Ein Unfall, wie er sich täglich ereignen kann und kaum vorhersehbar ist: Claudia Schwan (Name von der Redaktion geändert), die bei einem Mitgliedsbetrieb der BG ETEM versichert ist, will einen Handwagen rückwärts aus seinem Bereitstellungsplatz ziehen. Der für eine Tragfähigkeit von 250 Kilogramm ausgelegte Wagen ist mit einem etwa 100 Kilogramm schweren Fass beladen. Plötzlich rutscht für die Mitarbeiterin völlig unerwartet der Kunststoffgriff des Handwagens vom Stahlrohr ab (großes Bild). Die schmerzhafte Folge: Claudia Schwan verliert ihr Gleichgewicht, stürzt nach hinten auf Kopf und Rücken und zieht sich dabei erhebliche Prellungen zu.
Nicht nur sie ist von der Unfallursache überrascht – auch die Verantwortlichen bei ihrem Arbeitgeber haben einen solchen Vorfall noch nicht erlebt. Systematisch prüft die Fachkraft für Arbeitssicherheit daraufhin sinnvolle Schutzmaßnahmen nach der Maßnahmenhierarchie des Arbeitsschutzgesetzes (S-T-O-P-P):
- Substitution (Gefährliches durch Gefahrloses ersetzen),
- Technische,
- Organisatorische und
- Persönliche Schutzmaßnahmen sowie
- Professionelles Verhalten.
Die 5-Schritte-Hierarchie veranschaulicht einfach die allgemeinen Grundsätze des Arbeitsschutzgesetzes (§ 4 ArbSchG) und der Abschnitte 3 und 4 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). Häufig werden auch nur die Abkürzungen „T-O-P“ oder „S-T-O-P“ verwendet. Das zweite „P“ soll zusätzlich die hohe Bedeutung des richtigen Verhaltens der Mitarbeitenden unterstreichen. Grundlagen sind hier §§ 15 und 16 des ArbSchG, konkretisiert in der Unfallverhütungsvorschrift DGUV Vorschrift 1 und der DGUV Regel 100-001.
Mit diesen Maßnahmen trug der Arbeitgeber von Claudia Schwan dem STOPP-Prinzip Rechnung:
- Substitution: Prozesse wurden geändert und Transportwege dadurch vermieden.
- Technische Schutzmaßnahmen: Alle Wagen und Sackkarren des Mitgliedsbetriebes wurden überprüft und deren Kunststoffgriffe festgenietet.
- Organisatorische Schutzmaßnahmen: Der Vorgang wurde an alle Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Schwesterunternehmen kommuniziert – mit der Aufforderung, die Schutzmaßnahmen umzusetzen.
- Persönliche Schutzmaßnahmen: Die Mitarbeitenden tragen jetzt im gesamten Bereich Sicherheitsschuhe.
- Professionelles Verhalten: Im Rahmen einer internen Kampagne zum verhaltensbasierten Arbeitsschutz wird das sichere, professionelle Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim innerbetrieblichen Transport jetzt regelmäßig thematisiert. Der aktuelle Unfall wurde zum Anlass genommen, das Thema erneut aufzugreifen. Dabei entwickelten die Beschäftigten und das Unternehmen gemeinsam Ideen, wie sich die Beschäftigten intuitiv sicher verhalten und einander dabei unterstützen können. Dazu gehört auch, auf Missstände an Arbeitsmitteln hinzuweisen – selbst wenn kein Unfall passiert ist.
Auch wenn bei diesem Unfall die Ursache hauptsächlich technischer Natur war: Das Verhalten der Beschäftigten kann fast immer dazu beitragen, mögliche Unfallursachen wie etwa Schäden an Arbeitsmitteln frühzeitig zu entdecken. Aus Studien ist bekannt, dass Fehler im menschlichen Verhalten signifikant zum Unfallgeschehen beitragen. Deswegen werden auch die Punkte 4 und 5 der Maßnahmenhierarchie in der Präventionsarbeit zunehmend bedeutsam.
Die BG ETEM bietet auch hierzu Hilfsmittel an – z. B. eine Broschüre zum „Nudging“ (deutsch: Anstupsen – siehe „info“). Sie bietet Interessierten eine systematische und schrittweise Unterstützung, das Verhalten der Mitarbeitenden zu analysieren und auf intuitive Weise zu optimieren.
→ info
Broschüre „Nudging: kreative Ideen für sicheres und gesundes Verhalten“: www.bgetem.de, Webcode 20279328
Hinweise
- Auch wenn die in diesem Beispiel genannten handbetriebenen Wagen keine Antriebsmotoren besitzen, können sie aufgrund von regelmäßigem Einsatz und Alterung verschleißen. Deshalb müssen alle Arbeitsmittel, die Einflüssen mit möglicher Schadensfolge ausgesetzt sind und gefährliche Situationen verursachen können, regelmäßig durch hierzu befähigte Personen überprüft werden.
- Die gesetzlich (ArbSchG § 5) geforderte Gefährdungsbeurteilung bietet die beste Möglichkeit, diese Prozesse, insbesondere getroffene Schutzmaßnahmen, rechtssicher zu dokumentieren.