Das Foto zeigt einen verletzten Radfahrer mit Schutzhelm, der auf einem Zebrastreifen liegt. Er blutet am Arm. Blutflecke sind ebenfalls auf dem Zebrastreifen. Vor ihm das Vorderrad seines Fahrrads.

432 Radfahrerinnen und Radfahrer starben 2018 in Deutschland bei Verkehrsunfällen.

Markus Buckan fehlt die Erinnerung an zwei Wochen seines Lebens. Tage, in denen er in der Kölner Uniklinik im künstlichen Koma gelegen hat, nachdem er im Oktober 2013 in einem Kreisverkehr auf seinem Fahrrad mit einem Auto zusammenstieß. Er schlug auf der Dachkante des Wagens auf und blieb bewusstlos liegen.

Geistesreife eines Sechsjährigen

Buckan war seinerzeit Leiter der Fahrradstaffel der Kölner Polizei. Seine Angehörigen begrüßte der Arzt auf der Intensivstation mit den Worten: „Ohne Helm wäre er jetzt tot.“ Zwei Wochen lang hätten seine Freunde und Verwandten sich gesorgt, ob er querschnittsgelähmt oder geistig eingeschränkt wieder aufwachen würde, erzählt der Hauptkommissar heute.

Buckan war frontal mit dem Kopf gegen das Auto gestoßen. „In diesem Teil des Gehirns sitzt das Emotionszentrum“, schildert er. „Als ich wieder wach war, hatte ich über Emotionen keine Kontrolle mehr. Ich habe in den ersten zehn Tagen wegen jeder Kleinigkeit angefangen zu heulen. Meine Geistesreife war nach dem Unfall vergleichbar mit der eines Sechsjährigen. Ich habe unter anderem immer das gesagt, was ich gerade gedacht oder gefühlt habe. Diplomatie war mir völlig fremd.“ Sein Kurzzeitgedächtnis funktionierte nicht mehr. Zudem erkannte er auf Fotos seine eigenen Kinder nicht mehr.

Inzwischen ist Markus Buckan wieder im Dienst und kerngesund. Aufs Rad steigt er auch wieder. 5.000 Kilometer spult er pro Jahr ab. Er arbeitet wieder im Verkehrsdienst. Als er vor einem Jahr nach einem schweren Unfall in der Uniklinik das Opfer auf der Intensivstation sah, verkabelt und mit ähnlichen Verletzungen wie er selbst seinerzeit, seien sofort die Erinnerungen zurückgekommen. Der Mann ist an den Folgen des Unfalls gestorben.

Polizei will Leben retten

Vier Radfahrer sind in den ersten neun Monaten 2019 bei Unfällen in Köln und Leverkusen gestorben, 179 überlebten schwer verletzt. An etwa der Hälfte aller Unfälle waren Autofahrer beteiligt. Vor allem Kopfverletzungen haben oft gravierende Folgen. „Diese zu verhindern, fordert uns als Gesellschaft“, sagt der Kölner Polizeipräsident Uwe Jacob. „Meine Kolleginnen und Kollegen sind es leid, schwer verletzte und tote Radfahrer zu sehen, schlimme Nachrichten an Angehörige zu überbringen.“

Deshalb hat seine Behörde die Aktion „Ja zum Helm“ gestartet. Jacob möchte sie nicht als „fordernden Zeigefinger“ verstanden wissen, die Polizei fordere auch keine Helmpflicht. Die Aktion solle Radfahrer zum Nachdenken und Handeln anregen. „Es ist ein schmaler Grat, ein wenig Kunststoff und Styropor, der zwischen Leben, Pflegefall oder Tod entscheidet“, sagt Jacob. Ein Grat, der weiteren seiner Kollegen bereits das Leben gerettet hat.

Helm gerissen

Dirk Hammers setzte sich 2007 nach einem Frühdienst vor dem Präsidium auf sein Rennrad, um nach Hause zu fahren. Es hatte geregnet, die Straße war noch feucht. Seine Erinnerung endet, als er von der Gummersbacher Straße zur Lanxess-Arena hochfährt. Kurz darauf findet ihn ein Passant auf der Rampe zum Deutzer Bahnhof, Hammers ist bewusstlos, der Fußgänger kümmert sich um ihn und ruft den Rettungsdienst.

Was damals genau passiert ist, weiß Hammers bis heute nicht. Sicher ist nur, dass er mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen sein muss. Sein Helm war an der linken Schläfe gerissen. Hammers erwachte erst wieder auf der Intensivstation. Nach zwei Tagen durfte er nach Hause. Vier Wochen ist der Polizist in Folge einer schweren Gehirnerschütterung dienstunfähig.

Zweimal mit dem Kopf aufgeschlagen

Der Kölner Polizist Thomas Hoffmann war 2009 ebenfalls mit seinem Fahrrad im Stadtteil Deutz unterwegs, als ihn ein entgegenkommendes Auto beim Abbiegen anfährt. Hoffmann kracht mit der Hüfte in die Windschutzscheibe, sein Kopf prallt gegen die Dachkante und er rutscht über die Motorhaube zurück auf die Straße.

Dort schlägt er ein zweites Mal mit dem Kopf auf. Sein Helm ist mehrfach gebrochen. Der Kopf des Polizisten bleibt unversehrt. Den Helm verwenden seine Kollegen von der Verkehrsunfallprävention bis heute, um bei Radfahrern Werbung für das Tragen eines Helms zu machen.

Den eigenen Sturz gefilmt

Carsten Haberland ist Mountainbiker und in seiner Freizeit viel im Gelände unterwegs – auch bei einer Tour 2014 im Bikepark in Bad Hindelang. Als der Polizist in einer Abfahrt die Kontrolle über sein Rad verliert, stürzt er über den Lenker und prallt mit dem Kopf auf dem Boden auf.

Auch Haberland ist überzeugt: Sein Helm hat ihm das Leben gerettet – oder ihn vor schweren Folgeschäden bewahrt. Wie schon zwanzig Jahre zuvor, als er 1994 am Gardasee ähnlich schwer gestürzt war. Das Video seiner Action-Kamera, die in Bad Hindelang am Helm befestigt war, besitzt Haberland heute noch. Darauf sind die Abfahrt und der Sturz dokumentiert.

Per Mail gewarnt

Als Uwe Rausch 2018 nach seinem Fahrradunfall auf dem Asphalt aufschlägt und liegen bleibt, ist noch ein Zentimeter Platz zwischen dem Bordstein und seinem Kopf. Sein Helm sitzt noch fest, ist jedoch an mehreren Stellen gebrochen. Heute nennt der Kölner Autobahnpolizist den Helm seinen „Lebensretter“.

Nach dem Unfall schrieb Rausch eine Mail an Freunde und Bekannte und fügte ein Foto des zerstörten Helms bei. „Denkt bitte an Angehörige und Freunde, wenn ihr auf das Rad steigt“, schrieb er. „Wenn ihr schwer stürzt, dann ist deren Leben eventuell erheblich ge- oder zerstört. Du bekommst es selbst vielleicht nicht mehr mit – aber die Menschen um dich herum leiden. Nur weil deine Frisur ruiniert wird oder man mit Helm doof aussieht? Das ist es nicht wert!“