Abstandswarnsystem: Mitarbeiter der LivaNova Deutschland GmbH mit Distance Control.

Ein münzgroßer Clip am Körper misst per Bluetooth die Distanz zu anderen Geräten und warnt, sobald der Sicherheitsabstand zu Kolleginnen und Kollegen zu gering wird.

Die LivaNova Deutschland GmbH gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Herz-Lungen-Maschinen. Am Standort München sind rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Unternehmen tätig. Nicht alle können im Homeoffice arbeiten, insbesondere, wenn sie in der Produktion beschäftigt sind.

Coronabedingte Abstandsregeln müssen sie trotzdem einhalten. Deshalb geht die Firma einen besonderen Weg, um ihre Beschäftigten wortwörtlich auf Abstand zu halten – mit ansteckbaren Bluetooth-Clips.

Das System dahinter heißt Distance Control, entwickelt hat es der österreichische Anbieter Safedi. Das Prinzip ist einfach: Beschäftigte tragen einen münzgroßen Clip am Körper. Der misst per Bluetooth die Distanz zu anderen Geräten und warnt sie, sobald der Sicherheitsabstand zu Kolleginnen und Kollegen zu gering wird.

Kai Kuhnen, Geschäftsführer der LivaNova Deutschland GmbH, kam über seine Tochter auf die Idee. Bei ihren Recherchen zu Infektionsschutzmaßnahmen stieß die Studentin der Wirtschaftspsychologie im Jahr 2020 auf Distance Control.

Start mit Event-Koffer

„Distance Control ist ein fester Baustein in unserem Infektionsschutzkonzept“, erklärt Gerhard Daimer. Er ist als Environment, Health and Safety Officer bei LivaNova auch für Themen des Infektionsschutzes zuständig.

Mit den Clips verfolgt das Unternehmen zwei Ziele: Das System soll einerseits Ansteckungen verhindern und zum anderen im Fall einer Infektion ermöglichen, Kontaktpersonen zu informieren, damit sie sich testen lassen können.

Im Herbst 2020 testete LivaNova zunächst bei Seminaren und Konferenzen im Haus einen Event-Koffer mit 30 Clips. „Am Anfang standen für uns ganz praktische Fragen im Vordergrund“, sagt Daimer. „Wie funktioniert das System? Wie wird es von den Kolleginnen und Kollegen angenommen?“

Die Erfahrungen waren positiv. Seit Januar 2021 setzt LivaNova flächendeckend auf das System. Seitdem stehen in den Eingangsbereichen sogenannte Hubs, quasi die Basisstationen für die Abstandswarner. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stecken sich beim Eintreffen im Betrieb ihren Clip an. Jeder Clip ist mit einer ID-Nummer codiert.

Haben Kollegen über mehr als drei Sekunden einen „Nahkontakt“ von unter 1,5 Metern, ertönt zur Warnung ein Piepton. Gleichzeitig wird der Kontakt von den Clips gespeichert. Nach Feierabend stellen die Beschäftigten ihre Clips zurück in die Station. Dort werden sie aufgeladen. Gleichzeitig speichert das System die registrierten Kontakte über die ID-Nummern in einem anonymen Kontakttagebuch. „Die Datenbank weiß dann zum Beispiel: A 19 hatte Kontakt zu E 23“, erklärt Daimer.

Datenschutz gewährleistet

„Natürlich hat jeder im Laufe eines Arbeitstages Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen. Dabei kommt man sich auch nahe. Das lässt sich unter anderem in der Produktion oft gar nicht vermeiden“, sagt Daimer. Daher hat LivaNova bereits vor Einführung des Systems alle datenschutzrechtlichen Fragen geklärt. Dabei seien sowohl Fachanwälte als auch der Betriebsrat eingebunden gewesen.

Auch die Frage, ob die Warngeräte einen Piepton abgeben sollen oder nicht, wurde im Vorfeld besprochen. „Wir haben uns für den Warnton entschieden, weil die Mehrheit der Beschäftigten das wollte“, erklärt Daimer. Natürlich habe es bei einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch Unsicherheiten gegeben. Doch die habe Gerhard Daimer im Gespräch ausräumen können.

Insgesamt seien die Erfahrungen mit dem System positiv. „99 Prozent der Beschäftigten nehmen die Geräte positiv an“, sagt Daimer. Auch für Personen, die für Handwerksarbeiten oder sonstige Besuche ins Unternehmen kommen, sind die Clips Pflicht – und kommen gut an. Dennoch sei es Ziel des Unternehmens, irgendwann mal wieder zur Normalität zurückzukehren, betont Daimer: „Leider weiß nur keiner, wann das sein wird.“