Wie eine Melone, die auf die Bordsteinkante knalltOhne Fahrradhelm drohen bei Unfällen schwerste Kopfverletzungen. Fünf Kölner Polizisten berichten, wie ihnen ein wenig Plastik und Styropor auf dem Kopf das Leben rettete.https://etem.bgetem.de/2.2020/themen/wie-eine-melone-die-auf-die-bordsteinkante-knallthttps://etem.bgetem.de/@@site-logo/logo_etem_magazin.png
Wie eine Melone, die auf die Bordsteinkante knallt
Ohne Fahrradhelm drohen bei Unfällen schwerste Kopfverletzungen. Fünf Kölner Polizisten berichten, wie ihnen ein wenig Plastik und Styropor auf dem Kopf das Leben rettete.
Fahrradhelm
432 Radfahrerinnen und Radfahrer starben 2018 in Deutschland bei Verkehrsunfällen.
Markus Buckan fehlt die Erinnerung an zwei Wochen seines Lebens. Tage, in denen er in der Kölner Uniklinik im künstlichen Koma gelegen hat, nachdem er im Oktober 2013 in einem Kreisverkehr auf seinem Fahrrad mit einem Auto zusammenstieß. Er schlug auf der Dachkante des Wagens auf und blieb bewusstlos liegen.
Geistesreife eines Sechsjährigen
Buckan war seinerzeit Leiter der Fahrradstaffel der Kölner Polizei. Seine Angehörigen begrüßte der Arzt auf der Intensivstation mit den Worten: „Ohne Helm wäre er jetzt tot.“ Zwei Wochen lang hätten seine Freunde und Verwandten sich gesorgt, ob er querschnittsgelähmt oder geistig eingeschränkt wieder aufwachen würde, erzählt der Hauptkommissar heute.
Buckan war frontal mit dem Kopf gegen das Auto gestoßen. „In diesem Teil des Gehirns sitzt das Emotionszentrum“, schildert er. „Als ich wieder wach war, hatte ich über Emotionen keine Kontrolle mehr. Ich habe in den ersten zehn Tagen wegen jeder Kleinigkeit angefangen zu heulen. Meine Geistesreife war nach dem Unfall vergleichbar mit der eines Sechsjährigen. Ich habe unter anderem immer das gesagt, was ich gerade gedacht oder gefühlt habe. Diplomatie war mir völlig fremd.“ Sein Kurzzeitgedächtnis funktionierte nicht mehr. Zudem erkannte er auf Fotos seine eigenen Kinder nicht mehr.
Inzwischen ist Markus Buckan wieder im Dienst und kerngesund. Aufs Rad steigt er auch wieder. 5.000 Kilometer spult er pro Jahr ab. Er arbeitet wieder im Verkehrsdienst. Als er vor einem Jahr nach einem schweren Unfall in der Uniklinik das Opfer auf der Intensivstation sah, verkabelt und mit ähnlichen Verletzungen wie er selbst seinerzeit, seien sofort die Erinnerungen zurückgekommen. Der Mann ist an den Folgen des Unfalls gestorben.
Polizei will Leben retten
Vier Radfahrer sind in den ersten neun Monaten 2019 bei Unfällen in Köln und Leverkusen gestorben, 179 überlebten schwer verletzt. An etwa der Hälfte aller Unfälle waren Autofahrer beteiligt. Vor allem Kopfverletzungen haben oft gravierende Folgen. „Diese zu verhindern, fordert uns als Gesellschaft“, sagt der Kölner Polizeipräsident Uwe Jacob. „Meine Kolleginnen und Kollegen sind es leid, schwer verletzte und tote Radfahrer zu sehen, schlimme Nachrichten an Angehörige zu überbringen.“
Deshalb hat seine Behörde die Aktion „Ja zum Helm“ gestartet. Jacob möchte sie nicht als „fordernden Zeigefinger“ verstanden wissen, die Polizei fordere auch keine Helmpflicht. Die Aktion solle Radfahrer zum Nachdenken und Handeln anregen. „Es ist ein schmaler Grat, ein wenig Kunststoff und Styropor, der zwischen Leben, Pflegefall oder Tod entscheidet“, sagt Jacob. Ein Grat, der weiteren seiner Kollegen bereits das Leben gerettet hat.