Mit Offenheit der Krise trotzenArbeit kann Körper und Psyche belasten – besonders in Krisenzeiten. Dann sind Führungskräfte gefragt. Die Arbeitspsychologen Jella Heptner und Dr. Just Mields erklären, wie Sie Ihre Beschäftigten unterstützen können.https://etem.bgetem.de/4.2021/themen/mit-offenheit-der-krise-trotzenhttps://etem.bgetem.de/@@site-logo/logo_etem_magazin.png
Mit Offenheit der Krise trotzen
Arbeit kann Körper und Psyche belasten – besonders in Krisenzeiten. Dann sind Führungskräfte gefragt. Die Arbeitspsychologen Jella Heptner und Dr. Just Mields erklären, wie Sie Ihre Beschäftigten unterstützen können.
Psychische Belastung
Arbeiten im Homeoffice, Kinderbetreuung, soziale Distanz: Die Herausforderungen der Corona-Krise stellen für viele Beschäftigte eine psychische Belastung dar.
Psychische Belastung spielt in immer mehr Betrieben eine Rolle. Hat sich durch die Pandemie da etwas geändert?
Dr. Just Mields: Die Corona-Krise dauert jetzt schon länger als ein Jahr. Auch wenn sich die Lage langsam etwas entspannt, mussten die Menschen viele Herausforderungen bewältigen. Das fängt mit der Notwendigkeit an, Abstand voneinander zu halten, und reicht bis zu Existenzsorgen wegen Umsatzeinbußen, Kurzarbeit oder Jobverlust.
Jella Heptner: Und nicht zu vergessen die veränderte Situation an vielen Arbeitsplätzen: Entweder muss man ständig Maske tragen und Abstand halten oder man arbeitet im Homeoffice – häufig mit gleichzeitiger Betreuung der Kinder. Diese Belastungen zehren bei vielen an den Kräften.
Jella Heptner und Dr. Just Mields beschäftigen sich als Arbeitspsychologen bei der BG ETEM unter anderem mit Möglichkeiten zur Gestaltung gesunder Arbeitsbedingungen und zur Reduzierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz.
Führen aus dem Homeoffice – wie halte ich da den Kontakt zu meinen Leuten?
Mields: Was den Menschen am meisten fehlt, ist der Austausch untereinander. Da kann man sich mit Telefon- oder Videokonferenzen helfen, bei denen es mal nicht um ein konkretes Projekt geht. Ein fester Termin in der Woche, bei dem jeder über seine Situation, seine Sorgen und Nöte berichtet, oder eine virtuelle Feierabendrunde können zwar das persönliche Gespräch auf dem Flur nicht ersetzen. Sie helfen aber, den Kontakt zu halten.
Heptner: Wichtig ist, dass man einen festen Termin hat. Das schafft Verbindlichkeit. Man bleibt in Verbindung, auch über die pure Auftragsabwicklung hinaus. Das wirkt sich positiv aufs Arbeitsklima und letztendlich auch auf die Leistung der Beschäftigten aus.
Wann empfinden Menschen Arbeit als belastend?
Heptner: Das ist natürlich individuell sehr unterschiedlich. Was die eine noch als sportliche Herausforderung empfindet, kann für den anderen schon puren Stress bedeuten. Eines aber gilt: Fühlen sich Beschäftigte schlecht informiert, – z. B. über die wirtschaftliche Lage des Betriebs, sind Kompetenzen nicht klar zugewiesen oder werden Handlungsspielräume als zu eng empfunden, führt das schneller zu einem Gefühl der Überforderung als bei positiveren Rahmenbedingungen.
Mields: Arbeit wird häufig dann als psychisch belastend empfunden, wenn es an Klarheit fehlt, – z. B. bei der Aufgabenstellung oder den Zielen. In der Pandemie kommen noch andere Faktoren dazu, z. B. die Angst vor Ansteckung oder Unsicherheit im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen.
Wie erkenne ich psychische Probleme bei einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin?
Heptner: Wenn Sie als Führungskraft regelmäßig mit Ihren Beschäftigten im Austausch stehen und ein vertrauensvolles Miteinander herrscht, kommt die betroffene Person vielleicht von sich aus auf Sie zu. Aber auch auf nonverbaler Ebene lässt sich meist eine Veränderung feststellen: Zieht der oder die Mitarbeitende sich über Wochen verstärkt zurück, zeigt weniger Freude auf der Arbeit, reagiert häufiger aufgebracht oder ist weniger leistungsfähig, dann sind das Anhaltspunkte dafür, dass eine Person psychisch beeinträchtigt ist.
Hätten Sie es gewusst?
27,8 % der Erwachsenen in Deutschland sind von einer psychischen Erkrankung betroffen. Nur jeder Fünfte geht zum Arzt.
Die Behandlung psychischer Erkrankungen kostet in Deutschland rund 45 Milliarden Euro pro Jahr.
16,8 % aller Arbeitsunfähigkeitstage gingen 2020 auf das Konto psychischer Erkrankungen.
Mit 43 % sind psychische Störungen der häufigste Grund für Frühverrentungen.
In der Europäischen Union entstehen inklusive Produktivitätseinbußen Gesamtkosten von geschätzt 600 Milliarden Euro jährlich.