Illustration Haus mit Wintergarten

Wer Solarmodule installieren will, muss meist hoch hinaus. Gut gesichert lassen sich folgenschwere Abstürze verhindern.

Für die handwerkliche Umsetzung der Energiewende sind verschiedene Gewerke zuständig: Solarmonteurinnen und -monteure, Elektroinstallateurinnen und -installateure sowie Gerüstbauerinnen und Gerüstbauer. Sie alle gehen bei ihren Tätigkeiten Risiken ein.

Denn bei der Montage kommt es oft zu Abstürzen von Leitern oder Dächern. Absturzunfälle machen einen großen Teil der Kosten für Behandlung, Rehabilitation und Rente bei den Unfallversicherungsträgern aus. Abstürze sind zudem die häufigste Ursache tödlicher Arbeitsunfälle. Dabei passieren 50 Prozent der tödlichen Abstürze aus weniger als fünf Metern Höhe.

Damit alle Beteiligten unversehrt wieder vom Dach kommen, müssen die Arbeitsverfahren sicher und gesundheitsgerecht gestaltet sein.

Die Berufsgenossenschaften und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales haben die sichere Gestaltung der Arbeitsverfahren für die Arbeit mit Absturzgefahren, Leitern und Gerüsten aufgegriffen.

Der Ausschuss für Betriebssicherheit hat sich in den Jahren 2015 bis 2018 mit der Gefährdung durch Absturz beschäftigt. Bis 2019 wurden dann die technischen Regeln zum Schutz gegen Absturz veröffentlicht. Diese Regeln greifen an den Unfallschwerpunkten Leitern, Gerüste und Arbeitsverfahren an. Die Technische Regeln zur Betriebssicherheitsverordnung, die Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten, sowie berufsgenossenschaftliche Regeln und Informationen beschreiben den Rechtsrahmen für sicheres Arbeiten und erläutern die Möglichkeiten für eine gute Umsetzung.

Für Betriebe ergeben sich damit einige Veränderungen, die die bisher praktizierten Arbeitsverfahren stark beeinflussen.

Wichtige Änderungen für PV-Dachmontagen

Die Änderungen in der Technischen Regel Betriebssicherheit und der Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten erfordern eine sicherheitsgerichtete Planung und Koordination von Arbeitsabläufen sowie eine sichere und gesundheitsgerechte Einrichtung von Arbeitsstellen auf dem Dach für die PV-Montagearbeiten.

  1. Gerüste bieten den geforderten Schutz gegen Absturz vom Dach und sind die festgelegte technische Top-Maßnahme.
  2. Gerüste sind mit vorlaufendem Seitenschutz aufzubauen, damit möglichst niemand beim Gerüstbau abstürzt.
  3. Der Zugang zum Dach für PV-Dachmontagen ist über einen Leitergang oder eine Treppe zu ermöglichen. Die an die Dachrinne angelegte Leiter ist kein Zugang für PV-Dachmontagen mehr.

Photovoltaik: Ablaufdiagramm Absturzsicherung mit Erläuterungen.

Den Arbeitsbereich gegen Absturz vom Dach sichern

Der Arbeitsbereich ist der Bereich des Daches, in dem Solarmodule angebracht werden und in dem sich Personen auf dem Dach bewegen. Dieser Bereich ist grundsätzlich mit einem Gerüst zu sichern. Die Schutzwirkung muss jeweils noch einen Meter seitlich wirksam sein, das Gerüst muss also mindestens zwei Meter breiter als der Arbeitsbereich sein.

Gerüste, die nicht mit dem Gebäude verankert werden, benötigen eine Gerüstabstützung. Dafür kommen meist ausziehbare Stahlstützen zum Einsatz, die mit Fußplatten zu montieren sind. Die Stahlstützen sind gegen horizontale Auslenkung auszusteifen, damit die Fußplatten nicht weggeschoben werden. Je nach Tragfähigkeit des Bodens sind die Fußplatten mit lastverteilenden Unterlagen zu unterbauen.

Eine Ortgangsicherung schützt vor Absturz über die seitliche Dachkante. Je nach Bauart kann das Anbringen gefährlich sein. Die Montage von einer Leiter aus ist nicht mehr erlaubt. Der Ortgang muss allerdings nicht gesichert werden, wenn der Abstand zur Absturzkante mehr als zwei Meter beträgt.

