Unfall 1
„Beim Rückwärtsfahren mit Einweiser hat ein 9-jähriges Kind auf dem Heimweg von der Schule ein anderes Kind unter den Reifen gestoßen“, hieß es in der Anzeige lapidar. Die furchtbare Folge: Das überfahrene Kind überlebte den Unfall nicht.
Bei der Analyse, wie der tragische Vorfall hätte vermieden werden können, wird schnell klar: Die Rückwärtsfahrt war schuld. Ohne sie wäre ein Kind im Grundschulalter wohl noch am Leben.
Generell gilt: Rückwärtsfahren ist nur erlaubt, wenn andere Verkehrsteilnehmer bzw. Beschäftigte dadurch nicht gefährdet werden. Das steht nicht nur in der Straßenverkehrsordnung, sondern analog auch in der Unfallverhütungsvorschrift „Fahrzeuge“. Letztere gilt für Beschäftigte und alle Fahrzeuge.
Schuldig an dem tödlichen Unfall war also der Fahrzeugführer. Er wird nicht mehr vergessen, dass die vermeintliche kleine Ruckelbewegung beim Rückwärtsfahren der Körper eines Kindes war. Eine gewisse Mitschuld trägt wohl auch die einweisende Person („Einweiser“), die die Situation im Unfallmoment falsch eingeschätzt hat. Oder hat der Fahrer gar nicht auf den Einweiser geachtet? Hat die Verständigung vielleicht nicht funktioniert?
Die Anwesenheit eines Einweisers löst das Problem allein jedoch nicht, wie der bereits geschilderte und auch der nachfolgende Unfall zeigt. Auch hier war ein Einweiser zugegen und selbst betroffen. Der Fahrer hatte wohl nicht auf ihn geachtet oder der Einweiser hatte sich „versteckt“ oder er ist plötzlich in den Gefahrenbereich gesprungen. In diesem Fall wäre die Mitschuld etwas höher.
Unfall 2
„Beim Rückwärtsfahren habe ich das Fahrzeug eingewiesen und wurde von dem Fahrzeug gegen den Abfallsammelbehälter gedrückt, dabei erlitt ich schwere Quetschungen.“
(Unfallaussage des Einweisers)
Die Polizeiakte für diesen Unfall besteht aus 90 Seiten. Sie ist die Grundlage für die noch ausstehenden strafrechtlichen Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft. Zudem wird die Regressabteilung der Berufsgenossenschaft den oder die Verantwortlichen in die Pflicht nehmen. Denkbar ist auch, den Vorgesetzten wegen eines Organisationsverschuldens in die Pflicht zu nehmen.
Fahrerassistenzsysteme
Immer wieder erklären Fahrzeugführer, bei ihrem Lkw sei ein Kamerasystem und ein Signalgeber eingebaut; sie dürften deshalb auch ohne Einweiser rückwärtsfahren. Das stimmt nicht! Beide Hilfsmittel sind zwar eine deutliche Verbesserung im Sinne der Risikoverringerung. Da aber der mögliche Körperschaden eine tödliche Verletzung sein kann, muss die Eintrittswahrscheinlichkeit auf 0 sinken.
Es gilt also weiterhin: Die Person am Steuer trägt die Verantwortung. Denn auch das Warnsignal des Fahrzeugs muss man nicht zwingend hören. So kann z. B. die gefährdete Person schwerhörig oderdurch laute Musik mit einem Kopfhörer abgelenkt sein. Zudem können auch Rückfahrassistenzsysteme (RAS) – das sind Kameras für das Rückwärtsfahren – nicht alle Verkehrsteilnehmer berücksichtigen, z. B. weil sie einen schnell fahrenden E-Scooter zu spät erfassen.