Näharbeitsplätze: Ergonomisches Arbeiten im Stehen und Sitzen.

Ein höhenverstellbarer Arbeitstisch ermöglicht es Beschäftigten, sowohl im Sitzen als auch im Stehen zu arbeiten.

Nacken und Rücken schmerzen, die Augen brennen. Tätigkeiten an Näharbeitsplätzen sind potenziell belastend – und zwar besonders dann, wenn Beschäftigte monotone und sich wiederholende Bewegungen in ungünstiger Körperhaltung und bei schlechter Beleuchtung ausführen.

Mit einigen Tricks und Kniffen lässt sich die Ergonomie an bestehenden Arbeitsplätzen deutlich verbessern. Sie erleichtern die Arbeit und tragen so dazu bei, körperliche Belastungen von Beschäftigten zu reduzieren. Schöner Nebeneffekt: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in ergonomischer Haltung auch effizienter – und können so ein noch besseres Arbeitsergebnis erzielen. Diese Maßnahmen sind hilfreich:

Die kleinen Dinge

Kleines Werkzeug, große Wirkung: Einfädelhilfen oder Nadelhalter, mit einem praktischen Magneten zur Aufnahme der Nadeln, sind preisgünstig und machen die Arbeit einfacher.

Spezielle Nähfüßchen erleichtern das Arbeiten mit den Händen: Es gibt sie unter anderem für das Säumen. Dabei wird der Stoff durch die Form des Füßchens bereits so eingedreht, dass Anwenderinnen und Anwender ihre Hände nicht mehr extrem verdrehen müssen.

Wenn eine Schere zum Einsatz kommt, sollte diese leicht sein, gut in der Hand liegen und beim Nähen wenig stören.

Bewegen mit Bedacht

Beschäftigte an Näharbeitsplätzen sollten ruckartige Bewegungen vermeiden und darauf achten, dass sie zum Beispiel ihre Hände bei der Arbeit nicht extrem verdrehen. Auch sich häufig wiederholende, gleichartige Bewegungen führen auf Dauer zu Schmerzen. Deshalb gilt: Ab und zu Pausen einlegen und Aufgaben bewusst variieren.

Viel Licht – wenig Blendung

Der Nähbereich wird von Mensch und Maschine verschattet. Daher ist zusätzlich zur Raumbeleuchtung eine ergänzende Arbeitsplatz- oder Maschinenbeleuchtung nötig. Bei der Auswahl der Lichtquelle ist wichtig, dass die Fläche, aus der das Licht austritt, möglichst groß und vor allem gleichmäßig hell ist. Direkt erkennbare Lampen oder sogar einzelne erkennbare LEDs blenden – was bedeutet, dass trotz zusätzlicher Beleuchtung keine Verbesserung des Sehens eintritt. Im Gegenteil: Die Augen werden sogar mehr belastet.

Je kleiner die Details und je dunkler das Material, desto mehr Licht wird benötigt. Dabei ist auch wichtig, dass sich keine spiegelnden Flächen im Nähbereich befinden, da diese ebenfalls blenden können. Matte Metallflächen wiederum können mit der Zeit glatt werden. Sie müssen daher regelmäßig angeraut werden, um die Oberfläche matt zu halten.

Kleine Details – große Textilbahnen

Wer an kleinen Details arbeitet, muss sein Arbeitsmaterial gut sehen können. Der Abstand zwischen Augen und dem Nähbereich sollte möglichst gering sein. Hierbei sind Armstützen nicht nur hilfreich, um Schulter- und Nackenverspannungen zu vermeiden. Sie tragen auch dazu bei, dass große Muskelpartien langsamer ermüden – und Bewegungen präziser ablaufen können.

Bei großen Textilbahnen dagegen ist es wichtig, den Tisch niedrig einzustellen, damit die Arme sich frei bewegen können, wenn sie den Stoff weiterschieben. Bei der richtigen Einstellung ist insbesondere auch auf eine entspannte Schulterhaltung zu achten.

Tipp: Schultern hochziehen, ein paar Sekunden halten und dann beim Ausatmen fallen lassen – das ist die erstrebte entspannte Haltung der Schultern. Hier bieten sich nach hinten geneigte Tische an, die zudem die Sicht auf den Nähbereich verbessern.

