Maschinenrichtlinie, CE-Zeichen, Konformitätserklärung oder Einbauerklärung, Betriebsanleitung oder Montageanleitung? Die Begriffe können verwirren. Aber die Anforderungen dienen dem Ziel, für sichere Maschinen nach einem EU-weiten einheitlichen Standard zu sorgen. Wie wichtig das ist, zeigt der nachfolgende Unfall.
Eine vermeintlich sichere Anlage
Eine Produktionsanlage, die unter anderem aus Kompensator, Waschabteil, Imprägniermaschine und Spannrahmen besteht, war vor zwei Jahren in Betrieb genommen worden. Die vor- und nachgelagerten Maschinen waren damals mit CE-Zeichen und Konformitätserklärung und mit den für die Inbetriebnahme erforderlichen Schutzeinrichtungen geliefert worden. Die Wasch- und Imprägniereinheit aber kam als unvollständige Maschine. Erkennbar ist das am fehlenden CE-Zeichen und an der anstelle einer Konformitätserklärung beigefügten Einbauerklärung. Und es bedeutet, dass die Maschine noch nicht mit allen erforderlichen Schutzeinrichtungen versehen ist, die für einen sicheren Betrieb erforderlich sind. Die Einbauerklärung weist darauf hin, zum Beispiel mit dieser Formulierung:
„Die Maschine ist für den gemeinsamen Betrieb mit anderen Maschinen oder Anlagenteilen bestimmt. Die Inbetriebnahme dieser Maschine ist so lange untersagt, bis festgestellt wurde, dass die Gesamtanlage, in die sie eingebaut wurde, den Bestimmungen der EG-Richtlinie Maschinen entspricht."
Bis auf die Einbauerklärung gab es keine deutlichen Hinweise seitens des Herstellers auf die noch erforderliche Überprüfung und Ergänzung von Schutzeinrichtungen. Es war zum Beispiel wie bei verwendungsfertigen Maschinen eine Betriebsanleitung beigefügt, obwohl die Maschinenrichtlinie (MRL) für diesen Fall eine Montageanleitung vorsieht. Die anderen für die Produktionsanlage zugelieferten Maschinen waren „verwendungsfertig“ mit CE und Konformitätserklärung ausgeliefert worden. Im Betrieb kam man deshalb zu der – falschen – Einschätzung, die Maschine sei verwendungsfertig.
So wurde übersehen, dass sich im Durchgang zwischen dem Waschabteil und der Imprägniermaschine eine ungesicherte Walzeneinzugsstelle befand.
Arm eingezogen und gequetscht
Mehr als zwei Jahre lang passierte nichts. Doch dann wollte ein Bediener – die Maschine befand sich im Hochlauf nach dem Annähen eines neuen Stücks – an dieser Stelle die Warenkante glattziehen. Sein Arm wurde erfasst und eingezogen. Ein Kollege, alarmiert durch die Schreie des Mannes, stellte die Maschine sofort ab. Doch nun war der Verletzte an der Maschine gefangen und musste auf Rettung warten. Erst nach einer halben Stunde konnte die Feuerwehr den stark gequetschten Arm befreien.
Nach dem Unfall wurde das Walzenpaar gegen Zugriff gesichert, mit einer Kombination aus Schutzgitter und Schutzprofil unmittelbar vor der Einzugsstelle. Gemeinsam mit der Aufsichtsperson der BG ETEM entdeckte der Betrieb noch einige weitere Gefahrstellen an der Gesamtanlage und besserte dort ebenfalls nach.
Um Unfälle wie diesen zu vermeiden, ist eine gute Absprache zum Sicherheitskonzept zwischen dem späteren Betreiber einer Maschine und den beteiligten Herstellern sehr wichtig. Um hierbei zu unterstützen, geben die nachfolgenden Infoblöcke Auskunft über die wichtigsten Pflichten. Sie können durch Anklicken direkt zu den einzelnen Blöcken navigieren.
- Herstellerpflichten nach Maschinenrichtlinie „Maschine“
- Herstellerpflichten nach Maschinenrichtlinie „unvollständige Maschine“
- Gesamtkonformität oder einzelne CE-Maschinen?
