Die sichere Verwendung von Leitern ist ein uraltes Thema. Schließlich begleiten Leitern seit jeher Menschen, die in die Höhe wollen, also einen Höhenunterschied überwinden oder an einem erhöhten Standort eine Tätigkeit verrichten wollen.
Auch wenn bei vielen Tätigkeiten auf Leitern nur in geringen Höhen gearbeitet bzw. überschaubare Höhen überwunden werden, reichen im Einzelfall bereits ein bis zwei Meter, um sich bei einem Sturz schwerwiegend zu verletzen.
Im Jahr 2018 musste die BG ETEM allein fast 2.500 meldepflichtige Arbeitsunfälle bei der Verwendung von Leitern verzeichnen. 116 Unfälle führten zu derart schweren Verletzungen, dass erstmals eine Unfallrente zu zahlen war. Es gibt also auch 2020 eine Menge zu tun, um die Zahl der Leiterunfälle nachhaltig zu senken.
Im Wesentlichen gilt es, folgenden Leiterunfällen entgegenzuwirken:
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Absturz von der Leiter
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Abrutschen auf der Leiter
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Herabspringen von der Leiter
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Umsturz mit der Leiter.
Ein direkter Absturz ist nur in seltenen Fällen zu beklagen. Er würde nur eintreten, wenn Versicherte das Gleichgewicht auf Leitern verlieren und sich nicht mehr festhalten können. Häufig sind jedoch Unfälle zu verzeichnen, bei denen Versicherte von Leitersprossen abrutschen und dadurch stürzen.
Ursache dafür ist in vielen Fällen ein zu schnelles Auf- bzw. Absteigen von der Leiter. Die Absturzhöhen sind eher gering – das Abrutschen von der 3. oder 4. Sprosse führt die „Hitliste“ an. Die Stürze führen jedoch vielfach zu schwerwiegenden Verletzungen im Bereich der Sprunggelenke und Knie.
Der vermeintliche Zeitgewinn verführt nach wie vor Beschäftigte, beim Herabsteigen von einer der unteren Sprossen oder Stufen herabzuspringen – auch hier werden regelmäßig ähnliche Verletzungen wie beim Abrutschen von Sprossen registriert. Der klassische Umsturz von Beschäftigten mit Leitern ist nach wie vor regelmäßig zu beklagen. Dabei sind die Ursachen altbekannt, u. a.:
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Wegrutschen oder Einsinken der Leiter am Aufstellort
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Wegrutschen der Leiter an der oberen Anlegestelle
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Hinauslehnen der Beschäftigten über die Leiteraufstellpunkte
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Einleitung unerwarteter hoher Kräfte in das Mensch-Leiter-System bei der Handhabung kraftbetriebener Handwerkzeuge
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Transport erhöhter Lasten oder großer sperriger Bauteile auf der Leiter.
Nur in Ausnahmefällen lassen sich die Unfallursachen auf schadhafte Leitern und so gut wie gar nicht auf mangelhafte Leiterkonstruktionen zurückführen. Unfälle sind dagegen häufig Folge einer unzureichenden Auftragsplanung, die einen zu umfangreichen Leitereinsatz nach sich zieht, ohne die Verwendung anderer sichererer Arbeitsmittel gründlich zu prüfen.
Den Beschäftigten stehen dabei nur die im Firmenfahrzeug mitgeführten Leitern zur Durchführung ihrer zeitlich umfangreichen und anspruchsvollen Arbeitsaufträge zur Verfügung.
Das Foto zeigt einen Arbeiter mit Schutzhelm und Schutzkleidung. Er hält mit beiden Händen eine Aluminiumleiter fest, mit der er an einem Container hochklettern möchte. Das Foto zeigt einen Arbeiter mit Schutzhelm und Schutzkleidung. Er hält mit beiden Händen eine Aluminiumleiter fest, mit der er an einem Container hochklettern möchte.
Als Aufstiegshilfen dürfen Leitern mit Sprossen weiter verwendet werden. Man sollte aber beim Anstellen auf tragfähigen Untergrund achten bzw. ihn mit Unterlagen schaffen.
Prägt der zeitliche Umfang des Leitereinsatzes den Aufwand eines Arbeitsauftrags, leidet darunter automatisch die Gründlichkeit bei der Leiterverwendung.
Die Folgen sind absehbar und äußern sich u. a. wie folgt:
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Die verwendete Leiterbauart ist für die Art der Tätigkeit nicht/nur bedingt geeignet.