Näharbeitsplätze: Illustration Sicht von oben auf Arbeitsplatz.

Armauflagen sollten je nach Maschine, Tätigkeit und den persönlichen Bedürfnissen individuell eingerichtet werden.

Armauflagen: Eine individuelle Angelegenheit

Je nach Art der Maschine und vor allem der Tätigkeit sind verschiedene Armauflagen sinnvoll. Anregungen dazu finden sich in den Infomaterialien der BG ETEM (siehe Info). Auch hierbei gilt: Jeder Mensch ist anders und daher sollten die Armauflagen leicht verstellbar, individuell anpassbar sein.

Stühle: Die richtige Einstellung

Industriedrehstühle haben im Unterschied zu Bürodrehstühlen schmalere Rückenlehnen, damit die Arme frei bewegt werden können. Zudem sind die Oberflächen in der Regel abwischbar.

Beine und Füße: Machen Sie es sich bequem

Bewegen, ausstrecken, abstellen: Der Arbeitsplatz sollte die Möglichkeit bieten, zwischendurch verschiedene Beinhaltungen einnehmen zu können. Daher muss der Bereich unterhalb des Nähtisches frei sein. Zu wenig Beinfreiheit führt dagegen zu Zwangshaltungen.

Fußpedale indes müssen so konstruiert sein, dass Nutzerinnen und Nutzer sie leicht mit dem Fuß bedienen können. Der Winkel zwischen Schienbein und Fuß sollte etwa 90 Grad betragen. Bei vielen Nähtischen kann das Pedal mittels Schrauben weiter vorne oder hinten befestigt werden. Besser sind Fußpedale, die frei am Boden verschoben werden können.

Näharbeitsplätze: Illustration Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung im Stehen um im Sitzen.

Um Zwangshaltungen zu vermeiden (links), sollten Tische an Näharbeitsplätzen zum Beispiel höhenverstellbar sein.

Auf und nieder, immer wieder: Der Tisch

Stand der Technik sind höhenverstellbare Tische. Diese sollten so beschaffen sein, dass Beschäftigte an ihnen sowohl sitzen als auch stehen können. Verstellbare Tische sind für jede Person und jede Tätigkeit individuell einstellbar und ermöglichen damit eine ergonomisch optimierte Körperhaltung. Es beugt einseitiger Belastung vor, immer wieder zwischen Sitzen und Stehen zu wechseln.

Genug Platz: Die Bewegungsfläche

Eine Bewegungsfläche von mindestens 1,50 Quadratmeter ist vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Dabei muss die Tiefe mindestens einen Meter betragen.

Steten Wechsel mitdenken

Ergonomie ist nicht zuletzt eine Frage der Arbeitsorganisation: Der Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ist ideal. Tätigkeiten sollten abwechslungsreich gestaltet sein. Nicht nur um unseren Körper verschieden zu belasten, sondern auch um den Geist rege zu halten. Materialtransporte, Arbeitspausen oder auch wechselnde Arbeitsaufträge wirken einseitigen Belastungen entgegen.

Bewertung und Optimierung

Zur Bewertung von Näharbeitsplätzen bietet sich die Leitmerkmalmethode „Manuelle Arbeitsprozesse“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) an. Gerne unterstützt Sie Torsten Wagner, Ergonom der BG ETEM: wagner.torsten@bgetem.de.  

Ausgleichsübungen

Um die Ergonomie auch an Näharbeitsplätzen im Ausland zu verbessern, ging vor Kurzem die App „Healthy-and-secure“ online, die auch am Rechner unter www.healthy-and-secure.com läuft. Die App entstand mit Unterstützung der BG ETEM als Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) für Bangladesch. Entsprechend wurden die dortigen Arbeitssituationen als Ausgangspunkt für einfach umsetzbare Verbesserungen angenommen.

In der App sind Ausgleichsübungen dargestellt und in englischer Sprache erläutert. Die Übungen stellen auch bei uns eine gute Ergänzung zu den körperlich belastenden Näharbeiten dar.

 

Dr. Sylvia Hubalek