- Pflichten des Betreibers bei der Beschaffung einer neuen Maschine
Anke Lukas/Martin Steiner
Herstellerpflichten nach Maschinenrichtlinie „Maschine“
Als „Maschine“ bezeichnet die Richtlinie ein Produkt, das komplett ist und ohne Ergänzungen oder Umbauten in Betrieb genommen werden kann.
Der Hersteller muss für das Inverkehrbringen (Artikel 5 MRL):
Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen umsetzen (Anhang 1 MRL).
Das erreicht er durch seine Risikobeurteilung, mit der er die Gefährdungen identifiziert und die geeigneten Schutzmaßnahmen festlegt. Hierbei ermittelt er auch die Restrisiken und die deshalb zum sicheren Betrieb erforderlichen Hinweise und Vorgaben in der Betriebsanleitung.
Technische Unterlagen verfügbar halten (Anhang VII, Abschnitt A MRL).
Das sind zum Beispiel Konstruktionspläne, Berechnungen, Risikobeurteilung, Entscheidungsgründe für die gewählten Schutzmaßnahmen. Die technischen Unterlagen müssen zur Überprüfung durch eine zuständige Behörde zur Verfügung gehalten werden (zum Beispiel nach einem Unfallereignis). Dem Betreiber müssen die technischen Unterlagen nicht ausgehändigt werden. Das kann aber auf freiwilliger Basis sinnvoll sein, etwa dann, wenn der Betreiber die Maschinen in eine größere Produktionsanlage integrieren will und mit späteren Umbauten zu rechnen ist.
Die Betriebsanleitung beifügen.
Die Betriebsanleitung enthält alle Informationen, die der Kunde für den bestimmungsgemäßen Gebrauch, eine sichere Arbeitsweise, Instandhaltung und Prüfung benötigt. Die Informationen zur Instandhaltung und Prüfung dienen einerseits einer sicheren Durchführung der Instandhaltungsarbeiten und andererseits der langfristigen Aufrechterhaltung eines sicheren Maschinenzustands.
Konformitätsbewertungsverfahren durchführen.
Gemeint ist die im Vorfeld der Konformitätserklärung erforderliche Überprüfung, ob die Verfahrensweise der Maschinenrichtlinie sachgerecht durchgeführt wurde und die Maschine den bei der Konzeption festgelegten Vorgaben tatsächlich entspricht.
Normalerweise wird für Textilmaschinen das Verfahren Anhang VIII MRL genutzt und nicht die aufwendigeren Verfahren nach Anhängen IX oder X.
Danach kann als letzter Schritt die Konformitätserklärung ausgestellt und die CE-Kennzeichnung angebracht werden (Anhang II, Abschnitt A MRL).
Herstellerpflichten nach Maschinenrichtlinie „unvollständige Maschine“
Die Maschinenrichtlinie gilt auch für Maschinen, die noch nicht abschließend fertiggestellt sind. Diese werden in der Richtlinie als „unvollständige Maschinen“ bezeichnet (Artikel 2 g MRL). Hierbei kann es sich um einfache Aggregate wie einen Getriebemotor handeln oder auch um komplexe Textilmaschinen, die für eine Kombination mit anderen Maschinen zu einer Gesamtanlage vorgesehen sind.
An solchen Maschinen fehlen meist lediglich die Schutzeinrichtungen an der Schnittstelle zur vor- beziehungsweise nachgelagerten Maschine, weil bei einer Kombination mit Maschinen anderer Hersteller die endgültige Konfiguration noch nicht bekannt ist. Das bedeutet aber, dass vor dem abschließenden Inverkehrbringen eine Risikobeurteilung für die zusammengefügte Gesamtanlage durchgeführt sowie die noch fehlenden Schutzmaßnahmen ergänzt werden müssen. Das Inverkehrbringen wird dann mit Bewertung, Ergänzung der noch erforderlichen Schutzmaßnahmen, Konformitätserklärung und CE-Zeichen abgeschlossen.
Werden die abschließenden Schritte des Inverkehrbringens bei einer als „unvollständig“ übergebenen Maschine unterlassen (Gefährdungsbeurteilung, Konformitätserklärung, CE-Zeichen), ist der Verstoß gegen die Maschinenrichtlinie dem Betreiber zur Last zu legen (der Betreiber wird dann nach Artikel 2 i MRL zum Hersteller).
