Asbest zählt zu den besonders gefährlichen krebserzeugenden Gefahrstoffen. Eingeatmete und in der Lunge verbleibende Asbestfasern können Auslöser für schwere Erkrankungen wie z. B. Asbestose, Lungenkrebs oder ein Pleuramesotheliom sein.
Seit 1993 besteht in Deutschland ein Verwendungsverbot für Asbest. Näheres dazu regelt die Gefahrstoffverordnung, insbesondere im Anhang II Nr. 1. Ausgenommen vom generellen Verbot sind die in der TRGS 519 „Asbest – Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten“ (kurz: ASI-Arbeiten) beschriebenen Tätigkeiten – z. B. an Einrichtungen, Anlagen und Gebäuden, die asbesthaltige Bauteile oder Materialien enthalten.
Besondere Anforderungen gelten, wenn die vorgesehenen Tätigkeiten mit einem Abtrag asbesthaltiger Oberflächenbeschichtungen einhergehen. Damit ist im Wasserversorgungsnetz zu rechnen, wenn Rohrleitungen oder Anlagenteile gewechselt werden müssen. Denn deren Anstrich enthält in einigen Fällen bis zu 5 Prozent Asbest. Bei diesen Tätigkeiten platzt der bis dahin intakte Anstrich durch das Lösen der Schrauben und Gewindestangen ab. Dabei können Asbestfasern in die Atemluft der Beschäftigten gelangen. Zum Schutz der Beschäftigten muss die Exposition verhindert oder minimiert werden. Deshalb dürfen für solche Tätigkeiten nur anerkannt emissionsarme Verfahren und Geräte angewandt werden.
Für das „Lösen von Schrauben und Gewindestangen sowie kleinflächige Entschichtungen von Rohrleitungen und Anlagenteilen mit asbesthaltigem Farbanstrich bei Asbestgehalten bis 5 % im Rohrleitungsnetz von Wasserversorgern“ gibt es nun das anerkannt emissionsarme Verfahren BT 45 nach DGUV Information 201-012.
Bei den Arbeiten, bei denen das neue Verfahren eingesetzt werden darf, handelt es sich um
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Revisionsarbeiten,
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Arbeiten im Störungsfall zum Tausch einzelner defekter Bauteile im Rohrleitungsnetz von Wasserversorgern oder
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Tätigkeiten zur Überprüfung von Anlagenkomponenten.
Die Arbeitsschritte umfassen das mechanische Lösen von Schrauben und Gewindestangen sowie die kleinflächige Entschichtung durch Nadeln im Bereich von Verschraubungspunkten und Flanschverbindungen.
Vorgehen und Schutzmaßnahmen
Um den Schutz der Beschäftigten zu gewährleisten, müssen die Vorgaben der Verfahrensbeschreibung zur Arbeitsabfolge, zu den erlaubten Geräten und Ausrüstungen sowie den Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Nur dann ist sichergestellt, dass die Akzeptanzkonzentration für Asbest nicht überschritten wird. Hilfreich für die Arbeitsplanung ist, dass die Dokumentation für die Arbeitsdurchführung Fotos zu einzelnen Arbeitsschritten enthält. Die Dokumentation kann heruntergeladen werden unter: www.dguv.de/medien/ifa/de/pra/asbest/b_45.pdf
Voraussetzungen für die Anwendung des Verfahrens BT 45 sind:
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Die Tätigkeiten finden im Wasserversorgungsnetz statt.
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Die asbesthaltige Beschichtung auf den Bauteilen ist noch intakt.
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Der Asbestgehalt in der Beschichtung beträgt maximal 5 Prozent.
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Es werden die in der Verfahrensbeschreibung aufgeführten Geräte, Ausrüstungen und Hilfsmittel eingesetzt.
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Die Dauer der Tätigkeiten beträgt maximal 5 Stunden pro Bauteil.
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Die Arbeiten werden von nicht mehr als 2 Personen ausgeführt.
Liegen für geplante Tätigkeiten bei Revisionen keine belastbaren Informationen zum Asbestgehalt vor, muss die Beschichtung untersucht werden. Danach kann entschieden werden, ob das Verfahren BT 45 angewandt werden muss.
