Wer an Maschinen arbeitet, hat schon von dieser Unfallgefahr gehört: eingezogen werden, weil das Arbeitsgerät lange Haare oder Teile der Kleidung erfasst. Deshalb müssen Beschäftigte, die an Maschinen tätig sind, enganliegende Kleidung tragen. Schmuck und Armbanduhren sind abzulegen, Haare zu sichern. Jeder weiß es – eigentlich. In der Praxis nehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Gefahr aber nicht immer ernst, insbesondere wenn sie noch nicht selbst betroffen waren oder einen solchen Fall nicht in der eigenen Arbeitsumgebung erlebt haben.
Als typisches Beispiel gelten Tischbohrmaschinen oder deren größere Geschwister: Ständer- und Säulenbohrmaschinen. Hier gibt es immer wieder Unfälle, bei denen Handschuhe oder Haare von der Welle erfasst und eingezogen und schwere Verletzungen verursacht werden. Dabei geraten Haare oder die meist übergroßen Handschuhe in Kontakt mit Bohrer oder Welle. Das kann einige Male gut gehen. Doch spätestens, wenn Haare oder Kleidungsteile eine volle Umrundung mit der Welle mitgelaufen sind, ist es geschehen. Das Ende des Haarstrangs oder der losen Kleidung wird durch die nächste Lage festgeklemmt und die Person, die Haare oder Kleidung lose trägt, wird in die Maschine gezogen.
Das trifft aber nicht nur für Bohrmaschinen, sondern insbesondere auch für viele Textilmaschinen zu. Welche Gefahren bestehen?
Das Fangen langer Haare
Worum es hier geht, ist an dem Beispiel der Bohrmaschine schon erläutert. Ein Kurzhaarschnitt wäre unter Sicherheitsaspekten eine sehr wirksame Maßnahme. Bei längeren Haaren ist zu beachten: Beim Vorbeugen dürfen keine Strähnen herunterhängen oder vom Kopf so weit abstehen, dass sie erfasst werden können. Das gilt es durch enganliegendes Zusammenbinden, durch enganliegendes Aufstecken, durch eine geeignete Kappe, Mütze oder durch Haarnetze zu verhindern.
Fangen loser Kleidung
Fangen heißt zum Beispiel, dass die Kleidung mit rotierenden Wellen in Kontakt kommt und sich nach einem Umlauf selbst klemmt. Bei kleinen Wellendurchmessern muss das lose Ende gar nicht besonders lang sein. Eine Rolle spielt auch die Beschaffenheit der Walzenoberfläche. Besondere Vorsicht ist bei rauen Walzen (zum Beispiel Noppengummi, Schmirgelleinwand) oder bei nassen Walzenoberflächen geboten, weil Kleidung hier besonders gut anhaftet und mitgenommen werden kann.
Was ist also geeignete Kleidung? Für die mechanische Fertigung gibt es sogar eine Norm für Schutzkleidung: DIN EN 510 „Maschinenschutzanzug“. Diese spezielle Arbeitskleidung zeichnet sich durch enganliegenden Schnitt sowie einen Bund an Ärmeln und Taille aus. Aber selbstverständlich kann auch nicht genormte Kleidung geeignet sein. Die folgende Negativ-Aufzählung hilft vielleicht bei der Einschätzung.
Ungeeignet sind: Schlabberlook ganz generell, weite Ärmel, weite Pullover, Kapuzenshirts, stark geraute Stoffe, Stoffe, die zu elektrostatischer Aufladung neigen, Schals, Krawatten. Und selbstverständlich sollte man sich nichts um Hals oder Schulter hängen (Schlüsselbänder, Werkzeugtasche usw.).
Nicht nur Wellen, sondern auch hervorstehende Bolzen, Schrauben und Ähnliches an rotierenden Maschinenteilen können Kleidung fangen.
Erfasst werden von Kleidung oder Haaren an Einzugsstellen
Eine Gefahr besteht auch an gesicherten Einzugsstellen. Während der Finger durch den schmalen Spalt zwischen Schutzeinrichtung und Walze nicht hindurchpasst, ist das für Haare oder dünne Stoffteile leicht möglich. Sie können die Schutzeinrichtung passieren und zum Beispiel in die Klemmstelle zwischen zwei Walzen gelangen. Wenn das passiert, wird man unweigerlich an die Maschine herangezogen.
