Erdarbeiten in der Nähe erdverlegter Leitungen: Einblick ins Erdreich.

Einblick ins Erdreich unter unseren Straßen und Häusern: Die Illustration zeigt, welche Kabel und Leitungen für unsere Versorgung notwendig sind.

Die Verlegetiefe von Kabeln, Rohrleitungen und Kanälen ist sehr unterschiedlich und stark schwankend. Häufig ist die Lage der Leitungen nur ungefähr verzeichnet, manchmal auch gänzlich unbekannt. Bei Erdarbeiten stellen diese Leitungen oft Hindernisse dar und können bei unvermutetem Antreffen zu einer Gefahr für die Beschäftigten werden.

Unfallgeschehen

Etwa 80 Prozent der Schäden an erdverlegten Leitungen sind auf Arbeiten mit Baumaschinen zurückzuführen. Den Sachversicherungen werden jedes Jahr etwa 100.000 Schadensfälle gemeldet, für die Entschädigungen in Höhe von rund 500 Millionen Euro gezahlt werden. Die meisten Unfälle mit Personenschäden ereignen sich bei Arbeiten an oder in der Nähe von Elektro- und Gasleitungen.

Gründe für die Beschädigungen erdverlegter Leitungen sind zum Beispiel

  • unzureichende Kenntnis über Art und Lage von Leitungen wegen mangelhafter oder unterlassener Ermittlung durch den Auftragnehmer,
  • unvermutetes Antreffen unbekannter oder nicht verzeichneter Leitungen,
  • fehlendes Trassenwarnband und damit kein ausreichender Abstand zur Leitung.

Gefährdungen durch ...

a) Elektroleitungen

Bei der Beschädigung von Elektroleitungen besteht unmittelbare Lebensgefahr durch Körperdurchströmung oder einen Störlichtbogen. Durch eine mechanische Beschädigung der Isolierung, zum Beispiel durch Biegen mit zu kleinem Radius, kann es sofort oder erst nach einiger Zeit zu einem Kurzschluss mit Störlichtbogen kommen.

b) Gasleitungen

Nach einer mechanischen Beschädigung oder durch Korrosion kann Gas austreten und mit der Umgebungsluft eine explosionsfähige Atmosphäre bilden. Mechanisch oder elektrisch erzeugte Funken, offene Flammen, heiße Oberflächen oder elektrostatische Entladungen können das Gas-Luft-Gemisch dann entzünden.

c) Fernwärme-, Wasser- und Abwasserleitungen

Durch unkontrollierten Wasseraustritt kann die Standsicherheit der Böschung von Gräben und Baugruben beeinträchtigt werden. Gehweg- oder Fahrbahnbeläge können durch Unterspülung einbrechen, Baugruben und Gräben überflutet werden.

Erdverlegte Leitungen: Diagramm Verlegetiefe.

Regelverlegetiefe von Kabeln und Leitungen

Vorbereitung der Bauarbeiten

Die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung von Personen- und Sachschäden ist es, vor Beginn der Bauarbeiten zu ermitteln, ob im vorgesehenen Arbeitsbereich Leitungen vorhanden sind. Hierbei handelt es sich um eine Holschuld des Auftragnehmers oder der Auftragnehmerin.

Elektrische Leitungen müssen vor Beginn der geplanten Arbeiten freigeschaltet werden. Werden bei Erdarbeiten Gasleitungen angetroffen, sind die erforderlichen Maßnahmen immer mit dem Betreiber abzustimmen. Das gilt auch für stillgelegte oder vorübergehend außer Betrieb genommene Gasleitungen.

Durchführung der Bauarbeiten

Bei elektrischen Leitungen ist so lange von anstehender Spannung auszugehen, bis der Betreiber ausdrücklich (schriftlich) die Spannungsfreiheit bestätigt hat. Das Hantieren mit nicht freigeschalteten Leitungen, zum Beispiel Bewegen oder Hochhängen, ist eine elektrotechnische Arbeit, die nur dafür qualifizierte Personen ausüben dürfen.

