Für Betreiber von Freileitungen und Bauunternehmen stellen sich Fragen hinsichtlich der Anwendbarkeit der neuen Technischen Regel zur Betriebssicherheit „Gefährdung von Beschäftigten bei der Verwendung von Leitern“ (TRBS 2121 Teil 2) insbesondere für den Einsatz von Leitern an Freileitungsmasten sowie die Verwendung von Leitern als Zugangswege an und auf Dächern:
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Welche Leitertypen erfasst der Anwendungsbereich der zur Diskussion stehenden TRBS?
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In welchem Maß greifen die Anforderungen des Regelwerks hinsichtlich der Beschränkung zu überbrückender Höhenunterschiede sowie zum zeitlichen Umfang von Arbeiten auf Leitern?
Gemäß TRBS 2121 Teil 2 bestehen Leitern aus tragbaren und/oder fahrbaren Leiterkörpern, die je nach Bauart mit Anbauteilen ausgestattet sein können. Ergänzend gibt das Regelwerk Hinweise zu Normen, die Sicherheitsanforderungen für Leitern enthalten.
Die Hinweise auf die Normengruppe DIN EN 131 „Leitern“ verdeutlicht, dass der Anwendungsbereich der TRBS ausschließlich mobile Leitern erfasst. Fest mit dem Baukörper Freileitung, also Freileitungsmasten beliebiger Bauart, verbundene Steigleitern oder leiterähnlich ausgeführte Zugangswege werden nicht von der TRBS erfasst.
Montageleitern
Montageleitern, als Hängeleitern zur Durchführung von Bau- und Instandhaltungsarbeiten konfektioniert, lassen von ihrem Erscheinungsbild zunächst vermuten, unter den Anwendungsbereich der TRBS zu fallen. Der wesentlichen Gefährdung durch Absturz wird bei Hängeleitern durch den konsequenten Einsatz Persönlicher Schutzausrüstungen gegen Absturz (PSAgA) erfolgreich entgegengewirkt. Das zentrale Schutzziel der TRBS wird somit durch die gegen Absturz gesicherte Arbeitsweise beim Einsatz von Hängeleitern erfüllt.
Die Anforderungen des Regelwerks hinsichtlich maximal zu überbrückender Höhenunterschiede können keine Anwendung finden – mögliche Absturzhöhen bewegen sich jenseits aller betrachteten Größenordnungen in der TRBS. Durch die Verwendung von Montageleitern mit konsequentem PSAgA-Einsatz sind die „Höhenanforderungen“ des Regelwerks überholt.
Die Anforderungen des Regelwerks zum Einsatz von Leitern mit Stufen oder Plattformen können ebenfalls keine Anwendung finden, da Montageleitern nur bedingt in einer definierten Position aufgehängt und abgespannt werden können. Eine horizontale Positionierung möglicher Leiterstufen ist kaum möglich.
Die Forderungen der TRBS zu vertretbaren Arbeitszeiten auf Leitern sollten auch bei der Verwendung von Montageleitern nicht unberücksichtigt bleiben. Allein die ergonomischen Belastungen für die Beschäftigten sollten den Unternehmen Ansporn genug sein, die Einsatzzeiten für derartige Tätigkeiten zu minimieren.
Dachauflegeleitern
Bei Arbeiten an Dachständern von Freileitungen ist in Abhängigkeit der Dachkonstruktion und -neigung zur Schaffung eines Zugangsweges häufig der Einsatz von Dachauflegeleitern erforderlich. Bei dieser Sonderbauform einer Leiter kommen weder klassische Sprossen noch Stufen zum Einsatz – vielmehr sind die Leiterholme über aufgesetzte Stege verbunden, die ein Auflegen der Leiter auf gedeckten Dächern ermöglichen und dabei einen gegen Wegrutschen gesicherten Zugangsweg zum Dachständer realisieren.
Wie bei den Montageleitern greift die Vielzahl der Anforderungen der TRBS nicht für diesen Leitertyp.
Durch ein gesichertes Besteigen der Dachauflegeleiter unter Verwendung von PSAgA wird die zentrale Zielsetzung des Regelwerks erreicht, Stürze von Leitern zu vermeiden.
Die Regelungen der TRBS hinsichtlich maximaler Höhenunterschiede und Standhöhen können beim Einsatz von Dachauflegeleitern keine Verwendung finden – die Leitern werden ohnehin in deutlich größeren Höhen zum Einsatz gebracht.
Vertretbare Arbeitszeiten im Sinne der TRBS sollten gleichwohl auch bei der Verwendung von Dachauflegeleitern Beachtung finden.
Im Vorfeld des Einsatzes von Dachauflegeleitern gilt es zunächst, zur Dachfläche aufzusteigen. Verfügt das Dach über keinen geeigneten Zugang, werden häufig Anlegeleitern zum Erreichen der Dachfläche eingesetzt.
Sprossenleitern
TRBS 2121 Teil 2 gestattet weiterhin die Verwendung von Sprossenleitern als Aufstieg zu und Abstieg von Arbeitsstellen. Dabei beschränkt das Regelwerk in Abs.4.2.3 den zu überbrückenden Höhenunterschied auf ≤ 5 m, räumt jedoch auch den Einsatz von Leitern zur Überwindung von Höhenunterschieden > 5 m ein, sofern die Leiter als Zugang zum Erreichen von Arbeitsplätzen sehr selten benutzt wird. Erläuterungen zum Kriterium „seltene Benutzung“ und zu einer Begrenzung des Höhenunterschiedes > 5 m enthält das Regelwerk nicht. Sicherlich kann das Maß > 5 m keinen Freibrief für das Besteigen beliebig langer Leitern darstellen – insbesondere ist eine allgemeine Festlegung im Regelwerk für zulässige Höhenunterschiede weit oberhalb 5 m nicht möglich.
Der Einsatz von Leitern zur Überbrückung von Höhenunterschieden von maximal 7 m kann grundsätzlich unter folgenden Voraussetzungen akzeptabel sein:
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Die Leitereinsätze sind Einzelfälle.
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Andere Zugänge sind nicht vorhanden.
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Der Einsatz von Hubarbeitsbühnen ist nicht möglich.
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Die Leiter wird vom Erstbesteigen-den an der oberen Anlegestelle gegen Verrutschen und Kippen gesichert.
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Der Schutz gegen Absturz ist beim Übersteigen von der Leiter zum Arbeitsplatz und zurück, z. B. durch den Einsatz von PSAgA gewährleistet (siehe dazu auch: DGUV In-formation 203-058 „Schutzgegen Absturz bei Arbeiten an elektrischen Anlagen auf Dächern“).
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Weitere Personen besteigen die Leiter unter PSAgA-Verwendung.
Abschließend ist kritisch anzumerken, dass die bauliche Ausführung von Dächern einen gesicherten Zustieg zur Dachfläche mittels Anlegeleitern unter Verwendung von PSAgA durch fehlende Anschlageinrichtungen nur in Ausnahmefällen ermöglicht. Die hier vorgestellte 7-m-Grenze ermöglicht das Besteigen eines zweigeschossigen Wohngebäudes mit gängigen Etagenhöhen.
Die BG ETEM berät Sie gerne zu Fragen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Leitern an Freileitungen.
Dr. Reinhard Lux