Das Bild zeigt eine Nahaufnahme von grauem Metallstaub.

Abgelagerter Metallstaub

In Dentallaboratorien werden sehr häufig Nicht-­Edelmetall-Legierungen (NEM-Legierungen) eingesetzt, um Zahnersatz in Form von Kronen oder Brücken herzustellen. Diese dentaltechnischen Werkstücke werden nach dem Gießen und Ausbetten zunächst vom Gusskegel getrennt und anschließend durch Fräsen, Schleifen und Polieren spanend bearbeitet. Die Bearbeitung erfolgt manuell am handgehaltenen Werkstück mit dem Handstück, indem jeweils rotierende Fräs-, Schleif- oder Polierwerkzeuge eingespannt werden. Das Ausarbeiten ist bei Werkstücken, die nicht durch Gießen, sondern durch Fräsen aus Vollkörpern (Blancs) hergestellt sind (z. B. Kronen und Brücken), prinzipiell identisch – allerdings nicht ganz so aufwendig.

Die Legierungen bestehen aus verschiedenen Metallen. Nicht alle verwendeten Metalle sind als Gefahrstoffe eingestuft. Eine Legierung weist aber in der Regel andere chemisch-physikalische Eigenschaften auf als die einzelnen Legierungsbestandteile. Meist bestehen die NEM-Legierungen überwiegend aus Cobalt- und Chromanteilen.

Vor diesem Hintergrund sind Unternehmen verpflichtet, eine fachkundige Gefährdungsbeurteilung nach der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) zu erstellen und regelmäßig zu aktualisieren. Die zugehörige Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 400 „Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“ unterstützt bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung und zeigt mögliche Wege auf, insbesondere durch Nutzung von Handlungshilfen (siehe dazu Teil 1 dieser Artikelserie in etem 05/2020).

Dieser Beitrag stellt die vorgeschlagene Vorgehensweise des Anhangs 1 der TRGS 400 bei Anwendung von Handlungsempfehlungen vor. Diese Handlungsempfehlung für die vorgenannten Tätigkeiten ist die aktuell überarbeitete Expositionsbeschreibung „Verarbeitung von Nichtedelmetall-Legierungen in Dentallaboratorien“ der BG ETEM vom August 2020.
Die Expositionsbeschreibung gibt eine praxisgerechte Hilfestellung und dokumentiert das Expositionsniveau bei Anwendung der Schutzmaßnahmen für das manuelle Ausarbeiten von zahntechnischen Werkstücken aus NEM-Legierungen mittels Handstück.

Festlegen der mit der Gefährdungsbeurteilung beauftragten Person

Für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung ist die Unternehmerin oder der Unternehmer verantwortlich. Diese Aufgabe dürfen nur fachkundige Personen ausführen. Verfügt die Unternehmerin oder der Unternehmer nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse, so muss sie oder er sich fachkundig beraten lassen (vgl. TRGS 400).

Erfassen der Tätigkeiten mit Gefahrstoffen

Die typischen, bereits vorstehend beschriebenen Tätigkeiten mit NEM-Legierungen finden in fast jedem Dentallabor statt. Bei den einzelnen in der Expositionsbeschreibung aufgeführten Bearbeitungsverfahren entstehen Metallstäube, die freigesetzt werden. Diese Stäube können über die Atmung in den Körper aufgenommen werden.

Außerdem ist es möglich, dass durch Hautkontakt zum Beispiel mit nickel- oder cobalthaltigen Legierungen Sensibilisierungen und in der Folge Allergien entstehen. Diese Gefährdungen müssen gesondert ermittelt und betrachtet werden, denn Gegenstand der Expositionsbeschreibung sind nur inhalative Gefährdungen.

Informationsermittlung zu den Gefahrstoffen und Tätigkeiten

Die in der Dentaltechnik eingesetzten NEM-Legierungen weisen einen Cobalt-Gehalt von 50 bis 70 Prozent, bis zu 30 Prozent Chrom und bis zu 7 Prozent Molybdän auf. Weitere Legierungsbestandteile, wie z. B. Eisen, Silicium und Mangan können in Anteilen von < 2 Prozent enthalten sein.

Die einzelnen Legierungen sind je nach Hersteller und auch in Abhängigkeit von der gewünschten bzw. notwendigen finalen Bearbeitung des zahntechnischen Werkstücks unterschiedlich zusammengesetzt. So können die Kronen und Brücken z. B. mit keramischen Überzügen (Verblendungen) versehen werden.

Tabelle 1 zeigt die Einstufung und die Arbeitsplatzgrenzwerte sowie die Beurteilungsmaßstäbe für die verwendeten Legierungsmetalle. Molybdän wird in der nachfolgenden Tabelle nicht aufgeführt, da der Stoff nicht als Gefahrstoff eingestuft ist und in Deutschland auch kein Arbeitsplatzgrenzwert oder Beurteilungsmaßstab abgeleitet wurde.

