Helfer oder Spion?
Johannes Krämer hat seit wenigen Monaten einen neuen Freund. Einen Freund, der ihm möglicherweise das Leben gerettet hat. Im Frühjahr dieses Jahres war der Vertriebsmitarbeiter mit hohem Tempo auf der Autobahn unterwegs, als sich sein Mobiltelefon meldete. Obwohl Krämer in seinem Dienstfahrzeug über eine Freisprechanlage verfügt, griff der 53-Jährige unwillkürlich nach dem auf dem Beifahrersitz liegenden Handy – und verriss dabei das Steuerrad. Das Fahrzeug kam nach rechts von der Fahrbahn ab, prallte gegen die Böschung und überschlug sich. Nur der Telematikbox in seinem Auto hat es der Rheinländer zu verdanken, dass schon wenige Sekunden nach dem Unfall ein Notruf an das nächstgelegene Krankenhaus abgesetzt wurde. Ein Freund kann auch technischer Natur sein, weiß Krämer heute.
Was sind Telematiksysteme?
Seit einigen Jahren setzen immer mehr Unternehmen mit einem größeren Fuhrpark – vor allem aus der Logistikbranche, zunehmend aber auch Unternehmen und Organisationen aus vielen anderen Branchen mit Dienstfahrzeugen – ein Telematiksystem ein. Bei einem solchen System werden mindestens zwei Datenverarbeitungssysteme über ein Telekommunikationssystem miteinander verknüpft. Diese Telematiksysteme gibt es derzeit:
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Handy-App: Sie misst den Fahrstil und vergibt dafür Punkte. Je vorsichtiger der Fahrer unterwegs ist, desto mehr Punkte sammelt er. Das zahlt sich für private Telematiknutzer auch bei den Versicherungskosten aus.
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Box: Die etwa streichholzschachtelgroße Telematikbox wird fest ins Auto eingebaut. Sie kann alle relevanten Daten auslesen und per Mobilfunk senden.
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Stecker: Er kommt in die elektronische Diagnose-Schnittstelle des Pkw – die OBD-2-Schnittstelle. Darüber können z. B. Kilometerstand, Drehzahl, Motorlast und andere Daten ausgelesen werden.
Eine zentrale Herausforderung bei der Nutzung von Telematik besteht nach Ansicht von Experten deshalb vor allem darin, die daraus gesammelten Datenmengen zum Nutzen aller Beteiligten zu verwenden. Der Verband der markenunabhängigen Fuhrparkmanagementgesellschaften (VMF) ließ dazu vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) erforschen,
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welche Daten von Telematiksystemen künftig genutzt, ausgewertet und den beteiligten Parteien zur Verfügung gestellt werden sollten,
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wie die Beteiligten dem Datenschutz gerecht werden und
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wie der Fuhrparkmanager beim Umgang mit Telematik die beste Unterstützung erhält.
Trends bei der Telematik
Laut den Ergebnissen der IAIS-Studie wird es künftig vier große Trends geben:
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Telematiksysteme erhöhen die Sicherheit des Fahrers – etwa durch automatische Abstandshalter zum vorausfahrenden Fahrzeug oder eine Zustandsanalyse des Fahrzeugs. Davon könnten auch die beteiligten Unternehmen durch spezielle, preisgünstigere Telematik-Versicherungssysteme profitieren.
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Neue Fahrerservices für die Navigation oder Mobilität unterstützen den Fahrer und machen das Fahren sicherer – z. B., weil der Mitarbeiter nicht mehr während der Fahrt das Navi bedient, sondern die optimale Route ins System übertragen bekommt.
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Der Dienstwagen-Fuhrpark eines Unternehmens lässt sich durch ein Telematiksystem wegen einer besseren Auslastung und damit einer möglichen Reduzierung der Dienstwagenzahl effizienter und kostensparender nutzen. Außerdem ergeben sich zum Beispiel Einsparungen durch weniger Unfälle und geringere Kosten für das Schadenmanagement. Das führt zu einer höheren Wirtschaftlichkeit.
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Es ergeben sich neue Services für das Unternehmen – etwa ein Fahrtenbuchschreiber, die zweimal jährlich erforderliche Führerscheinkontrolle, die Möglichkeit der Arbeitszeiterfassung (die auch eine Überschreitung der gesetzlich zulässigen Arbeitszeiten dokumentiert), die Beschränkung des Einsatzes von Dienstfahrzeugen auf dienstliche Belange.
Eines der beliebtesten und bereits vielfach genutzten Angebote durch eine Telematikbox ist ein Reporting-Tool, das einen Überblick über Daten wie Kraftstoffverbrauch und Reichweite liefert. Dabei kann man beim Öffnen des Programms zum Beispiel sofort sehen, wie es im laufenden Monat um den Verbrauch der gesamten Dienstwagenflotte steht. Das kann bares Geld sparen. Telematiksystem-Anbieter versprechen teilweise Kraftstoffeinsparungen von bis zu 15 Prozent. Weitere Beispiele für die Möglichkeiten einer digitalisierten Kontrolle der Dienstwagen sind:
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Der Reifendruck sämtlicher Flottenfahrzeuge könnte digital überwacht werden. Stimmt an einem Dienstwagen der Luftdruck nicht, erfolgt eine automatisierte Meldung – die Geld wert ist. Laut TÜV Süd kosten schon 0,2 Bar zu geringer Druck im Stadtverkehr bis zu fünf Prozent Sprit. 0,5 Bar zu wenig könnten demnach einen Liter pro 100 Kilometer kosten und zudem die Sicherheit bei höheren Geschwindigkeiten gefährden.
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Das Schadenmanagement könnte stärker digitalisiert werden. Perspektivisch könnte die Telematikbox zum Beispiel auch Rempler erkennen und eine automatische Meldung machen.
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Ein Telematiksystem kann vor Missbrauch im Fuhrpark warnen: Wenn beispielsweise im letzten Monat fünf Fahrer viel mehr getankt haben als sie hätten verbrauchen können, bekommt der Fuhrparkmanager einen Hinweis.
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Dank GPS-Geräten und Funktechnik (Stichwort „Geofencing“) ist die Ortung der Firmenwagen kein Problem mehr. So können beispielsweise Dienstwagen gefunden, die pünktliche Ankunft und Abgabe von Leihfahrzeugen überprüft oder ihre korrekte Stellposition auf dem Firmenparkplatz nach Feierabend überprüft werden. Auch die unerlaubte Fahrt eines Mitarbeiters mit dem Auto ins Ausland lässt sich mithilfe eines vernetzten GPS-Systems feststellen.