Andere Leitungen, insbesondere Gas- und Fernwärmeleitungen, gelten solange als gefährdend, bis der Betreiber ausdrücklich die Durchführung der Schutz- und Sicherungsmaßnahmen bestätigt hat, für die er verantwortlich ist.

Die Schutzabstände zu den einzelnen Leitungen sind nach den Vorgaben der Leitungsbetreiber einzuhalten. Maschineller Aushub ist bis maximal 30 Zentimeter oberhalb oder seitlich der Leitung zulässig. Handschachtungen zum Freilegen von Leitungen müssen möglichst mit stumpfen, waagerecht geführten Werkzeugen, zum Beispiel Schaufeln, vorgenommen werden. Im innerstädtischen Bereich sind Saugbagger besonders gut für Erdarbeiten in der Nähe erdverlegter Leitungen geeignet.

Sichern von freigelegten Leitungen

Freigelegte Leitungen müssen nach Vorgabe oder unter Mitwirkung des Betreibers gesichert werden. Punktuelle Aufhängungen sind wegen möglicher Beschädigungen, zum Beispiel durch Knicke oder kleine Biegeradien, unzulässig. Der Einbau geeigneter Unterstützungen muss mit dem Betreiber abgestimmt werden.

Bei Sicherungsarbeiten an Leitungen dürfen deren Dichtheit und Festigkeit nicht beeinträchtigt werden. So muss bei PVC- und Gussleitungen, die nahe zur Baugruben- oder Grabenwand liegen, mit dem Betreiber geprüft werden, ob zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich sind – zum Beispiel

  • Leitungen freilegen, um sie während der Bauarbeiten beobachten zu können;
  • unter Druck betriebene Leitungen nach Möglichkeit im Baubereich mit Schiebern absperren oder drucklos machen.

Auf jeden Fall ist vor Ort zu prüfen, ob Absperrvorrichtungen oberhalb und unterhalb der Baustelle vorhanden und funktionsfähig sind. Vor zwölf Jahren gab es einen dramatischen Unfall, als eine Wasserleitung (6 bar) geborsten war und eine Baugrube so schnell voll lief, dass ein Arbeiter sich nicht mehr retten konnte.

Grabenlose Bauverfahren

Grabenlose Bauverfahren finden zunehmend Verbreitung. Die Lage der vorhandenen Leitungen und die Bodenverhältnisse müssen allerdings exakt ermittelt werden, um Abweichungen des Bohrkopfes von der Sollachse zu vermeiden. Bei Bodenverdrängungsverfahren ist mit dem Leitungsbetreiber der Mindestabstand zu vorhandenen Leitungen festzulegen, um indirekte Leitungsbeschädigungen zu vermeiden.

Empfehlungen für Bauherren

Unfälle und Schäden bei Baumaßnahmen zu vermeiden, ist im Interesse aller Beteiligten. Neben dem Einbringen von Trassenwarnbändern bei Neu- und Wiederverlegung von Leitungen wird empfohlen, nichtmetallische Leitungen nach Möglichkeit mit Ortungseinrichtungen zu versehen, sodass sich diese mit geeigneten Ortungsgeräten später exakt lokalisieren lassen.

Das Herstellen von Suchschlitzen von Hand (Handaushub) ist explizit im Leistungsverzeichnis zu beschreiben. Diese Arbeiten können als eigene Position aufgenommen werden oder in anderen Leistungspositionen, die Erdarbeiten beschreiben, enthalten sein.

Wünschenswert ist eine zentrale Registrierung aller Leitungen mit exakten Angaben. Das private ASSIP-LeitungsInformationsZentrum (ALIZ) ermittelt mit Unterstützung von Behörden und Betreibern die Daten aller erdverlegten Leitungen. Unter www.aliz.de ist eine Adressliste aller Leitungsbetreiber im jeweiligen Baustellenbereich erhältlich.

 

Hartmut Oelmann