Ergonomie im Handwerk: Mann schleift kniend eine Wand ab.
Bei Arbeiten im Knien ist der Körper besonderen Belastungen ausgesetzt. Durch gezielte Entlastungen wie eine Unterlage unter dem Knie lassen sich die Belastungen begrenzen.

Schwere Lasten, vibrierende Werkzeuge, Tätigkeiten in anstrengenden Körperhaltungen: Das Muskel-Skelett-System von Beschäftigten im Handwerk ist immer wieder großen Belastungen ausgesetzt. Diese Belastungen können auf Dauer krank machen und etwa zu Knie-, Schulter- und Rückenproblemen führen. 

Unternehmerinnen und Unternehmer können jedoch einiges tun, um ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Arbeitsalltag zu erleichtern. Das spart letztlich Kosten und reduziert krankheitsbedingte Arbeitsausfälle.

Roter Stern mit Text "Jetzt bestellen! Checkliste zur Gefährdungsbeurteilung: Ergonomie" und Link.

Das können Betriebe tun

Lasten bewegen: Gut planen und Hilfen nutzen

  • Vorausschauend planen: Fahrzeug und Einbauort sollten möglichst nah beieinander liegen, um Transportwege kurz zu halten.
  • Hilfen nutzen: Sofern vorhanden, sollten Handwerkerinnen und Handwerker Aufzüge für den Materialtransport nutzen können: zum Beispiel Bau-, Außen- oder Schrägaufzüge. Sind Gerüste im Einsatz, sollten diese über außen angebrachte Treppen verfügen. Ab fünf Höhenmetern sind diese ohnehin vorgeschrieben (siehe TRBS 2121-1).
    Rollende Werkzeugkoffer, Transportkarren, Klappwagen, Rollwagen oder Treppensteiger erleichtern den Lastentransport.
    Illustration von drei Handwerken, die Lasten mit unterschiedlichen Hilfsmitteln bewegen.
    Ideal wäre es, mindestens einen der Gebäudeaufzüge zum Schutz auszukleiden und den Handwerkern zugänglich zu machen. Oder können Sie sich vorstellen, wie es ist, fünf Stockwerke mit Last das Treppenhaus hochzugehen und in jedem Stock an der für Handwerker verschlossenen Aufzugstüre vorbeigehen zu müssen?

    Sachgerecht transportieren: Für den Transport von Bauschutt steht optimalerweise eine Schuttrutsche bereit, über die das Material direkt in einen Schuttcontainer gleiten kann. Stauben sollte es dabei nicht.
    Grundsätzlich sollten Beschäftigte schwere Gegenstände oder Materialien lieber rollen als tragen. Lässt es sich nicht vermeiden: Lasten körpernah und gleichmäßig auf beide Arme verteilt tragen. Beim Tragen von Eimern sind kleine, ovale Eimer in jeder Hand besser als große, runde.
    Illustration: Zwei Handwerker tragen unterschiedliche Lasten.
    Beim Kauf von Materialsäcken, etwa für Gips oder Mauermörtel, sollten Betriebe kleine Säcke kaufen. Diese sind leichter und handlicher als große. Für angebrochene Säcke gibt es Verschlüsse mit Tragegriff.
    Apropos Griff: Lasten sollten immer gut in der Hand liegen und sich gut greifen lassen. Mit einem guten Griff ausgestattete Eimer, Werkzeugkoffer oder -kisten lassen sich leichter ziehen oder tragen.
     
  • Richtig heben und tragen:
    Bei kalter Muskulatur entstehen leichter Verletzungen. Deswegen sollte immer ein wenig Extra-Zeit eingeplant werden, damit Beschäftigte sich vor Arbeits- beziehungsweise Tätigkeitsbeginn aufwärmen und strecken können. Das ist vor allem nach längeren Fahrten zum Ort des Geschehens wichtig.

    Ebenso wichtig ist es, richtiges – also schonendes – Heben und Tragen regelmäßig zu üben.
    Tipp: Krankenkassen haben dazu umfangreiche Angebote.
    Auch für das Heben und Tragen gibt es Hilfsmittel, die sich Betriebe zunutze machen sollten: etwa höhenverstellbare Hub- und Montagewagen für Ausbau, Montage, Service und Reparatur sogenannter Weißer Ware. Damit können Beschäftigte immer auf der für sie passenden Arbeitshöhe tätig sein. Teilweise bieten die Hersteller von Waschmaschinen und anderer Geräte selbst passende Hilfsmittel an. Bei deren Einsatz müssen Geräte dann idealerweise nur hinübergezogen oder gekippt werden.

    Für den Einsatz schwerer Maschinen eignen sich Balancer mit Federzug, verfahrbare Ständer beziehungsweise Stative als Hilfsmittel. Bei häufiger Wiederholung der Tätigkeit, etwa beim Fräsen oder Bohren, entlasten sie zusätzlich.

    Nur im Notfall sollten Beschäftigte Lasten zu zweit tragen. Dann ist es wichtig, dass eine beziehungsweise einer von beiden das Kommando beim Anheben, Absetzen oder Abwerfen übernimmt. Vorsicht: Bei weniger gut eingespielten Teams oder beim Tragen über Neigungen müssen die Beteiligten laut Norm mit 85 Prozent des Lastgewichts auf einer der Personen rechnen. Extrem wird die Belastung, wenn die Tragenden noch zusätzlich ziehen oder schieben. Das ist insbesondere auf Neigungen der Fall. Es ist also immer besser, passende Hilfsmittel zu benutzen oder lieber öfter zu laufen – auch, wenn es manchmal mehr Zeit kostet. Außerdem: Lieber zwei kleinere Eimer mit Material (zum Beispiel Schutt) allein tragen – einen in jeder Hand – als gemeinsam einen großen und schweren Behälter zu transportieren.

