
Blick in eine automatische Trommelanlage mit Lüftungskabine am Beschickungswagen
Informationen zu Gefahrstoffen und Tätigkeiten ermitteln
Einzelne Parameter der Arbeitsverfahren und Anlagentechnik können bei den jeweiligen Beschichtungsverfahren stark variieren. Die Exposition der Beschäftigten wird im Wesentlichen beeinflusst von
- den verwendeten und freigesetzten Gefahrstoffen,
- der Konzentration der Einsatzstoffe im Prozessbehälter,
- der Anlagentechnik einschließlich der eingesetzten Schutzmaßnahmen,
- den Verfahrensparametern,
- den raumlufttechnischen Verhältnissen und
- der Expositionsdauer.
Verfahrensbezogene Daten, Expositionen und geeignete Schutzmaßnahmen beschreibt die DGUV Information 213-716 „Galvanotechnik und Eloxieren“ für
- Vorbehandlungsverfahren (Polieren, Glänzen, Reinigen, Dekapieren, Beizen etc.),
- Beschichtungsverfahren (Verchromen, Vernickeln, Verkupfern, Verzinken, Vergolden, Eloxieren etc.) und
- die Nachbehandlung (Chromatieren, Phosphatieren)
unter Berücksichtigung der jeweiligen Anlagentechnik (manuell bediente Anlagen, automatische Anlagen, Aufsteck- und Abnahmestationen, Trommelbe- und -entladung etc.).
Bei Verfahren der galvanotechnischen oder chemischen Oberflächenbehandlung kann eine inhalative Exposition (Belastung in der Atemluft, d. Red.) gegenüber krebserzeugenden Metallen und ihren anorganischen Verbindungen auftreten. Dabei können Beschäftigte z. B. gegenüber
- Chrom(VI)-Verbindungen (insbesondere bei dem Hartverchromen, dem Glanz- und Schwarzverchromen sowie beim Chromatieren und Beizen mit Chromsäure),
- Nickelverbindungen (beim chemischen und galvanischen Vernickeln) oder
- Cobalt (z. B. nach der Blaupassivierung beim Verzinken)
ausgesetzt sein.
Die TRGS 561 „Tätigkeiten mit krebserzeugenden Metallen und ihren Verbindungen“ konkretisiert in diesem Fall die Anforderungen der GefStoffV. Die in Tabelle 1 der TRGS 561 aufgeführten Beurteilungsmaßstäbe für krebserzeugende Metalle und ihre Verbindungen müssen unterschritten werden:
Beurteilungsmaßstäbe für krebserzeugende Metalle
Stoff |
Beurteilungsmaßstab |
Überschreitungs-faktor |
Quelle |
Arsenverbindungen, als Carc. 1A, Carc. 1B eingestuft
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TK AK
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8,3 μg/m³ (E) 0,83 µg/m³ (E)
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8
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TRGS 910
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Beryllium und Berylliumverbindungen
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AGW AGW
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0,14 μg/m³ (E) 0,06 µg/m³ (A)
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1
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TRGS 900
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Cadmium und anorganische Cadmiumverbindungen, als Carc. 1A, Carc. 1B eingestuft
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TK AK
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1,0 μg/m³ (E) 0,16 µg/m³ (A)
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8
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TRGS 910
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Chrom (VI)-Verbindungen
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BM
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1,0 μg/m³ (E)
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8
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TRGS 910
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Cobalt und Cobaltverbindungen, als Carc. 1A, Carc. 1B eingestuft
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TK AK
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5,0 μg/m³ (A) 0,5 µg/m³ (A)
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8
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TRGS 910
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Nickelverbindungen, als Carc. 1A, Carc. 1B eingestuft
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TK AK
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6,0 μg/m³ (A)* 6,0 µg/m³ (A)
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8
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TRGS 910
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TK = Toleranzkonzentration AK = Akzeptanzkonzentration AGW = Arbeitsplatzgrenzwert BM = Beurteilungsmaßstab, risikobasiert (A) Alveolengängige Fraktion (E) Einatembare Fraktion * Die Toleranzkonzentration wurde aufgrund der nicht krebserzeugenden Wirkung festgelegt. Dieser Wert stimmt in diesem Fall mit der Höhe der Akzeptanzkonzentration überein, der Bereich des mittleren Risikos entfällt damit. (Quelle: TRGS 561)
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Gibt es eine Handlungshilfe im Sinne der TRGS 400?
Diese Frage kann im angeführten Beispiel mit „Ja“ beantwortet werden. Mit der TRGS 561 liegt zunächst eine stoffspezifische TRGS vor, die durch die DGUV Regel 109-602 „Branche Galvanik“ ergänzt wird.
