Der Saal des historischen Felsenkellers in Leipzig blieb weitgehend leer. Die wenigen Mitwirkenden vor Ort waren auf das Coronavirus getestet und saßen mit ausreichend Abstand zueinander an Einzeltischen. Auf der Bühne begrüßte Moderator Martin Steiner von der BG ETEM 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich digital zugeschaltet hatten und das Geschehen im Stream verfolgten.
August Wagner, Leiter Branchenausschuss Textil der BG ETEM, lobte die Themenvielfalt der Veranstaltung, darunter besonders die Praxisbeispiele. „Sie zeigen, wie wichtig Arbeitsschutz für erfolgreiche Unternehmen ist.“ Der Vorsitzende der Geschäftsführung, Johannes Tichi, pflichtete ihm bei: „Das Interesse der Mitgliedsbetriebe und Versicherten steht für uns im Vordergrund.“
Chancen und Risiken der Digitalisierung
Zum Auftakt referierte Klaus-Dieter Becker (BG ETEM) über Risiken beim Einsatz von Fernzugriffssystemen zur Steuerung oder Wartung von Maschinen. Diese müssen so eingerichtet sein, dass Personal vor Ort nicht durch plötzliches Anlaufen von Maschinen oder Anlagen überrascht werden kann. Darüber hinaus muss das System gegenüber unbefugten Zugriffen von außen geschützt werden. Der Anschlag auf die Wasserversorgung in Florida im Februar dieses Jahres habe gezeigt, was Cyberkriminelle mit Hacker-Attacken anrichten können. Die permanenten Veränderungen durch die Digitalisierung machten daher laufende Anpassungen auch der Sicherheitssysteme und der Gefährdungsbeurteilung notwendig.
Einen positiven Blick auf die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Textilindustrie vermittelte Dirk Zschenderlein vom Sächsischen Textilforschungsinstitut e. V. in Chemnitz. Unter dem Schlagwort „Future Tex“ entwickeln die Forscher im Versuchsfeld „Vernetzte Fertigung“ neue Produktionsmethoden. Durch den Einsatz von Real Time Locating Systemen, automatischen Transporteinrichtungen oder Kameras zur Überwachung sollen Produktionsprozesse künftig wirtschaftlicher und zugleich sicherer gestaltet werden.
Globale Lieferketten
Auch bei dieser Fachtagung richtete sich der Blick nach Asien. Dr. Gregor Kemper (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, DGUV) stellte Präventionsprojekte in Indien, Bangladesh und Myanmar vor. Ziel sei es, die globalen Lieferketten nachhaltiger zu gestalten. Die zum Teil schon Jahre andauernden Kooperationen zeigten inzwischen Erfolge. In Myanmar sei die Zahl der Arbeitsunfälle zurückgegangen. In Bangladesh hätten sich initiiert durch Studienaufenthalte in Deutschland 300 Arbeitsschutzakteure qualifiziert und seien in den Betrieben unterwegs.
Kemper zeigt sich stolz darüber, dass die gesetzliche Unfallversicherung mittlerweile auch in anderen Ländern wie Pakistan oder China zu einem Exportschlager geworden sei. Er begrüßte das neue Lieferkettengesetz, das dazu beitragen solle, vergleichbare Arbeitsschutz- und Sozialstandards zu schaffen.
Wegeunfälle und Homeoffice
Kai Schulte vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) machte klar, das die Vision Zero – die Idee einer Arbeitswelt ohne Unfälle und Berufskrankheiten – auch für den Straßenverkehr gilt. Obwohl Menschen Fehler machten, gelte das Ziel, dass im Straßenverkehr niemand schwer verletzt oder gar getötet werde. Daher will er Unternehmen motivieren, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Sie sollten sich die Frage stellen, ob es von Seiten des Betriebes Regeln für die Teilnahme am Straßenverkehr gebe und man zum Beispiel Weiterbildungsmaßnahmen anbieten könne.
Schulte präsentierte „7 goldene Regeln“, mit denen Betriebe Flagge zeigen könnten. Unterstützung finden sie dabei in Praxishilfen und der Kampagne kommmitmensch. Auch die BG ETEM bietet zahlreiche Aktionsmaterialien und Seminare zur Verkehrssicherheit an.
Maren Knopp von der BG ETEM stellte die rechtlichen Grundlagen für verschiedene Formen von Homeoffice vor. Abhängig von der juristischen Definiton für Heimarbeit, Telearbeit oder mobiler Arbeit ergeben sich unterschiedliche Verpflichtungen für Arbeitgeber und Beschäftigte – auch hinsichtlich des Arbeitsschutzes. Der gelte an Arbeitsplätzen in privaten Wohnungen ebenso wie auf dem Betriebsgelände. Daher müssten auch für solche Arbeitsplätze Gefährdungsbeurteilungen erstellt werden – ein im Einzelfall nicht immer einfach zu realisierendes Ziel.