- Samstag, 18.37 Uhr: An der Trockenpartie von Papiermaschine 1 der Zanflex Feinpapier GmbH entzünden sich Papier, Staub und Öl. Es entsteht ein Lagerbrand. Starke Rauchentwicklung löst die Brandmeldeanlage aus.
- 18.40 Uhr: Schichtleiter Thomas Müller lässt den Krisenstab alarmieren. Halle 1 ist evakuiert. Zwei Arbeiter werden vermisst.
- 18.43 Uhr: Der erste Löschzug der Feuerwehr ist vor Ort.
- 18.55 Uhr: Die Mitglieder des Krisenstabs treffen auf dem Werksgelände ein und nehmen sofort die Arbeit auf.
Soweit das Szenario, das Christian Boike, einer von vier Referenten des Seminars „Krisen- und Notfallmanagement“ der BG ETEM, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorgibt. Jetzt müssen sie schnell handeln. Zwei Technische Fachberater an der Brandstelle vor Ort versorgen die Mitglieder des Krisenstabs mit Informationen über die aktuelle Lage.
Um das Geschehen möglichst lebensecht darstellen zu können, ist in einem Extraraum des Tagungshotels ein Modell des gesamten Fabrikgeländes aufgebaut. Dichter Rauch in Form von Wollknäueln dringt aus dem Dach der ersten von drei nebeneinanderliegenden Maschinenhallen.
Im Seminarraum hat sich inzwischen der sechsköpfige Krisenstab aus Leitung, stellvertretender Leitung, einer für die Lage zuständigen Mitarbeiterin, einem Protokollanten und Mitgliedern für die interne und externe Kommunikation eingerichtet. Ausgerüstet mit Sicherheitsdatenblättern zu den in der Halle gelagerten und verwendeten Stoffen, Plänen mit Angaben zu Gefahren- und Sammelpunkten, Standorten von Hydranten und Gefahrstofflagern beginnen sie, sich einen Überblick zu verschaffen und den Rettungskräften zuzuarbeiten.
Betriebliches Krisenmanagement
Arbeitsunfall, Feuer oder medizinischer Notfall: Unternehmen müssen sich auf mögliche Ernstfälle vorbereiten. Das Arbeitsschutzgesetz schreibt vor, dass Arbeitgeber personelle, organisatorische und technische Mittel zur Begrenzung von Schäden bereithalten. Im Seminar „Krisen- und Notfallmanagement“ der BG ETEM erfahren sie, wie es geht.
Wolfgang Paul, Dozent bei der BG ETEM, leitet die dreitägige Veranstaltung. Er macht klar, worauf es beim Planspiel ankommt: „Unsere Priorität liegt auf dem betrieblichen Krisenmanagement, denn die Einsatzkräfte der Feuerwehr sind genug geschult.“ Daher gelte es, sie zu unterstützen und die Folgen eines Schadensereignisses für den Betrieb abzufedern. Das reicht bis hin zum Business Continuity Management, also der Frage, wie schnell nach einem Unglück der Normalbetrieb wieder laufen kann. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Zunächst müssen die Mitglieder des Krisenstabs mit weiteren Ereignissen fertigwerden.
- 19.06 Uhr: Der Brand breitet sich aus auf Halle 2. Die Fachberater vor Ort brauchen Pläne der Schaltanlage.
- 19.15 Uhr: Die beiden vermissten Arbeiter sind gefunden. Beide leben. Ein Rettungshubschrauber bringt einen von ihnen mit Verbrennungen in eine Klinik.
- 19.20 Uhr: Jetzt brennt auch Halle 3. Beschäftigte an zwei nahegelegenen Sammelpunkten müssen erneut evakuiert werden.
Die Rettungsarbeiten sind in vollem Gang. Inzwischen ist die Feuerwehr mit einem zweiten Löschzug im Einsatz. Per Funk geben die beiden Technischen Berater vor Ort ständig die neuesten Informationen durch.
- 19.35 Uhr: Die ersten Posts in den sozialen Medien erscheinen. Darin ist von Toten und Verletzten die Rede. Vor dem Werkstor versammeln sich Vertreterinnen und Vertreter der Presse. Der Oberbürgermeister ruft an und will wissen, was los ist.
Der Krisenstab muss reagieren. Die für Kommunikation zuständigen Mitglieder bereiten Erklärungen für die Öffentlichkeit vor. Die eigenen IT-Leute werden zusätzlich auf die irreführenden Social-Media-Posts angesetzt. Der Leiter des Krisenstabs versucht, den aufgebrachten Oberbürgermeister zu beruhigen. In 14 Tagen sind Wahlen, da kann er sich keine Katastrophe in seiner Stadt erlauben.
Komprimiertes Geschehen
Wolfgang Paul gibt zu, dass die schnelle Eskalation der Lage dem Übungsziel geschuldet ist. „Natürlich ist das alles sehr komprimiert“, sagt er. „Aber es geht darum, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Handlungssicherheit bekommen.“ Diese üben sie nach einem gemeinsamen Fazit gleich in einem zweiten Szenario. Diesmal geht es um Starkregen, Sturm und einen über die Ufer tretenden Mühlgraben.
Der Krisenstab muss mit fehlenden Sandsäcken, einem überschwemmten Gefahrstofflager und aufschwimmenden Dieseltanks fertig werden. Die vier Referenten sorgen als neugierige Journalisten oder Vertreter der Wasserschutzbehörde für zusätzlichen Stress.
Abschlussbesprechung
Teilnehmerinnen und Teilnehmer ziehen ein positives Fazit der beiden Planspiele. „Das war eine gute und lehrreiche Übung“, sagt Martin Schmidt, der als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr seines Heimatortes Vorerfahrung mitbringt. Der Senior Specialist Logistics der Phoenix Contact GmbH & Co. KG in Blomberg zeigt sich zudem überrascht, dass ,,wir hier nach der kurzen Zeit, in der wir alles geübt haben, in einer fremden Umgebung die Situation abarbeiten konnten“.
Carmen Meier, die als Krisenstabsmitglied „Lage“ alle Aspekte des Szenarios erfassen und beschreiben musste, fand die Übung spannend, „weil man einen Eindruck bekommen hat, wie wichtig die Kommunikation untereinander ist.“ Die Bereichsleiterin für Quality und Performance bei Uniper Energy hat erst während der praktischen Übung gemerkt, „was genau mit den verschiedenen Rollen in einem Krisenstab gemeint ist und worauf man achten muss.“
Auch Klemens Kleiber, Fachkraft für Arbeitssicherheit bei der Albert Ziegler GmbH, betont den Wert der Kommunikation im Krisenfall. Pius Maier, der bei der Liebherr Aerospace Lindenberg GmbH für Arbeits- und Umweltschutz verantwortlich ist, schließt aus dem Planspiel, „dass wir im Betrieb einiges anpassen müssen.“
Dr. Michael Krause
→ info
Seminar „Krisen- und Notfallmanagement“ der BG ETEM (Veranstaltungs-Nr. 306): www.bgetem.de, Webcode 21788705
Mehr zum Thema Notfallmanagement lesen Sie im Beitrag: „Schnell sein, wenn's brennt“
Podcast-Folge: Notfallmanagement im Betrieb
Alle Folgen von „Ganz sicher“ gibt es hier: www.bgetem.de, Webcode 15539818
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