Wie Mensch und Material sicher aufs Dach kommen

Für den Zustieg zum Arbeitsbereich gibt es zwei geeignete Lösungen:

  1. Eine vorgebaute Treppe ist die sicherste und zeitlich effektivste Lösung für den professionellen Zustieg. Sie lässt sich besonders ergonomisch begehen. Zudem können Treppen in der Regel über mehr als zehn Jahre verwendet werden, sind also langlebig.
  2. Ein Leitergang ist weniger ergonomisch als eine Treppe. Monteurinnen und Monteure ermüden deutlich schneller, weil der Aufstieg beschwerlicher ist. Ein Leitergang bietet auch ein etwas geringeres Sicherheitsniveau als die Treppe, da es zu Unfällen kommen kann, bei denen Personen durch die Bodenöffnung stürzen. Zudem lassen sich Werkzeug und Kleinmaterial wegen der schmalen Öffnungen nur eingeschränkt mitführen.

Gerüsttreppen eignen sich für jede Dachhhöe ab zwei Metern Traufhöhe. Leitergänge sind eine Option, wenn die Fußbodenoberkante des Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist, nicht höher als sieben Meter über der Geländeoberfläche liegt.

Es ist nicht möglich, im Leitergang Material zu transportieren. Bei Kleinstbaustellen können Monteurinnen und Monteure Material von Gerüstebene zu Gerüstebene anreichen, das heißt: auf jeder Ebene steht eine Person, das Gerüst ist mit zweiteiligem Seitenschutz aus Geländer und Zwischenholm ausgestattet. Bei mehr als zwei Gerüstlagen wird aber ein Bauaufzug oder ein am Gerüst angebrachter Seilrollenaufzug sinnvoll. Bei größerem Materialaufwand bieten sich auch ein Kran, eine Hubarbeitsbühne oder ein Schubmaststapler mit Lastaufnahmemittel an.

Achtung: An die Dachrinne angelegte Leitern haben immer wieder zu schwersten Unfällen geführt. Bei PV-Dachmontagen dürfen Anlegeleitern nicht mehr eingesetzt werden, da hier der Aufbau eines Leiterganges immer möglich ist.

Abstürze beim Gerüstbau vermeiden

Bis in die 1980er Jahre galt: Beim Aufbau von Gerüsten wurde zuerst eine Standfläche, der Gerüstbelag, montiert. Auf dieser stand der Monteur ungeschützt in jeder Höhe, bekam Gerüstmaterial von anderen Beschäftigten angereicht und baute das Gerüst damit weiter. Auch beim Abbau standen Beschäftigte ungeschützt auf dem Gerüstbelag.

Bis ins Jahr 2000 galt: Auf der oberen Gerüstlage hatte sich ein Monteur mit PSAgA am Gerüstrahmen gesichert, bis das schützende Geländer aufgebaut war – oder eben nicht. Bei Aufbau und Abbau bestand Lebensgefahr, wenn die oben tätige Person sich nicht gegen Absturz sicherte.

Seit 2019 ist ein Seitenschutz beim Auf- und Abbau Pflicht auf jeder Gerüstlage, hier durch mindestens einen Geländerholm in einem Meter Höhe über der Standfläche.

Die beste Lösung ist ein systemintegrierter vorlaufender Seitenschutz. Damit lassen sich Gerüste ohne Absturzgefahr sehr zügig und ohne Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) auf- und abbauen. Für Bestandsgerüste bieten Gerüsthersteller Nachrüstmöglichkeiten an.

Die Alternative ist ein Zusatzbauteil, das in jeder Gerüstlage auf- und wieder abmontiert wird. Umgangssprachlich wird es als Montagesicherheitsgeländer (MSG), bezeichnet.

Mit den am Markt etablierten MSG können Gerüste zwar ohne Absturzgefahr sicher auf- und abgebaut werden. Beobachtungen zeigen aber, dass sich Gerüstmonteurinnen und -monteure viel zu häufig gegen den Einsatz entscheiden und damit ohne Absturzsicherung unter Lebensgefahr arbeiten. Weil es also auf den persönlichen Willen ankommt, erreichen MSG nicht das gleiche Sicherheitsniveau wie ein systemintegrierter Seitenschutz.