Konkrete Unterstützung für die Gefährdungsbeurteilung bietet die DGUV Information 213-716. Diese Information wurde aktuell überarbeitet und wird in Kürze veröffentlicht.
Maßnahmen durchführen
Die DGUV Information 213-716 enthält detaillierte tätigkeits- bzw. prozessbezogene Hinweise und Informationen zu den Tätigkeiten selbst und den dabei auftretenden Gefahrstoffen. Sie benennt u. a. für die einzelnen untersuchten Verfahren konkrete Schutzmaßnahmen zur Minderung der inhalativen Exposition:
- emissionsmindernde Maßnahmen z. B. der Einsatz von Netzmitteln (Schaumabdeckung),
- geschlossene Prozessbehälter (mechanische Abdeckung) mit Absaugung,
- wirksame technische Lüftung an den offenen Prozessbehältern, in der Regel konstruktiv ausgeführt als lokale Erfassung an den Rändern der Prozessbehälter (einseitige- / zweiseitige Randabsaugung),
- Lüftungskabine am Beschickungswagen,
- wirksame raumlufttechnische Anlage (Ausgleich der Luftbilanz, Versorgung der Arbeitsbereiche mit Frischluft),
- Entleeren der Prozessbehälter und Abspülen der Werkstücke vor dem Öffnen der Anlage,
- Absaugschlitze der Absaugung nicht durch Anoden oder Material verdecken,
- Einhaltung der vorgeschriebenen Elektrolytparameter nach Herstellerangaben,
- regelmäßige Prüfung der Absaugung und der raumlufttechnischen Anlage,
- regelmäßige Reinigung der Absaugkanäle und Absaugschlitze, insbesondere Entfernen der Ablagerungen,
- sofortiges Beseitigen von Korrosionsschäden.
Anhand zahlreicher durchgeführter Gefahrstoffmessungen in einer Vielzahl von Unternehmen kann das Expositionsniveau bei Anwendung der branchenüblichen Betriebs- und Verfahrensweisen und den jeweils notwendigen Schutzmaßnahmen eingeschätzt werden.
Hat der Unternehmer oder die Unternehmerin die aufgeführten Schutzmaßnahmen umgesetzt, kann er oder sie davon ausgehen, dass die Beurteilungsmaßstäbe für die jeweils eingesetzten Metalle und ihre Verbindungen eingehalten werden. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist zu prüfen, ob dafür einzelne der vorgenannten Maßnahmen ausreichen oder eine Kombination verschiedener Maßnahmen umzusetzen ist.
Neben diesen speziellen Schutzmaßnahmen sind immer weitere, allgemeine Schutzmaßnahmen zu treffen:
- Beschäftigungsbeschränkungen nach Mutterschutz- und Jugendarbeitsschutzgesetz beachten,
- Betriebsanweisung erstellen und bekannt machen,
- Beschäftigte unterweisen (einschließlich arbeitsmedizinisch-toxikologischer Beratung),
- Expositionsverzeichnis der Beschäftigten führen, die Tätigkeiten mit krebserzeugenden Stoffen durchführen und
- arbeitsmedizinische Vorsorge organisieren.
Dokumentation und Wirksamkeitskontrolle
Bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen muss die Unternehmerin oder der Unternehmer die Gefährdungsbeurteilung nach § 6 GefStoffV dokumentieren. Bestandteil der Dokumentation sind auch Methoden und Fristen zur Überprüfung der Wirksamkeit bestehender und zu treffender Schutzmaßnahmen.
Bei Anwendung der DGUV Information 213-716 bedeutet dies, im Falle einer Änderung des Oberflächenbehandlungsverfahrens oder sonst mindestens einmal jährlich die Aktualität dieser Schrift zu überprüfen und das Ergebnis zu dokumentieren bzw. die Gefährdungsbeurteilung entsprechend anzupassen.
Erleichterung durch Anwendung der Handlungshilfe
Die DGUV Information 213-716 beschreibt typische Werte bzw. Parameter zu einzelnen Oberflächenbehandlungsverfahren, der Anlagentechnik sowie Tätigkeiten und macht Angaben zur Gefahrstoffexposition der Beschäftigten in den einzelnen Arbeitsbereichen. Damit entfallen in der Regel eigene, teilweise aufwendige und kostenintensive Ermittlungen. Halten Unternehmen die beschriebenen Verfahrensparameter sowie die Schutzmaßnahmen ein, ist davon auszugehen, dass die Beurteilungsmaßstäbe für die aufgeführten Gefahrstoffe eingehalten werden.
Michael Piskorz / Sebastian Seegert