Moderne Luftbefeuchtungsanlagen ermöglichen viele technische Vorgänge und Abläufe bei der Verarbeitung von Papier und/oder Folie. Eine Reihe technischer Prozesse kann nur unter Einhaltung einer bestimmten Luftfeuchtigkeit durchgeführt werden. Für diese Arbeitsbereiche sind Luftbefeuchtungseinrichtungen erforderlich, die den Feuchtegehalt in der Raumluft erhöhen (siehe Kasten).
Doch welchen Einfluss haben Luftbefeuchtungssysteme bzw. die Luftfeuchtigkeit auf Viren, insbesondere das SARS-CoV-2-Virus? Müssen in der derzeitigen epidemiologischen Lage bei Nutzung einer Luftbefeuchtungsanlage zusätzliche Maßnahmen getroffen werden?
Hintergrund
Luftbefeuchtung in der Druck- und papierverarbeitenden Industrie
Bei zu trockener oder zu feuchter Luft können prozesstechnische Probleme sowohl in der Druckvorstufe wie auch bei der Papierlagerhaltung und beim Druck auftreten.
Papier ist ein hygroskopisches, d. h. wasseranziehendes Material, das so lange Feuchtigkeit aus der Umgebung aufnimmt, bis es eine Gleichgewichtsfeuchte erreicht hat. Ist die Luft zu trocken, gibt das Papier einen Teil seines Wassergehalts an die Umgebungsluft ab. Die reibungslose Verarbeitung von Papier ist vor allem während der Heizperiode ohne zusätzliche Luftbefeuchtung oft nicht möglich.
Papierlagerhaltung – Größenänderung des Papierformats
Papier quillt oder schrumpft in Abhängigkeit von der Luftfeuchtigkeit, bei der es gelagert oder verarbeitet wird. Schon eine Änderung der Luftfeuchtigkeit um 10 % relative Luftfeuchte kann Längenänderungen von 0,1 bis 0,2 % verursachen. Es können Planlage-Abweichungen auftreten, das Papier tellert oder der Rand wird wellig. Dadurch entstehen qualitätsmindernde Passerdifferenzen.
Elektrostatische Aufladung des Bedruckstoffes
Ursache der beim Druckprozess aufeinander haftenden Papierbögen ist in den meisten Fällen eine elektrostatische Aufladung. Folien aus Kunststoff reagieren diesbezüglich noch stärker. Die Folgen sind u. a.:
- gleichzeitiges Ansaugen mehrerer Bögen,
- Passerdifferenzen durch schlechten Bogenlauf in der Maschine,
- schlechte Stapellage in der Auslage.
Elektronische Geräte in der Druckvorstufe
Viele in der Druckvorstufe verwendeten elektronischen Geräte benötigen ein definiertes Raumklima, um störungsfrei zu funktionieren. Auch die Probleme mit elektrostatischer Aufladung können durch eine entsprechende Luftfeuchtigkeit beseitigt oder zumindest deutlich reduziert werden. Eine konstante Luftfeuchte von 50 bis 65 % relative Luftfeuchte ist daher wichtig.
Aktuelle Diskussion: Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf die Aerosolverteilung
Die Hauptübertragungswege für SARS-CoV-2 sind das Einatmen von Tröpfchen und Aerosolen einer infizierten Person. Sowohl Tröpfchen als auch Aerosole entstehen beim Atmen, Sprechen, Singen, Husten und Niesen.
Tröpfchen haben eine Größe von mehr als 5 µm, während Aerosole feinste luftgetragene Flüssigkeitspartikel mit einem Durchmesser von kleiner 5 µm sind. Größere Tröpfchen sind schwerer und sinken schneller zu Boden als die kleineren und leichteren Aerosole. Aerosole können so über längere Zeit in der Luft schweben und verteilen sich in geschlossenen Räumen über einen weiten Bereich.
Ein Team aus Wissenschaftlern des Leipziger Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) und des CSIR-National Physical Laboratory in New Delhi hat zur Klärung des Einflusses der Luftbefeuchtung zehn internationale Studien ausgewertet. Danach wird die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 über Aerosole in Innenräumen offenbar stark von der Luftfeuchtigkeit beeinflusst. Die Wissenschaftler führen dies darauf zurück, dass eine niedrige Luftfeuchtigkeit die Tröpfchen mit Viren zwar schneller austrocknen lasse, die Überlebensfähigkeit der Viren dabei trotzdem hoch zu bleiben schien. […] Liegt die relative Luftfeuchtigkeit der Raumluft unter 40 Prozent, dann würden die von Infizierten ausgestoßenen Partikel weniger Wasser aufnehmen, blieben leichter, flögen weiter durch den Raum und würden eher von Gesunden eingeatmet […], so die Forscher.
Das Leipziger und indische Forscherteam empfiehlt daher, […] neben den bisher üblichen Maßnahmen wie Abstand und Masken auch die Raumluftfeuchtigkeit zu regulieren. Die Luftfeuchtigkeit sollte nicht unter 40 Prozent liegen; dies könne die Ausbreitung der Viren und die Aufnahme über die Nasenschleimhaut reduzieren. […]
Prof. Dr.-Ing. Martin Kriegel ist Leiter des Hermann-Rietschel-Instituts der TU Berlin und forscht unter anderem an der Ausbreitung von Aerosolen. Er vertritt bezüglich des Einflusses der Luftfeuchtigkeit eine abweichende Meinung. Nach seiner Ansicht spielt die Luftfeuchtigkeit bei der Aerosolbewegung keine Rolle: […] Natürlich haben diese Partikel einen Flüssigkeitsanteil, der bei trockener Luft schneller verdunstet, wodurch die Aerosole kleiner werden. Das bedeutet aber nicht, dass die Teilchen noch idealer luftgetragen werden. […]
Zwischenbilanz
Es ist derzeit ungewiss, ob eine relative Luftfeuchtigkeit von 50 bis 60 %, wie sie häufig aus prozesstechnischen Gründen in der Druck- und papierverarbeitenden Industrie einreguliert wird, einen positiven oder einen zu vernachlässigenden Effekt auf die Ausbreitung von virenbelasteten Aerosolen hat.
