Man sieht eine industrielle Anlage mit mehreren Zuführungsrohren in weiß, türkis und orange. Rechts unten im Bild sieht man ein weißes Hinweisschild mit der Aufschrift Zinkbad.

Kennzeichnung der Prozessbehälter

Die Oberflächenbehandlung von Werkstücken umfasst im Wesentlichen Verfahren, die Oberflächen reinigen und anschließend chemisch behandeln oder beschichten. Dazu gehören

  • das galvanische (elektrochemische) und das außenstromlose (chemische) Aufbringen von metallischen Schichten auf metallische sowie nicht-metallische Oberflächen im Tauchverfahren. Dabei werden die Werkstücke auf spezielle Gestelle aufgesteckt oder in sogenannte Trommeln gegeben und in den Prozessbädern des jeweiligen Verfahrens behandelt.
  • das Eloxieren, d. h. die anodische Oxidation von Aluminium. Dabei werden keine Beschichtungen aufgebracht, sondern die Oberfläche wird in eine technisch beständige Oxidschicht umgewandelt.

Bei diesen Tätigkeiten können Beschäftigte durch eine dermale, inhalative und – bei unzureichender Hygiene – in einigen Fällen auch orale Aufnahme von Gefahrstoffen gefährdet werden. Deshalb sind Unternehmen verpflichtet, eine fachkundige Gefährdungsbeurteilung nach Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) zu erstellen und auch regelmäßig zu aktualisieren. Die zugehörige Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 400 „Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“ unterstützt bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung und zeigt mögliche Wege auf, insbesondere durch Nutzung von Handlungshilfen (siehe „etem“ 5/2020, S. 18/19).

In diesem Beitrag wird die im Anhang 1 der TRGS 400 vorgeschlagene Vorgehensweise in Verbindung mit Empfehlungen zur Gefährdungsermittlung der Unfallversicherungsträger (EGU) nach der Gefahrstoffverordnung für die Galvanotechnik und das Eloxieren (DGUV Information 213-716) vorgestellt. Diese Empfehlungen sind eine praxisgerechte Hilfestellung und dokumentieren das Expositionsniveau, das bei Anwendung der Schutzmaßnahmen und der branchenüblichen Betriebs- und Verfahrensweisen erreicht werden kann. 

Die mit der Gefährdungsbeurteilung beauftragte Person festlegen

Für die Erstellung und Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung ist die Unternehmerin oder der Unternehmer verantwortlich. Die Gefährdungsbeurteilung darf nur von fachkundigen Personen vorgenommen werden. Verfügt die Unternehmerin oder der Unternehmer nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse, so muss eine fachkundige Beratung in Anspruch genommen werden (vgl. TRGS 400).

Tätigkeiten mit Gefahrstoffen erfassen – auch die, bei denen Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden

Neben Tätigkeiten direkt an den Prozessbehältern werden kurzfristige Arbeiten oder Nebenarbeiten häufig unterschätzt, bei denen eine Exposition gegenüber Gefahrstoffen besteht. Dies sind z. B.

  • Umfüllen von Flüssigkeiten,
  • Probennahme und Pflege der Prozessflüssigkeit,
  • Kontrollgänge an Automaten und Anlagen,
  • Aufhängen und Abnehmen von Werkstücken,
  • Befüllen und Entleeren von Trommeln,
  • Entleeren und Reinigen von Prozessbehältern und
  • Entsorgen der Rückstände aus den Anlagen.

Ferner können Beschäftigte bei Instandhaltungsarbeiten, beispielsweise durch unerwartet austretende Gefahrstoffe bzw. deren Restmengen, besonders gefährdet sein, da die prozessbedingt wirkenden Schutzmaßnahmen häufig ausgeschaltet sind.

Das Bild zeigt eine automatische Gestellanlage für Galvanotechnik. Man sieht große, weiße Rohre und orangefarbene hängende Elemente entlang einer Fertigungsstraße in einer Werkshalle.

Blick in eine automatische Trommelanlage mit Lüftungskabine am Beschickungswagen

Informationen zu Gefahrstoffen und Tätigkeiten ermitteln

Einzelne Parameter der Arbeitsverfahren und Anlagentechnik können bei den jeweiligen Beschichtungsverfahren stark variieren. Die Exposition der Beschäftigten wird im Wesentlichen beeinflusst von

  • den verwendeten und freigesetzten Gefahrstoffen,
  • der Konzentration der Einsatzstoffe im Prozessbehälter,
  • der Anlagentechnik einschließlich der eingesetzten Schutzmaßnahmen,
  • den Verfahrensparametern,
  • den raumlufttechnischen Verhältnissen und
  • der Expositionsdauer.

