Spät am Abend. Die Vliesanlage soll vor dem Wochenende gereinigt werden. Die Anlage steht, befindet sich aber noch in der Abkühlphase. Gereinigt wird auch das Innere der Siebtrommeln, da Staub oder kleine Faserstücke durch die Perforierung gelangen und Verkrustungen bilden können.
Um zu prüfen, wie aufwendig das Säubern der Siebwalze wird, langt der Maschinenführer durch eine kleine mit einem Schieber verschlossene Wartungsöffnung der seitlichen Maschinenverkleidung und tastet die Innenseite der Trommel ab. Für die Reinigung selbst sind größere Bereiche der Verkleidung aufklappbar. Sie sind mit Zuhaltung und Verriegelung gesichert.
Die Maschine steht nur scheinbar still. Um Schäden durch Nachwärme eines nachgelagerten Durchlauftrockners zu vermeiden, laufen nicht nur die Absaugungen weiter. Auch das zum Trockner führende Transportband wird sehr langsam wenige Millimeter pro Sekunde weiterbewegt. Weil Transportband und Siebtrommel über einen gemeinsamen Antrieb verfügen, bewegt sich auch die Siebtrommel kaum merklich in diesem minimalen Tempo weiter.
Diese Bewegung ist durch die enge Wartungsöffnung und die schlechte Beleuchtung kaum wahrnehmbar. Schließlich wird der Arm des Maschinenführers zwischen einer umlaufenden Strebe der Siebtrommel und einer festen Gehäusekante im Inneren so weit eingeengt, dass er nicht mehr herausgezogen werden kann. Die langsame Bewegung stoppt nicht und führt schließlich zum Verlust des Armes.
Was tun, um solche Unfälle zu vermeiden?
Die Maschine war mit einem Gehäuse umschlossen. Für die Reinigung waren aufklappbare und von der Steuerung abgefragte Gehäuseelemente vorgesehen, die einen großflächigen Zugang erlauben. Die kleinen seitlichen Schieber spielten bei der regelmäßigen Reinigung und Wartung keine Rolle und waren wohl deshalb als ungesicherte Zugriffsmöglichkeit bei der Gefährdungsbeurteilung übersehen worden. Bis der Unfall passierte.
Daher gilt: Immer überprüfen, ob die Schutzeinrichtungen die Maschine bzw. die Produktionsanlage in allen Betriebssituationen schlüssig sichern. Achten Sie bei der Gefährdungsbeurteilung auch auf kleine Öffnungen und Zugangsmöglichkeiten. Auch diese müssen entweder fest verschraubt oder mit der Steuerung verriegelt und erforderlichenfalls auch zugehalten sein (siehe Kasten Trennende Schutzeinrichtungen). Sind durch solche Öffnungen besonders gefährliche Maschinenelemente erreichbar, wie z. B. mit Sägezähnen versehene Walzen, müssen sogar verschraubte Zugangsdeckel mit Verriegelung und Zuhaltung gesichert werden.
Alle Arbeiten, die einen Zugriff in Gefahrbereiche erfordern, grundsätzlich bei sicher stillgesetzter Maschine durchführen; d. h. getrennt von der Energie und gegen Wiedereinschalten gesichert. Hierbei auch berücksichtigen, dass keine unerwarteten Bewegungen durch gespeicherte Energie, wie z. B. Warenspannung, Druckluft, Gewichte oder gespannte Federn, auftreten dürfen.
Wenn ein Sonderbetriebszustand unvermeidlich ist, muss das in der Gefährdungsbeurteilung begründet werden (siehe Kasten Sonderbetrieb). Die Arbeitsweise und die Ersatzmaßnahmen müssen verantwortungsbewusst durchdacht und festgelegt werden. Das schließt folgende Festlegungen ein:
- Gründe, wofür der Sonderbetrieb unverzichtbar erforderlich ist.
- Personenkreis, der den Sonderbetrieb durchführen darf (Qualifikation, Unterweisung).
- Technische und organisatorische Maßnahmen für die sichere Durchführung des Sonderbetriebs.
- Wie sichergestellt wird, dass der Sonderbetrieb nur von dem befugten Personenkreis angewandt werden kann.
Trennende Schutzeinrichtungen
Trennende Schutzeinrichtungen stellen eine physische Barriere dar, die verhindert, dass ein Gefahrbereich betreten oder in einen Gefahrbereich hineingegriffen werden kann. Sie sind entweder fest montiert oder beweglich.
Fest bedeutet, dass z. B. eine Verkleidung nur mit Werkzeug abgebaut werden kann.
Bewegliche Schutzeinrichtungen, z. B. Türen, Klappen usw., müssen immer steuerungstechnisch mit dem Antrieb verriegelt sein. Beim Öffnen der Klappe stoppt die Maschine sofort, bei geöffneter Klappe kann sie nicht anlaufen. Wenn man beim Öffnen der Klappe noch in ein nachlaufendes Maschinenteil eingreifen kann, muss die bewegliche Schutzeinrichtung außerdem noch zugehalten werden; d. h. die Klappe oder Tür lässt sich erst öffnen, wenn der Nachlauf beendet ist und die Maschine stillsteht.
Sind durch solche Öffnungen besonders gefährliche Maschinenelemente erreichbar, wie z. B. mit Sägezähnen versehene Walzen, müssen sogar verschraubte Deckel durch Verriegelung und Zuhaltung gesichert werden. Das ist z. B. bei Maschinen im Spinnereivorwerk der Fall.
Zur Bewertung, wie weit z. B. über einen Zaun hinweggegriffen oder durch eine Öffnung bestimmter Größe hindurchgegriffen werden kann, ist DIN EN ISO 13857 heranzuziehen. Die Werte dieser Norm sind auch in einer von der BG ETEM herausgegebenen Faltkarte enthalten (siehe Info).
Zu prüfende Rangfolge für Sonderbetrieb
Inspektions-, Wartungs-, Reparatur-, Rüst- und Reinigungsarbeiten müssen, wenn möglich, bei stehender Maschine durchgeführt werden.
Wenn das nicht möglich ist, gilt folgende Rangfolge:
- Bewegen von Hand,
- Steuereinrichtungen mit selbsttätiger Rückstellung in Verbindung mit Kriechgang,
- Schrittschalter,
- Langsamlauf in Verbindung mit Not-Halt-Einrichtung,
- Vorübergehende Trennende Schutzeinrichtungen.
Rangfolge bedeutet, dass die Maßnahme mit dem geringeren Restrisiko Vorrang hat (zu prüfen von oben nach unten). Wenn eine Maßnahme begründet nicht anwendbar ist, wird die nächste Stufe betrachtet.
Hinweis: Höheres Restrisiko bedeutet zwangsläufig auch höheren organisatorischen Aufwand und höhere Verantwortung der Führungsebene, um eine sichere Durchführung trotz des höheren Restrisikos zu gewährleisten.
→ bestellen
Faltkarte Sicherheitsabstände (Bestellnummer S044): www.bgetem.de, Webcode M19443263
Diesen Beitrag teilen