Der Hersteller einer unvollständigen Maschine muss:
Die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen umsetzen (Anhang 1 MRL).
Dies erfolgt, soweit für die Teilmaschine sinnvoll und möglich, ebenso wie bei einer vollständigen Maschine – also mittels Risikobeurteilung, mit der die Gefährdungen identifiziert und die geeigneten Schutzmaßnahmen festgelegt werden. Hierbei ermittelt der Hersteller auch die Restrisiken und die deshalb zum sicheren Betrieb erforderlichen Vorgaben und Hinweise über die noch zu sichernden Gefahrstellen. Bei Maschinen, die für eine Kombination mit anderen Maschinen zu einer Gesamtanlage vorgesehen sind, fehlen meist lediglich die Schutzeinrichtungen an der Schnittstelle zur vor- beziehungsweise nachgelagerten Maschine.
Technische Unterlagen verfügbar halten, ebenso wie bei einer vollständigen Maschine (Anhang VII, Abschnitt B MRL).
Montageanleitung beifügen.
Anstelle einer Betriebsanleitung ist für unvollständige Maschinen eine Montageanleitung vorgesehen. Diese soll für den Gesamtersteller die bereits vorhandenen Schutzmaßnahmen beschreiben, die noch nicht gesicherten Gefährdungen benennen und Hinweise zu Sicherungsmöglichkeiten geben.
Einbauerklärung ausstellen (Anhang II, Abschnitt B MRL).
Die „unvollständige Maschine“ darf nicht mit einer Konformitätserklärung oder mit einem CE-Zeichen ausgeliefert werden. Dies wäre ein Verstoß gegen die Maschinenrichtlinie.
Gesamtkonformität oder einzelne CE-Maschinen?
Beim Zusammenfügen einzelner Textilmaschinen stellt sich die Frage, ob es ausreicht, wenn die Einzelmaschinen mit den erforderlichen Schutzmaßnahmen einschließlich Betriebsanleitung, Konformitätserklärung und CE-Zeichen ausgestattet sind, oder ob eine Gesamtkonformität erforderlich ist. In diesem Fall gibt es nur eine einzige Konformitätserklärung und ein CE-Zeichen für die gesamte Anlage.
Beides kann möglich sein. Hierzu ist auf den Internetseiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA) ein Interpretationspapier zum Thema „Gesamtheit von Maschinen“ erhältlich.
www.baua.de, Suche: Gesamtheit von Maschinen
Vollständige Einzelmaschinen
Wenn die einzelnen Maschinen einer Produktionsanlage für sich betrachtet sicher sind, können die Einzelmaschinen als „vollständig“ im Sinne der Maschinenrichtlinie betrachtet werden. Jede Maschine verfügt über eine eigenständige sicherheitsbezogene Steuerung. Die jeweiligen Einzelmaschinen können mit CE- und Konformitätserklärung in Verkehr gebracht werden. In Abbildung 2 ist diese Situation dargestellt.
Die Verwendung eines gemeinsamen Geschwindigkeitssignals oder ein gemeinsamer Steuerkreis für das Not-Stopp-Signal stehen dem nicht entgegen, sofern die Gefährdung an einer Maschine nicht zu einer Gefährdung an einer anderen Maschine führt. Das Öffnen einer Schutztür an einer Maschine setzt nur diese Maschine sicherheitsbezogen still. Für die übrigen Maschinen ist ein produktionstechnischer Stillstand ausreichend, solange deren Schutztüren geschlossen bleiben.
Unvollständige Einzelmaschinen
Sind die Maschinen „unvollständig“, das heißt nicht mit allen erforderlichen Schutzmaßnahmen versehen, muss vor der Inbetriebnahme nachgerüstet werden. Für diesen Fall sieht die Maschinenrichtlinie vor, dass die Maschine mit einer Montageanleitung (an Stelle einer Betriebsanleitung) und einer Einbauerklärung (an Stelle einer Konformitätserklärung) an denjenigen ausgeliefert wird, der die zugelieferten Teilmaschinen zu einer Maschine/Anlage komplettiert.