Verfahrensbezogene Daten, Expositionen und geeignete Schutzmaßnahmen beschreibt die DGUV Information 213-716 „Galvanotechnik und Eloxieren“ für

  • Vorbehandlungsverfahren (Polieren, Glänzen, Reinigen, Dekapieren, Beizen etc.),
  • Beschichtungsverfahren (Verchromen, Vernickeln, Verkupfern, Verzinken, Vergolden, Eloxieren etc.) und
  • die Nachbehandlung (Chromatieren, Phosphatieren)

unter Berücksichtigung der jeweiligen Anlagentechnik (manuell bediente Anlagen, automatische Anlagen, Aufsteck- und Abnahmestationen, Trommelbe- und -entladung etc.).

Bei Verfahren der galvanotechnischen oder chemischen Oberflächenbehandlung kann eine inhalative Exposition (Belastung in der Atemluft, d. Red.) gegenüber krebserzeugenden Metallen und ihren anorganischen Verbindungen auftreten. Dabei können Beschäftigte z. B.  gegenüber

  • Chrom(VI)-Verbindungen (insbesondere bei dem Hartverchromen, dem Glanz- und Schwarzverchromen sowie beim Chromatieren und Beizen mit Chromsäure),
  • Nickelverbindungen (beim chemischen und galvanischen Vernickeln) oder
  • Cobalt (z. B. nach der Blaupassivierung beim Verzinken)

ausgesetzt sein.

Die TRGS 561 „Tätigkeiten mit krebserzeugenden Metallen und ihren Verbindungen“ konkretisiert in diesem Fall die Anforderungen der GefStoffV. Die in Tabelle 1 der TRGS 561 aufgeführten Beurteilungsmaßstäbe für krebserzeugende Metalle und ihre Verbindungen müssen unterschritten werden:

Beurteilungsmaßstäbe für krebserzeugende Metalle

Stoff Beurteilungsmaßstab
Überschreitungs-faktor Quelle

Arsenverbindungen, als Carc. 1A, Carc. 1B eingestuft

TK
AK

8,3 μg/m³ (E)
0,83 µg/m³ (E)

8

TRGS 910

Beryllium und Berylliumverbindungen

AGW
AGW

0,14 μg/m³ (E)
0,06 µg/m³ (A)

1

TRGS 900

Cadmium und anorganische Cadmiumverbindungen, als Carc. 1A, Carc. 1B eingestuft

TK
AK

1,0 μg/m³ (E)
0,16 µg/m³ (A)

8

TRGS 910

Chrom (VI)-Verbindungen

BM

1,0 μg/m³ (E)

8

TRGS 910

Cobalt und Cobaltverbindungen, als Carc. 1A, Carc. 1B eingestuft

TK
AK

5,0 μg/m³ (A)
0,5 µg/m³ (A)

8

TRGS 910

Nickelverbindungen, als Carc. 1A, Carc. 1B eingestuft

TK
AK

6,0 μg/m³ (A)*
6,0 µg/m³ (A)

8

TRGS 910

TK = Toleranzkonzentration
AK = Akzeptanzkonzentration
AGW = Arbeitsplatzgrenzwert
BM = Beurteilungsmaßstab, risikobasiert
(A) Alveolengängige Fraktion
(E) Einatembare Fraktion
* Die Toleranzkonzentration wurde aufgrund der nicht krebserzeugenden Wirkung festgelegt. Dieser Wert stimmt in diesem Fall mit der Höhe der Akzeptanzkonzentration überein, der Bereich des mittleren Risikos entfällt damit.
(Quelle: TRGS 561)

Gibt es eine Handlungshilfe im Sinne der TRGS 400?

Diese Frage kann im angeführten Beispiel mit „Ja“ beantwortet werden. Mit der TRGS 561 liegt zunächst eine stoffspezifische TRGS vor, die durch die DGUV Regel 109-602 „Branche Galvanik“ ergänzt wird.

Konkrete Unterstützung für die Gefährdungsbeurteilung bietet die DGUV Information 213-716. Diese Information wurde aktuell überarbeitet und wird in Kürze veröffentlicht. 

