen.“

Dieter Manzke ist viel mit einem Handbike unterwegs und geht mit einer Sprintprothese joggen. Dennoch will er sportlich noch aktiver werden. Er möchte Leute zum Laufen bringen – nicht nur Behinderte, will peu à peu etwas aufbauen und mit anderen Erfahrungen austauschen. „Ich will einfach gucken, dass ich anderen helfen kann.“

 

Michael Krause