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Die zur Verfügung stehenden Leitern sind für die erforderliche Arbeitshöhe zu kurz.
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Leitern werden beim Aufstellen nichthinreichend gegen Umkippen und Weg-rutschen gesichert.
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Leitern werden im Arbeitsablauf nicht oft genug umgestellt – die Beschäftigten lehnen sich zu weit hinaus.
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Übermäßig häufiges Auf- und Absteigen führt zu hastigen und unsicheren Bewegungsabläufen.
Die technische Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 2121 Teil 2 konkretisiert die Betriebssicherheitsverordnung. Sie definiert seit gut einem Jahr Verwendungsbeschränkungen für Leitern. Hiernach ist die Verwendung von Leitern als hoch gelegene Arbeitsplätze sowie als Zugang zu oder zum Abgang von hochgelegenen Arbeitsplätzen nur in solchen Fällen zulässig, in denen wegen der geringen Gefährdung und der geringen Dauer der Verwendung die Nutzung anderer, sichererer Arbeitsmittel nicht verhältnismäßig ist und die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass die Arbeiten sicher durchgeführt werden können. Dabei ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu prüfen, ob für die vorgesehenen Tätigkeiten keine sichereren Arbeitsmittel, z. B. Gerüste oder Hubarbeitsbühnen, verwendet werden können.
Die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes sichererer Arbeitsmittel orientiert sich im Wesentlichen am Verhältnis des Zeitaufwands zur Bereitstellung z. B. der Gerüste oder Hubarbeitsbühnen zum zeitlichen Umfang des Arbeitsauftrags.
Diskussion um Leitern als hochgelegene Arbeitsplätze
Intensive Diskussionen zur „geringen Dauer der Leiterverwendung“ fanden in den vergangenen Monaten insbesondere für die Verwendung von Leitern als hochgelegene Arbeitsplätze statt. Diese begründen sich auch in der Formulierung in TRBS 2121 Teil 2, Abs. 4.2.4.
Zunächst wird der Eindruck erweckt, die Verwendung von Leitern als Arbeitsplatz sei bis zu einer maximalen Standhöhe von 2 m ohne Einschränkungen möglich. Dieser Eindruck wird dadurch bestärkt, dass das Regelwerk eine Standhöhe zwischen 2 m und 5 m auf Leitern an die Ausführung ausschließlich zeitweiliger Arbeiten knüpft.
Zu beachten ist jedoch: Die Anforderungen für Arbeitshöhen bis 2 m sowie die für 2 m bis 5 m sind beide an folgende Bedingungen für das Arbeiten auf/von Leitern geknüpft:
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Wegen der geringen Gefährdung und der geringen Verwendungsdauer ist die Nutzung anderer, sichererer Arbeitsmittel nicht verhältnismäßig und
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die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass die Arbeiten sicher durchgeführt werden können.
Für Arbeiten auf Leitern mit Arbeitshöhen von 2 m bis 5 m definiert das Regelwerk „zeitweilige Arbeiten“ als Arbeiten mit einem Zeitraum von maximal zwei Stunden je Arbeitsschicht.
Eine Definition der geringen Verwendungsdauer für Arbeiten auf Leitern mit einer maximalen Arbeitshöhe von 2 m beinhaltet das Regelwerk hingegen nicht. Zweifellos kann es sich bei der geringen Verwendungsdauer im häufigsten Verwendungsfall von Leitern, also bei Arbeiten mit einer maximalen Standhöhe von 2 m, nicht um eine vollständige Arbeitsschicht handeln. Auch eine halbe Arbeitsschicht scheint dem Schutzziel der geringen Verwendungsdauer und damit der Chance auf sinkende Unfallzahlen durch die Verwendung von Leitern entgegenzustehen.
Vielmehr erscheint auch im Sinne einer einheitlichen zeitlichen Regelung die Beschränkung der Verwendungsdauer von Leitern als Arbeitsplatz auf maximal 2 Stunden pro Arbeitsschicht und Beschäftigten als sinnvolles Maß. Immerhin stellt dies einen 25%igen Anteil der Arbeitszeit dar, die der reinen Durchführung von Tätigkeiten auf Leitern zugestanden wird. Zeitliche Aufwendungen für den Transport, das Aufstellen sowie das Besteigen der Leitern bleiben hiervon unberücksichtigt.