Maßnahmen durchführen

Die DGUV Information 213-716 enthält detaillierte tätigkeits- bzw. prozessbezogene Hinweise und Informationen zu den Tätigkeiten selbst und den dabei auftretenden Gefahrstoffen. Sie benennt u. a. für die einzelnen untersuchten Verfahren konkrete Schutzmaßnahmen zur Minderung der inhalativen Exposition:

  • emissionsmindernde Maßnahmen z. B. der Einsatz von Netzmitteln (Schaumabdeckung),
  • geschlossene Prozessbehälter (mechanische Abdeckung) mit Absaugung,
  • wirksame technische Lüftung an den offenen Prozessbehältern, in der Regel konstruktiv ausgeführt als lokale Erfassung an den Rändern der Prozessbehälter (einseitige- / zweiseitige Randabsaugung),
  • Lüftungskabine am Beschickungswagen,
  • wirksame raumlufttechnische Anlage (Ausgleich der Luftbilanz, Versorgung der Arbeitsbereiche mit Frischluft),
  • Entleeren der Prozessbehälter und Abspülen der Werkstücke vor dem Öffnen der Anlage,
  • Absaugschlitze der Absaugung nicht durch Anoden oder Material verdecken,
  • Einhaltung der vorgeschriebenen Elektrolytparameter nach Herstellerangaben,
  • regelmäßige Prüfung der Absaugung und der raumlufttechnischen Anlage,
  • regelmäßige Reinigung der Absaugkanäle und Absaugschlitze, insbesondere Entfernen der Ablagerungen,
  • sofortiges Beseitigen von Korrosionsschäden.

Anhand zahlreicher durchgeführter Gefahrstoffmessungen in einer Vielzahl von Unternehmen kann das Expositionsniveau bei Anwendung der branchenüblichen Betriebs- und Verfahrensweisen und den jeweils notwendigen Schutzmaßnahmen eingeschätzt werden.

Hat der Unternehmer oder die Unternehmerin die aufgeführten Schutzmaßnahmen umgesetzt, kann er oder sie davon ausgehen, dass die Beurteilungsmaßstäbe für die jeweils eingesetzten Metalle und ihre Verbindungen eingehalten werden. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist zu prüfen, ob dafür einzelne der vorgenannten Maßnahmen ausreichen oder eine Kombination verschiedener Maßnahmen umzusetzen ist.

Neben diesen speziellen Schutzmaßnahmen sind immer weitere, allgemeine Schutzmaßnahmen zu treffen:

  • Beschäftigungsbeschränkungen nach Mutterschutz- und Jugendarbeitsschutzgesetz beachten,
  • Betriebsanweisung erstellen und bekannt machen,
  • Beschäftigte unterweisen (einschließlich arbeitsmedizinisch-toxikologischer Beratung),
  • Expositionsverzeichnis der Beschäftigten führen, die Tätigkeiten mit krebserzeugenden Stoffen durchführen und
  • arbeitsmedizinische Vorsorge organisieren.

Dokumentation und Wirksamkeitskontrolle

Bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen muss die Unternehmerin oder der Unternehmer die Gefährdungsbeurteilung nach § 6 GefStoffV dokumentieren. Bestandteil der Dokumentation sind auch Methoden und Fristen zur Überprüfung der Wirksamkeit bestehender und zu treffender Schutzmaßnahmen.

Bei Anwendung der DGUV Information 213-716 bedeutet dies, im Falle einer Änderung des Oberflächenbehandlungsverfahrens oder sonst mindestens einmal jährlich die Aktualität dieser Schrift zu überprüfen und das Ergebnis zu dokumentieren bzw. die Gefährdungsbeurteilung entsprechend anzupassen. 

Erleichterung durch Anwendung der Handlungshilfe

Die DGUV Information 213-716 beschreibt typische Werte bzw. Parameter zu einzelnen Oberflächenbehandlungsverfahren, der Anlagentechnik sowie Tätigkeiten und macht Angaben zur Gefahrstoffexposition der Beschäftigten in den einzelnen Arbeitsbereichen. Damit entfallen in der Regel eigene, teilweise aufwendige und kostenintensive Ermittlungen. Halten Unternehmen die beschriebenen Verfahrensparameter sowie die Schutzmaßnahmen ein, ist davon auszugehen, dass die Beurteilungsmaßstäbe für die aufgeführten Gefahrstoffe eingehalten werden.  

 

Michael Piskorz / Sebastian Seegert