Ungünstige Körperhaltungen vermeiden

Seitlich geneigt, verdreht oder vorgebeugt arbeiten, lange in einer Haltung verharren, in beengter Umgebung tätig sein – all das belastet das Muskel-Skelett-System. Eine einfache Faustformel besagt: Was schon unbequem aussieht, kann auf Dauer nicht gesund sein.

Abhilfe schaffen höhenverstellbare und neigbare Montagetische, auf denen sich beispielsweise Schaltschränke vormontieren lassen. Beim Aufhängen auf der Baustelle können Beschäftigte Hebevorrichtungen nutzen.

Arbeiten über Kopf oder über Schulterhöhe sollten möglichst vermieden oder reduziert werden. Roll- und Klappgerüste, Hubarbeitsbühnen in unterschiedlichen Größen, Podest- und Stufenleitern oder Montagesysteme machen es möglich.

Auch Arbeiten im Knien sollten bestenfalls gar nicht stattfinden. Muss es trotzdem sein, sollten Betriebe ihren Beschäftigten dafür Knieschoner, Knieschalen oder Kniebretter zur Verfügung stellen. Praktisch sind auch Knieschutzpolster, die Beschäftigte direkt in ihre Arbeitshose einschieben können.

Illustration von vier knieschonenden Maßnahmen.

Werkzeuge: passend kaufen, regelmäßig warten

Handwerkzeuge sollten zur Handgröße der Beschäftigten passen, die sie nutzen. Damit eingesetzte Werkzeuge außerdem leicht und störungsfrei zu handhaben sind, sollten sie jederzeit in einwandfreiem Zustand sein. Verschlissenes Material, zum Beispiel Bohrer oder Trennscheiben, ist rechtzeitig zu ersetzen. Betriebe sollten außerdem möglichst neuwertige Maschinen einsetzen – bei richtiger Auswahl lassen sich auch Hand-Arm-Vibrationen deutlich reduzieren.

Illustration: Zwei Hände halten unterschiedlich große Schraubenzieher.

Organisation: Beschäftigte mitreden lassen

Prävention fängt schon bei der Organisation von Tätigkeiten an. Unternehmen können eine ganze Menge bewirken, wenn sie potenzielle Belastungen für das Muskel-Skelett-System ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von vornherein mitdenken und entsprechend schulen. Das heißt: Unternehmen müssen Muskel-Skelett-Belastungen schon in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen. Für das Elektrohandwerk steht neu eine entsprechende Checkliste mit der Bestellnummer S265 zur Verfügung (siehe „Info“ am Ende des Beitrags).

Daneben lohnt es sich, Beschäftigten eine arbeitsmedizinische Vorsorge zu „wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen“ anzubieten. Diese Vorsorge dient dazu, Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig Schritte einzuleiten, damit es nicht schlimmer wird.

Der richtige Umgang mit ergonomischen Hilfsmitteln etwa sollte regelmäßig vermittelt werden, mindestens einmal jährlich im Rahmen einer Unterweisung. So lassen sich Arbeitsabläufe auch immer wieder verbessern. Insbesondere jüngere Beschäftigte profitieren von solchen Schulungen. Denn das Gefühl für gesundheitsschädliche Arbeitsweisen stellt sich oft erst nach einigen Jahren Berufserfahrung ein.

Nicht zuletzt sollten Unternehmen ihre Beschäftigten immer wieder aktiv um Feedback bitten: Wo lassen sich Arbeitsbedingungen verbessern? In welchen Situationen ist der Körper besonders belastet? Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen meist am besten, was sie brauchen, um gesund arbeiten zu können.

Pausen einplanen

Bei allen Tätigkeiten sollten regelmäßig längere Erholungspausen möglich sein. Währenddessen sollten Beschäftigte sich bequem setzen und anlehnen können, um Muskeln und Gelenke zu entspannen. Im Zweifel ist der Autositz besser als ein kalter Fußboden. Kurzpausen während oder nach anstrengenden Tätigkeiten fördern die Erholung zusätzlich. Schon fünf Minuten genügen. Und: Studien zeigen, dass Arbeit auch mit mehreren Unterbrechungen über den gesamten Tag hinweg betrachtet schneller erledigt werden kann als ohne Kurzpausen.

Neben Pausen dient übrigens auch die Freizeit zur Erholung. Klingt wie eine Binse, ist aber wichtig – auch für Betriebe: Sie sollten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivieren, freie Zeit wirklich zum Ausgleich von ihrer Tätigkeit zu nutzen. Zuschüsse zu gesundheitsförderlichem Training sind ebenfalls sinnvoll, damit Beschäftigte einseitige Belastungen ausgleichen und ihre Muskulatur gezielt kräftigen können. So können Unternehmen dazu beitragen, dass Beschäftigte gesund altern können –  was letztlich auch dem Betrieb zugutekommt.

 

Dr. Sylvia Hubalek / Annika Pabst