Kurz vor Feierabend. Ein Druckereimitarbeiter will das Palettiercenter in der Versandhalle mit Leerpaletten auffüllen. Da die Stapel gedreht werden müssen, ist am Gabelstapler ein Palettenwendegerät mit einer drehbaren Doppelklammer angebracht. Es wiegt 490 Kilogramm.
Im Außenlager nimmt der Fahrer 14 Paletten von einem Stapel und stellt sie zur Seite. Dann will er wenden und setzt im engen Radius zurück. Problem: Der Gabelbaum mit dem leeren Palettenwender ist bereits nach oben gefahren – und bringt den Stapler zum Kippen. Der Fahrer ist nicht angeschnallt. Beim Aufprall verletzt er sich an Kopf und Ellenbogen. Die schmerzhaften Folgen: Hautabschürfungen und eine Platzwunde, die genäht werden muss.
Entscheidende Fehler
Der Beschäftigte fährt regelmäßig unterschiedliche Flurförderzeuge. Die letzte Sicherheitsunterweisung war erst kurz vor dem Unfall. „Dennoch hat er zwei entscheidende Fehler gemacht“, sagt Andreas Vogl, Aufsichtsperson bei der BG ETEM. „Er hat rangiert, obwohl der Gabelbaum mit dem schweren Anbaugerät nach oben gefahren war. Und er war nicht angeschnallt.“
Dass der Fahrer oder die Fahrerin eines Gabelstaplers nicht angeschnallt ist, kommt in der Praxis häufig vor, weiß Vogl: „Vor allem wenn die Beschäftigten häufig auf- und absteigen müssen, empfinden viele das Anschnallen als umständlich.“ Sollte ein Gabelstapler kippen, halten Rückhaltesysteme wie der Sicherheitsgurt den Insassen oder die Insassin jedoch wirksam zurück. Umso wichtiger ist es, ihn anzulegen.
Der betroffene Betrieb hat Konsequenzen aus dem Unfall gezogen. Alle Beschäftigten, die Flurförderzeuge führen, wurden über den Vorfall informiert und noch einmal im Umgang mit dem Anbaugerät geschult. Zudem hat der Betrieb inzwischen ausdrücklich verboten, das Sicherheitsrückhaltesystem zu manipulieren. Führungskräfte müssen außerdem stichprobenartig prüfen, ob Beschäftigte die Sicherheitsgurte korrekt nutzen.
Darüber hinaus will die Unternehmensführung durch wiederholte Schulungen erreichen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Flurförderzeuge fahren, ihr Verhalten ändern. Aufkleber in der Kabine warnen vor der Kippgefahr.
Mit zwei weiteren Initiativen will der Betrieb zudem die mit Anbaugeräten verbundenen Gefahren minimieren. Zum einen wollen die Verantwortlichen in Gesprächen mit Herstellern die Möglichkeit technischer Nachrüstungen erörtern. Ihr Ziel: Drosselung des Staplers, sobald ein Anbaugerät montiert oder der Schwerpunkt kritisch erhöht ist. Zum anderen kann ein Stapelwender direkt am Kopfplattenaufleger das Wenden mit dem Stapler überflüssig machen.
Andreas Vogl begrüßt diese Initiativen. „Der Betrieb hat das Problem erkannt und versucht es mit allen Mitteln zu entschärfen.“
Anbaugeräte: Darauf ist zu achten
Anbaugeräte wie der beim Unfall verwendete Palettenwender sowie Fasszangen, Rollenzangen oder Klammergabeln verändern wegen ihres höheren Gewichts das Fahrverhalten von Gabelstaplern. Deshalb gelten bestimmte Voraussetzungen für ihre Nutzung:
- Sie besitzen ein CE-Zeichen und verfügen über eine Konformitätserklärung (gilt für Anbaugeräte ab 1995).
- Sie sind für das betreffende Flurförderzeug zugelassen.
- Die Herstellerangaben sowohl für den Gabelstapler als auch das Anbaugerät werden beachtet.
- Unter Umständen ist die Zustimmung der Hersteller zur Nutzung des Anbaugerätes am Gabelstapler einzuholen.
- Die maximale Tragfähigkeit des Gabelstaplers wird auch mit dem Anbaugerät nicht überschritten.
- Fahrerinnen und Fahrer kennen und berücksichtigen das geänderte und spezifische Traglastdiagramm bei Verwendung des Anbaugerätes am Gabelstapler.
Führungskräfte sollten zudem verstärkt darauf achten, dass ihre Teammitglieder Fahrerrückhaltesysteme nutzen. Die Unternehmensleitung kann dafür Stapler mit Fahrersitzgurten, Bügeltüren oder geschlossene Kabinen einsetzen. Denn die sind bei der Nutzung des Gabelstaplers zwangsläufig wirksam.
Dr. Michael Krause
→ info
- Broschüre „Sicherheit und Gesundheit beim betrieblichen Transport und Verkehr“, (Bestellnummer MB035): medien.bgetem.de, Webcode M21447142
- Unterweisungshilfe „Arbeiten mit dem Gabelstapler" (deutsch und englisch), (Bestellnummer PU022-19): medien.bgetem.de, Webcode M18899546
- Unterweisungshilfe „Sehen und gesehen werden beim Gabelstaplereinsatz“ (deutsch und englisch), (Bestellnummer PU022-21): medien.bgetem.de, Webcode M18181455
- Faltblatt „Wichtig für Gabelstaplerfahrer“, (Bestellnummer T035): medien.bgetem.de, Webcode M18343693
- Checklisten zur Gefährdungsbeurteilung: Innerbetrieblicher Transport, Einsatz von Leitern, Arbeiten auf erhöhtem Stand, (Bestellnummer SZ017): medien.bgetem.de, Webcode M18150447
- DGUV Vorschrift 68: „Flurförderzeuge“, (DGUV Vorschrift 68): medien.bgetem.de, Webcode M18803556
- Aufkleber: „Gabelstapler: Merkregeln für die tägliche Einsatzprüfung“, (Bestellnummer H050): medien.bgetem.de, Webcode M18529501