Gefahrstoff CAS-Nr. Einstufung nach CLP-Verordnung Arbeitsplatzgrenzwert nach TRGS 900
Beurteilungsmaßstab nach TRGS 910
Spitzenbegrenzung/ Überschreitungsfaktor

Cobalt 7440-48-4

Sensibilisierung der Atemwege, Kategorie 1; H334

Sensibilisierung der Haut, Kategorie 1; H317

Gewässer gefährdend, chronisch, Kategorie 4; H413

Signalwort: Gefahr

Einstufung nach TRGS 905: Krebserzeugend, Kategorie 1B

H350i
Kann beim Einatmen Krebs erzeugen

 

 

 

 

Akzeptanzkonzentration 0,0005 mg/m³*

Toleranzkonzentration 0,005 mg/m³

jeweils gemessen in der alveolengängigen Fraktion

 

 

 

 

 

 

8

Chrom 7440-47-3

nicht eingestuft

2 mg/m³

AGW

gemessen in der einatembaren Fraktion

 

1 (I)

* Anmerkung: Akzeptanzwert: 0,0005 mg/m³ (Eine Absenkung auf voraussichtlich 0,00005 mg/m³ ist in der Diskussion.)

Tabelle 1: Gefahrstoffe, deren Arbeitsplatzgrenzwerte bzw. Beurteilungsmaßstäbe und Einstufung

Quelle: Expositionsbeschreibung „Verarbeitung von Nichtedelmetall-Legierungen in Dentallaboratorien“ der BG ETEM

Handlungshilfe

Mit der TRGS 561 „Tätigkeiten mit krebserzeugenden Metallen und ihren Verbindungen“ liegt eine stoffspezifische TRGS vor. Eine stoff- und tätigkeitsbezogene Unterstützung für die Gefährdungsbeurteilung bietet die im August 2020 aktualisierte Expositionsbeschreibung „Verarbeitung von Nichtedelmetall-Legierungen in Dentallaboratorien“ der BG ETEM. Diese behandelt die inhalative Gefährdung durch Metallstäube, die beim Ausarbeiten der zahntechnischen Werkstücke entstehen können.
Grundlage der Expositionsbeschreibung bilden die Gefahrstoffmessungen des Messtechnischen Dienstes der BG ETEM beim Ausarbeiten dentaltechnischer Werkstücke aus den Jahren 2012 bis 2018.

Das Reinigen der Arbeitsbereiche oder der Werkstücke durch Abblasen mit Druckluft ist nicht gestattet.

Wer die aufgeführten Schutzmaßnahmen umgesetzt hat, kann davon ausgehen, dass die Beurteilungsmaßstäbe für die aufgeführten Metalle und ihre Verbindungen eingehalten werden. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist zu prüfen, ob dafür einzelne der vorgenannten Maßnahmen ausreichen oder eine Kombination verschiedener Maßnahmen notwendig ist.

Neben den genannten speziellen Schutzmaßnahmen sind weitere, allgemeine Schutzmaßnahmen zu treffen:

  • Beachten der Beschäftigungsbeschränkungen nach Mutterschutzgesetz sowie Jugendarbeitsschutzgesetz
  • Betriebsanweisung erstellen und bekannt machen
  • Unterweisung der Beschäftigten einschließlich arbeitsmedizinisch-toxikologischer Beratung
  • Führen eines Expositionsverzeichnisses der Beschäftigten, die Tätigkeiten mit krebserzeugenden Stoffen durchführen
  • Organisation der arbeitsmedizinischen Vorsorge.

Dokumentation und Wirksamkeitskontrolle

Bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen muss die Unternehmerin oder der Unternehmer die Gefährdungsbeurteilung nach § 6 GefStoffV dokumentieren. Als Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung sind auch Methoden und Fristen zur Überprüfung der Wirksamkeit bestehender und zu treffender Schutzmaßnahmen festzulegen.

Bei einer Anwendung der Expositionsbeschreibung bedeutet dies, dass bei Änderung des Arbeitsverfahrens oder mindestens einmal jährlich die Gültigkeit der Anwendungsvoraussetzungen zu überprüfen und das Ergebnis zu dokumentieren ist.

Erleichterung durch die Handlungshilfe?

Die Expositionsbeschreibung enthält Angaben zur Gefahrstoffexposition der Beschäftigten für die beschriebene Bearbeitung von dentaltechnischen Werkstücken aus NEM-Legierungen in Dentallaboratorien. Werden aufgeführte Schutzmaßnahmen umgesetzt, kann die Anwenderin oder der Anwender davon ausgehen, dass die Arbeitsplatzgrenzwerte eingehalten bzw. Beurteilungsmaßstäbe unterschritten werden. Damit wird gleichzeitig das Minimierungsgebot nach § 7 Abs. 4. GefStoffV umgesetzt. Zudem entfallen für das Dentallabor somit in der Regel eigene, teilweise aufwendige und kostenintensive Ermittlungen.

 

Michael Piskorz / Sebastian Seegert