Hängenbleiben an der Ware
Es ist bekannt, dass bei der Arbeit an Textilmaschinen kein Schmuck und keine Uhren getragen werden dürfen. Doch warum ist das so? Man kann an der laufenden Ware hängenbleiben. Zum Beispiel mit einem Ohrring. Vielleicht hat man noch ein kleines Stück Platz, um sich mit der Ware mitzubewegen. Falls die Maschine dann nicht sofort abgeschaltet wird und rechtzeitig zum Stillstand kommt: was dann?
Martin Steiner
Unfallbeispiele
Haare erfasst und ausgerissen
Bei Reinigungsarbeiten an einer Flechtmaschine (Baujahr 1980) lief die Antriebswelle der Spulenaufwicklung weiter. Als sich die Versicherte über die Flechtmaschine beugte, kam sie der oberhalb befindlichen Wickelwelle mit dem Kopf zu nah. Ein Büschel Haare wurde erfasst und mit der Kopfhaut ausgerissen. Die Haare waren zwar zusammengebunden, damit sie beim Vorbeugen nicht herunterhängen, nach oben hin lagen sie aber nicht dicht genug an, sodass die Gefahr durch die Spulenaufwicklung bestand. Das Abdecken der Haare mit einer Schutzkappe oder einem Haarnetz hätte den Unfall verhindert.
Haare an Rollenbahn erfasst
Es wurden Bekleidungsteile für den Versand kommissioniert. Die Teile wurden in Kartons abgelegt, die sich auf einer angetriebenen Rollenbahn befanden. Verpackungsreste wurden in Abfallkartons abgelegt, die sich unter der Rollenbahn befanden. Als sich die Versicherte zum Abfallkarton herunterbeugte, wurden ihre langen offenen Haare von den angetriebenen Rollen erfasst. Die Versicherte wurde gegen das Gestell gezogen. Zum Glück drückte eine Kollegin geistesgegenwärtig den Not-Halt, sodass keine Haare ausgerissen wurden. Die Beschäftigte erlitt Gesichtsprellungen. Um sie zu befreien, mussten Rollen demontiert werden.
Strickjacke an Spannrahmenauslauf erfasst
Bei der Griffprüfung der Ware am Spannrahmenauslauf trug ein Beschäftigter eine offene Strickjacke. Die Jacke wurde von der Walzenanordnung erfasst und der Mitarbeiter zur Maschine gezogen. Der Maschinenführer erkannte die Situation glücklicherweise und schaltete die Maschine sofort ab. Der Verletzte kam mit Prellungen und leichten Quetschungen davon, war aber an der Maschine gefangen. Um ihn zu befreien, musste die Strickjacke zerschnitten werden.
Mit Schal an Muldenmangel Wäsche eingegeben
An einer Muldenmangel, die in einem separaten und schlecht geheizten Raum stand, sollte außerhalb des normalen Arbeitsablaufs eine begrenzte Menge Wäscheteile gemangelt werden. Offenbar wegen der niedrigen Raumtemperatur ließ die Mitarbeiterin ihren Schal an. Der Schal wurde von der konstant laufenden Mangelwalze erfasst und zwischen Walze und Mulde eingezogen. Möglicherweise war die Beschäftigte vor Schreck in der Reaktion beeinträchtigt. Sie betätigte keine der vorhandenen Abschaltmöglichkeiten. Da sie sich allein im Raum aufhielt, konnte ihr niemand zuhilfe eilen. Kurze Zeit später wurde die Versicherte tot an der Mangel aufgefunden.
→ info
- DGUV Regel 112-189 „Benutzung von Schutzkleidung“: www.bgetem.de, Webcode M18324231
- Übersichtsseite Textil und Mode: www.bgetem.de, Webcode 13492488
- Aus Unfällen lernen: Flusen entfernt – Arm gebrochen: www.bgetem.de, Webcode 15114694
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