Mit Blick auf die eingangs beschriebene Unfallursache des Abrutschens von Leitersprossen, aber auch im Sinne einer ergonomisch verbesserten Gestaltung, fordert TRBS 2121 Teil 2, Abs. 2.4.2, dass tragbare Leitern als hochgelegene Arbeitsplätze nur verwendet werden dürfen, wenn die Beschäftigten mit beiden Füßen auf einer Stufe oder Plattform stehen und der Standplatz auf der Leiter nicht höher als 5 m über der Aufstellfläche liegt. Seit 2018 gilt somit grundsätzlich: Leitern zur Durchführung von Arbeiten müssen über Stufen oder Plattformen verfügen.
Das Regelwerk lässt in besonders begründeten Ausnahmefällen weiterhin ein Arbeiten auf tragbaren Leitern mit Sprossen zu, begrenzt die Beispiele für Ausnahmefälle jedoch auf Arbeiten in engen Schächten oder bei der Ernte im Obstbau. Die weitere Verwendung von Sprossenleitern muss vom Arbeitgeber in der Gefährdungsbeurteilung mit Blick auf die speziellen Arbeitsplatz- oder Verfahrensrandbedingungen hinreichend begründet und dokumentiert werden.
Wir weisen darauf hin, dass ein Bestandsschutz für bereits im Unternehmen vorhandene Leitern pauschal nicht existiert. Die BG ETEM berät Sie gerne zum Einsatz von Stufenleitern und dem damit einhergehenden Austausch vorhandener Sprossenleitern.
Bei der Verwendung von Leitern als Zugang zu/Abgang von hochgelegenen Arbeitsplätzen (siehe TRBS 2121 Teil 2, Abs. 2.4.3) ist weiterhin ein maximal zu überwindender Höhenunterschied von 5 m zulässig. Auch hierbei ist sicherzustellen, dass aufgrund der geringen Gefährdung und geringen Verwendungsdauer die Nutzung anderer, sichererer Arbeitsmittel nicht verhältnismäßig ist und die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass der Zugang und Abgang sicher durchgeführt werden können.
Bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit ist u. a. zu berücksichtigen:
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Sind geeignete Aufstellflächen z. B. für Gerüste oder Hubarbeitsbühnen am Einsatzort vorhanden?
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Legen anschließende Arbeitsaufträge den Einsatz einer Hubarbeitsbühne nahe?
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Rechtfertigt der geringe zeitliche Umfang des Arbeitsauftrags die Verwendung einer Leiter?
Prüfen der Verwendung von Leitern
Bei der Gefährdungsbeurteilung zum Einsatz einer Leiter als Zugang zu/Abgang von hochgelegenen Arbeitsplätzen sind u. a. folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
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Kann die Leiter sicher gegen Wegrutschen oder Einsinken am Einsatzort aufgestellt werden?
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Bietet die bauliche Einrichtung – es kann sich natürlich auch um eine Maschine oder einen Transformator handeln – an der Anlegestelle die Möglichkeit zur Fixierung der Leiter gegen ein seitliches Verrutschen?
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Ist für die Beschäftigten ein Übersteigen von der Leiter zum hochgelegenen Arbeitsplatz und zurück ohne erhöhte Gefährdungen durch Absturz möglich und sichergestellt?
Wird die Leiter als Zugang zum Erreichen von Arbeitsplätzen sehr selten benutzt, räumt das Regelwerk (siehe TRBS 2121 Teil 2, Abs. 2.4.3) einen maximal zu überbrückenden Höhenunterschied von mehr als 5 m ein. Einerseits gibt das Regelwerk keine Orientierung für die „sehr seltene Benutzung“. Andererseits kann ein uneingeschränkt größerer Höhenunterschied jenseits von 5 m dem hohen Präventionsanspruch gegenüber Gefährdungen durch Absturz nicht gerecht werden.
Es sind daher ergänzende, auch betriebliche Regelungen zur Überbrückung großer Höhenunterschiede mittels Leitern erforderlich, die die BG ETEM auch im Einzelfall unter Berücksichtigung gewerbezweigspezifischer Gegebenheiten mit Ihnen abstimmt.
Dr. Reinhard Lux
→ info
Für Ihre Unterweisung: Riskbuster-Film zu Leiterunfällen unter
www.bgetem.de → medien-service → riskbuster-gefa-ren-auf-der-spur → riskbuster-leiterunfaelle
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