Es gibt keine Erkenntnisse oder Hinweise darauf, bestehende Luftbefeuchtungsanlagen abzuschalten. Zum Weiterbetrieb der Anlagen müssen allerdings nachfolgende Punkte zwingend im Betrieb umgesetzt werden – diese Anforderungen gelten übrigens immer, unabhängig von der derzeitigen Pandemie.
Instandhaltung der Anlagen
Auch wenn davon ausgegangen werden darf, dass durch die prozessbedingte Luftfeuchte mit keiner erhöhten Infektionsgefährdung mit SARS-CoV-2-Viren zu rechnen ist, kann bei unsachgemäßem Gebrauch dieser Anlagen eine Gefährdung für die Beschäftigten auftreten.
Nach der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A3.6 „Lüftung" müssen raumlufttechnische Anlagen – dazu gehören auch Luftbefeuchtungsanlagen – dem Stand der Technik entsprechen und bestimmungsgemäß betrieben werden. Dazu gehört:
- Für den Betrieb und die Instandhaltung dieser Anlagen müssen die möglichen Gefährdungen, die von der Anlage ausgehen können, bewertet und ggf. Schutzmaßnahmen vorgesehen werden. Einerseits muss dies im Hinblick auf die Beschäftigten, die der Anlage ausgesetzt sind, erfolgen und andererseits auch für das Personal, das Instandhaltungsarbeiten an der Anlage durchführt.
- Die Gefährdungen und daraus abgeleiteten Schutzmaßnahmen müssen durch einen Fachkundigen bewertet werden, der mindestens die Kenntnisse der Qualifikation Kategorie A gemäß VDI-MT 6022 Blatt 2 (siehe Info) besitzt.
- Es sollten regelmäßige Hygieneinspektionen und Hygienekontrollen der Anlagen gemäß den Richtlinien VDI 6022 Blatt 1 und Blatt 6 erfolgen. SARS-CoV-2-Viren sind zwar mittels der gängigen mikrobiologischen Beprobungen auch im Rahmen einer Hygieneinspektion vermutlich nicht nachweisbar. Die Kombination von Covid-19 mit anderen Atemwegsbeschwerden und/oder Erkrankungen könnte allerdings zu einem erschwerten Krankheitsverlauf und anderen schweren Komplikationen führen. Deshalb ist eine hygienisch einwandfreie Luftbefeuchtungsanlage in der momentanen Situation wichtiger denn je. Dies sicherzustellen erfordert regelmäßige Hygieneinspektionen und Hygienekontrollen gemäß VDI 6022 Blatt 1 und Blatt 6.
- Das Personal für die Hygieneinspektionen und -kontrollen sowie daraus abgeleiteter weiterer Instandhaltungsarbeiten muss eine entsprechende Fachkunde besitzen. Die notwendigen Kenntnisse werden in der VDI-MT 6022 Blatt 2 beschrieben.
Fazit
Es ist bekannt, dass die Aktivität einiger Viren und somit auch das Infektionsrisiko durch die Luftfeuchte beeinflusst werden können. Auch die Größe der Tröpfchen und die Menge der Aerosole hängt von der Lufttemperatur und Luftfeuchte ab.
Jedoch unterstützen die derzeitigen Erkenntnisse nicht die Annahme, dass eine Erhöhung der relativen Luftfeuchte auf 40 bis 60 % die Aktivität des SARS-CoV-2-Virus sicher reduziert. Daher wird nicht zu einer zusätzlichen Befeuchtung der Luft geraten, um das Infektionsrisiko durch SARS-CoV-2 zu vermindern. Bestehende Anlagen können aber bei Einhaltung der beschriebenen Instandhaltungsmaßnahmen weiterbetrieben werden.
Dr. Nadine Metz, Dr. Axel Mayer
→ info
- Das Portal Luftbefeuchtung der BG ETEM bietet Antworten auf viele Fragen zum Kauf, zur Planung, zum Betrieb und zur Instandhaltung von Luftbefeuchtungsanlagen.
luftbefeuchtung.bgetem.de oder www.bgetem.de, Webcode 16748673 - Seminare der BG ETEM zum Thema RLT-Anlagen und Luftbefeuchtung auf Basis der Anforderungen der VDI-Richtlinie VDI-MT 6022 Blatt 2 „Qualifizierung von Personal für Raumlufttechnik und Raumluftbefeuchtung“
Basiswissen dezentrale Luftbefeuchtung (Kategorie WKT gemäß VDI 6022 Blatt 6) – ein Baustein der betrieblichen Prävention (422)
Basiswissen Raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen) – ein Baustein der betrieblichen Prävention (421)
Luftbefeuchtung und Hygieneschulung nach VDI 6022 Kat. A einschließlich Kat. B (236)
Luftbefeuchtung und Hygieneschulung nach VDI 6022 Kat. B (235)
Buchbar in der Seminardatenbank der BG ETEM: www.bgetem.de, Webcode: 14363753 - bgetem.de, Webcode: M19244056
Broschüre „Grundlagen zum Raumklima und zur Raumlufttechnik“ (S042) - bgetem.de, Webcode: M18445067: Checklisten zur Gefährdungsbeurteilung: RLT-Anlagen (SZ005)
- dguv.de, Webcode d9614 Datenbank mit von DGUV Test geprüften Luftbefeuchtern, (Stichwort: Luftbefeuchter)
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