Die Einbauerklärung macht deutlich, dass die Maschine erst in Betrieb genommen werden darf, nachdem sie sicherheitstechnisch vervollständigt wurde. Die Montageanleitung erläutert die Aufstellung und die noch nicht gesicherten Risiken. Auch wird, soweit schon möglich, die Bedienung beschrieben. Dieser Teil der Montageanleitung fließt dann in die Betriebsanleitung der komplettierten Produktionsanlage ein.
Nachdem die Risiken beurteilt, die hierbei als erforderlich erkannten Schutzmaßnahmen ergänzt, die Konformität abschließend erklärt und das CE-Zeichen angebracht wurde, kann die Maschine verwendet werden. In Abbildung 3 ist die Situation mehrerer unvollständiger Einzelmaschinen, die zu einer Anlage komplettiert werden, dargestellt. Das Schutzkonzept und die sicherheitsbezogene Steuerung beziehen sich dann auf die gesamte Anlage.
Wenn einzelne Maschinen der Anlage als komplette Maschine und andere als „unvollständige Maschine“ geliefert werden, müssen die unvollständigen Maschinen vervollständigt werden. Je nachdem, ob für die Gesamtanlage ein sicherheitstechnischer Zusammenhang besteht oder ob die Maschinen als sicherheitstechnisch eigenständig betrachtet werden können, kann die Konformität entweder wie in Abbildung 2 oder wie in Abbildung 3 angestrebt werden.
Pflichten des Betreibers bei der Beschaffung einer neuen Maschine
Für den Betreiber gilt die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Zentrales Instrument ist die Gefährdungsbeurteilung. Arbeitsmittel dürfen erst verwendet werden, nachdem
- die Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wurde,
- die hierbei als erforderlich erkannten Schutzmaßnahmen getroffen sind und
- festgestellt wurde, dass die Maschine nach Stand der Technik sicher genutzt werden kann (§ 4 BetrSichV).
Die Gefährdungsbeurteilung soll bereits mit der Auswahl der geeigneten Arbeitsmittel, also vor dem Kauf, beginnen (§ 3 (3) BetrSichV).
Bei der Beschaffung neuer Maschinen ist insbesondere Folgendes zu beachten:
- Entspricht die Maschine den für sie geltenden Rechtsvorschriften? Hier muss sich der Betreiber mit den formalen Anforderungen der Maschinenrichtlinie befassen. Liegt also bei neu in Verkehr gebrachten „Maschinen“ die Konformitätserklärung und die CE-Kennzeichnung vor? (§ 5 (3) BetrSichV). Ist die Betriebsanleitung vorhanden?
- Die wichtigsten Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung sind bei Neumaschinen direkt aus der Betriebsanleitung zu entnehmen (Arbeitsweise, Störungsbeseitigung, Instandhaltung, Prüfungen). Die Maschine muss vom Betreiber bei der Gefährdungsbeurteilung also nicht neu erfunden werden. Dennoch ist eine abschließende Überprüfung der Maschine auf offensichtliche Mängel wichtig und muss immer stattfinden.
- Bei der Zusammenstellung einer Produktionsanlage aus Komponenten verschiedener Hersteller ist zu überlegen, welches Sicherheitskonzept angestrebt wird (CE-Einzelmaschinen oder CE für die Gesamtanlage).
- Falls „unvollständige Maschinen“ geliefert werden, ist im Vorfeld zu klären, wer für die abschließende Konformität verantwortlich ist. Im Prinzip kann diese Verantwortung auch vom späteren Betreiber übernommen werden, der damit für die sicherheitstechnisch vervollständigte Maschine selbst zum Hersteller nach Maschinenrichtlinie wird. Empfehlenswert ist es aber, mit dieser Aufgabe einen der beteiligten Hersteller zu beauftragen. Wird das versäumt, ist der Betreiber vor dem Gesetz automatisch „Hersteller“ (Artikel 2 i MRL).
→ info
- Betriebssicherheitsverordnung: www.bgetem.de, Webcode: M18857287
- Maschinenrichtlinie: www.dguv.de, Webcode d8385
- Interpretationspapier „Gesamtheit von Maschinen“: www.baua.de, Suchbegriff: Gesamtheit von Maschinen
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