Im Dachfanggerüst bilden Schutzgitter oder Schutznetze eine ein bis zwei Meter hohe Schutzwand. Für die Füllung lassen sich Netze oder Drahtgeflecht verwenden.

Dachschutzwände als Seitenschutz an der Traufe

Manchmal lässt die Form eines Gebäudes kein durchgängiges Gerüstfeld zu. Das kann zum Beispiel bei einem vorgebauten Wintergarten an der Traufseite der Fall sein. Dann helfen Dachschutzwände, den Absturzbereich zu sichern.

Wichtig zu beachten:

  • Die Höhe der Dachschutzwand muss senkrecht über dem Traufziegel mindestens einen Meter betragen. Ist die Dachrinne tiefer ausgebildet, kann die Dachschutzwand nicht fachgerecht ausgebildet werden und verliert ihre Schutzwirkung.
  • Bei Schrägdächern müssen Dachplatten entfernt werden, um die notwendigen Montagehaken auf dem Sparren zu befestigen.
  • Wenn die Arbeiten aus ungesicherter Position in mehr als zwei Metern Höhe erfolgen, besteht Absturzgefahr. Daher sind aus gesichertem Stand Anschlagpunkte für ein bis drei Personen auszubilden.
  • Bei großen Dachüberständen von mehr als einem Meter lassen sich Dachschutzwände je nach Bauart und Herstellerangaben nicht immer einsetzen.

Fahrbare Arbeitsbühnen als Dachschutzwand

Fahrgerüste benötigen eine Verankerung am Bauwerk. Für den Zustieg ist in der Regel ein Leitergang erforderlich.

Sollte es im Einzelfall nicht möglich sein, einen Leitergang zu nutzen, kann auch eine Anlegeleiter verwendet werden - sofern die Aufstiegshöhe bis zur Arbeitsplattform nicht mehr als fünf Meter beträgt. Bei mehr als fünf Metern ist ein Leitergang als Zugang zur Plattform erforderlich.

Personen vor herabstürzenden Gegenständen schützen

Bei Arbeiten auf dem Dach können Gegenstände herunterfallen. Damit diese keine Personen treffen, sind Bereiche, unter denen sich Gebäudezugänge befinden, mit speziellen Abdeckungen zu sichern. Alternative: die Zugänge für die Zeit der Arbeiten sperren.

Material und Qualifizierung von Personen für den Einsatz von PSA gegen Absturz

Wird PSAgA eingesetzt, hat der Arbeitgeber die geeignete PSAgA in passender Größe für jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin zu beschaffen. Zum Material für PSAgA gehört immer ein Rettungsgerät.

Dieses Gerät, der sogenannte Rettungskit, wird benötigt, um im Seil hängende abgestürzte Personen auf den Boden abzulassen. Es muss auf jeder Baustelle vorhanden sein, da die Höhenrettung der Feuerwehren zeitlich nicht geeignet ist um Personenschäden zu verhindern, die durch das Hängen im Auffanggurt möglich sind.

Qualifizierung

Der Einsatz von PSAgA muss in Theorie und Praxis unterwiesen werden. Der Arbeitgeber erstellt eine entsprechende Betriebsanweisung.

Der Umgang mit dem Rettungskit wird am besten zusammen mit dem PSAgA-Training unterwiesen und geübt. Das festgelegte Rettungskonzept für abgestürzte Personen wird dabei geübt.

Die Hersteller der PSAgA und der Rettungsgeräte bieten üblicherweise Schulungen an.

Persönliche Schutzausrüstung und Ausrüstung für Solarmonteurinnen und -monteure beim Gerüstbau und der Gerüstnutzung

  • Ein Helm, Industriekletterhelm nach DIN EN 397, muss als Schutzhelm getragen werden, zum Beispiel mit Vier-Punkt-Kinnriemen als Schutz gegen Herunterfallen des Helmes während des Sturzes
  • Fußschutz mit Eignung für Dachflächen
  • Handschutz durch Montagehandschuhe
  • Wetterschutzkleidung

Grafik Monteuer mit Helm im Gerüstfeld.

Zur Arbeit auf dem Gerüst und auf dem Dach gehört ein Helm.

 

Andreas Warnecke