Bei notwendigen Tätigkeiten zur Störungsbeseitigung ist eine vorgelagerte Materialuntersuchung meist nicht möglich. Deshalb wird hier grundsätzlich ein Vorgehen unter der Annahme empfohlen, dass asbesthaltige Beschichtungen vorhanden sind.
Vor allem folgende Schutzmaßnahmen sind erforderlich:
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Vorbereiten des Arbeitsplatzes und Bereitstellen aller aufgeführten Geräte, Zusatzausrüstungen und Hilfsmaterialien gemäß Verfahrensbeschreibung,
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Auslegen von Vlies auf dem Boden und bei Bedarf Verkleinern des Arbeitsbereiches durch Staubschutzabschottungen,
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Einsatz eines Entstaubers der Staubklasse H nach Anlage 7.1 der TRGS 519 und Absaugen unmittelbar an der Entstehungsstelle bei allen staubemittierenden Tätigkeiten,
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Falls Trennarbeiten an festsitzenden Verschraubungen erforderlich sind: Nur langsam laufende Werkzeuge einsetzen (Säbelsäge statt Trennschleifer)
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Demontierte Teile staubdicht verpacken und kennzeichnen
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Nach Arbeitsende Vlies vorsichtig zusammenrollen, ebenfalls staubdichtverpacken und der Entsorgung zuführen
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Gesamten Arbeitsbereich mit dem Entstauber reinigen und Armaturen und Leitungen im Arbeitsbereich feucht abwischen.
Weitere Einzelheiten und Hinweise sind der Verfahrensbeschreibung zu entnehmen.
Anforderungen an die Qualifikation
Die Anforderungen an die Qualifikation für Tätigkeiten ausschließlich im Rahmen von anerkannt emissionsarmen Verfahren unterscheiden sich von den Anforderungen für die übrigen ASI-Arbeiten mit Asbest. Allgemein müssen Beschäftigte, die Tätigkeiten mit einer Exposition gegenüber Asbest ausüben, fachkundig, mindestens jedoch besonders unterwiesen sein (§ 8, Abs. 7 Gefahrstoffverordnung). Die dafür notwendigen Kenntnisse können z. B. durch die Teilnahme an einer Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme „Grundkenntnisse Asbest“ gemäß Anlage 10 Nr. 1 der TRGS 519 erworben werden.
Darüber hinaus muss der weisungsbefugte Aufsichtsführende vor Ort nach TRGS 519 Nr. 2.15 mindestens die Qualifikation Q1E nach Anlage 10 der TRGS nachweisen. Es dürfen dann jedoch nur Tätigkeiten nach einem anerkannt emissionsarmen Verfahren durchgeführt werden. Im Unternehmen muss ferner eine verantwortliche, weisungsbefugte Person festgelegt werden, die
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die Schutzmaßnahmen plant,
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die notwendige Ausrüstung beschafft und für deren betriebsbereiten Zustand sorgt und
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Anweisungen zur Umsetzung der Schutzmaßnahmen gibt.
Diese Person muss für die genannten Tätigkeiten mindestens sachkundig nach Anlage 4c der TRGS 519 sein. Weitere Schutzmaßnahmen richten sich nach den Vorgaben der Verfahrensbeschreibung bzw. der TRGS 519.
Martin Bachem / Michael Piskorz
Anerkannt emissionsarme Verfahren
Für Tätigkeiten mit Exposition gegenüber Asbest beschreibt die TRGS 519 umfangreiche Schutzmaßnahmen. Erleichterungen sind möglich für solche Verfahren, die durch Behörden oder Unfallversicherungsträger als emissionsarm anerkannt sind und bei denen die Einhaltung der Akzeptanzkonzentration von 10.000 Fasern/m³ (messtechnischer Nachweis) in der Luft am Arbeitsplatz geprüft wurde. Diese anerkannten Verfahren werden in der DGUV Information 201-012 veröffentlicht. Bei deren Anwendung kann u. a. auf Freimessungen nach VDI 3492 im Arbeitsbereich verzichtet werden. Die Anerkennung können auf Antrag Arbeitsschutzbehörden oder die Unfallversicherungsträger bestätigen.
Nähere Informationen dazu gibt es in der DGUV Information 201-012:
publikationen.dguv.de, Suche „201-012“ – und www.dguv.de, Webcode d3418