Baus eines großen, oberirdisch verlaufenden Gasleitungsrohres in winterlicher Landschaft, im Hintergrund Strommasten mit Überland-Leitungen.

Durch parallel zur Gasleitung verlaufende Hochspannungsleitungen und Oberleitungen von Bahnstrecken kann es zur Einkopplung einer elektrischen Spannung in die Gasleitung kommen.

Aufgrund der aktuellen Corona-Situation traf das Branchengebiet Energie- und Wasserwirtschaft in der BG ETEM nach intensiven Beratungen die Entscheidung, die 6. Fachtagung „Arbeitssicherheit in der Gasversorgung“ zum Schutz der Teilnehmer diesmal digital umzusetzen. Die Veranstaltung fand am 13. und 14. Oktober 2020 statt.

60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Gaswirtschaft nahmen an der Online-Tagung teil, um sich über aktuelle Neuerungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in der Gasversorgung zu informieren. Aus der Vielzahl der Themen hier eine kleine Auswahl.

Neuerungen im DVGW-Regelwerk

Andreas Schrader vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) berichtete über Neuerungen im DVGW-Regelwerk. Ein Schwerpunkt der Arbeiten besteht Schrader zufolge derzeit darin, das bestehende DVGW-Regelwerk für Gasinfrastrukturen und Gasanwendungen auf höhere Wasserstoffanteile und die Ergänzung eines neuen Regelwerkes für 100 Prozent Wasserstoff auszurichten. Die Regelwerks-Weiterentwicklung schaffe in der Praxis der Gasversorgung eine wichtige Voraussetzung, um den klimaschonenden Energieträger Wasserstoff technisch sicher in das vorhandene Leitungssystem zu integrieren, so Schrader.

Derzeit wird z. B das DVGW Arbeitsblatt G 220 „Anlagentechnik Power-to-Gas-Energieanlagen“ erstellt, das für Power-to-Gas-Anlagen gilt und Anforderungen an die Planung, Fertigung, Errichtung, Prüfung, Inbetriebnahme und Betrieb benennt. Der Wasserstoff wird mittels Elektrolyse erzeugt und kann dann nach einer Aufbereitung über eine Einspeiseanlage in eine Erdgasleitung eingeleitet werden. Alternativ kann der Wasserstoff auch mithilfe eines chemischen Prozesses in Methan überführt werden.

Grafik zeigt von links nach rechts ein grünes Windrad, eine Sonne, einen schwarzen Pfeil mit chemischen Wasserstoffverbindungen, einen Kreis mit einem Stromblitz, einem Privathaus, einem Auto und einer Fabrik.

DVGW Grafik 2955 „Power to Gas “ (Quelle: DVGW)

Für Wasserstoffeinspeiseanlagen wird nach Angaben des DVGW-Experten das DVGW Arbeitsblatt G 265-3 „Anlagen für die Einspeisung von Wasserstoff in Gasversorgungsnetze“ erarbeitet. Über diese Anlagen erfolgt die Einspeisung von Wasserstoff in bestehende Gasversorgungsnetze. Das Sachgebiet Energie und Wasserwirtschaft der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) war bei der Erarbeitung eingebunden. Unter anderem wurde eine neue EX-RL-Beispieltabelle erarbeitet, die dem Betreiber eine Hilfestellung für die Zoneneinteilung seiner Anlage bietet.

Auf dem Bild sieht man eine umzäunte Wasserstoffeinspeiseanlage der Stadtwerke Mainz mit mehreren weißen Gebäudeteilen und Tanks, umgeben von Natur mit Windkrafträdern im Hintergrund.

Wasserstoffeinspeiseanlage der Stadtwerke Mainz

Inhalte der derzeit erarbeiteten DGUV Information 203-090 „Arbeiten an Gasleitungen“

Im DGUV Sachgebiet Energie und Wasserwirtschaft wird derzeit die DGUV Information 203-090 „Arbeiten an Gasleitungen – Handlungshilfe zur Erstellung der Gefährdungsbeurteilung“ erarbeitet. Sie soll die DGUV Regel 100‑500 Kapitel 2.31 „Arbeiten an Gasleitungen“ ersetzen. BG ETEM-Experte Dr. Albert Seemann stellt die wichtigsten Inhalte vor:

Die DGUV Information 203-090 „Arbeiten an Gasleitungen“ enthält Hilfestellungen und Empfehlungen zu Schutzmaßnahmen für in der Gasversorgung tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie bietet den Verantwortlichen eine Handlungshilfe für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung sowie eine Hilfe für die Umsetzung staatlicher Arbeitsschutzvorschriften – z. B. die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), die Technischen Regeln zur Betriebssicherheitsverordnung (TRBS) oder die Technischen Regeln zur Gefahrstoffverordnung (TRGS).

Die DGUV Information dient für Arbeiten an in Betrieb befindlichen Gasleitungen sowie für deren In- und Außerbetriebnahme. Sie enthält Sicherheitsanforderungen für Leitungen aller Druckbereiche. Und sie gibt Hinweise zur Gefährdungsbeurteilung und Ableitung erforderlicher Schutzmaßnahmen bei Arbeiten an Gasleitungen.

Man sieht ein in sandigen Boden eingebettete gelbe Gasrohrleitung. Ein ableitendes Rohr ist in der Mitte abgesägt, eine Hand in grauem Arbeitshandschuh sprüht etwas aus einer weißen Flasche auf die Schnittfläche auf.

In die DGUV Information 203 – 090 werden neue Arbeitsverfahren aufgenommen, die ein sicheres Arbeiten an Gasleitungen ermöglichen.

Arbeiten an Gasleitungen in Anlagen und gasführenden Baugruppen von Anlagen gehören nicht zum Anwendungsbereich, hier gilt die DGUV Information 203 – 092 „Arbeitssicherheit beim Betrieb von Gasanlagen – Handlungshilfe zur Erstellung der Gefährdungsbeurteilung“.

Darüber hinaus führt die DGUV Information 203-090 neue Begriffe ein:

  • Anlagenverantwortlicher: Er trägt bei der Arbeit an Gasleitungen die unmittelbare Verantwortung für den sicheren Betrieb und Zustand des betroffenen Netzbereiches.
  • Arbeitsverantwortlicher: Er trägt bei der Arbeit an der Gasleitung die unmittelbare Verantwortung für die Durchführung der Arbeiten.

Weitere neue Inhalte der DGUV Information 203-090:

  • Ergänzung der Aufgaben der Aufsicht gemäß TRBS 1112 Teil 1 Ziffer 5.5.
  • Hinweise zu Sicherungsmaßnahmen bei der Verwendung von Muffenüberschiebern für Gasleitungen aus Metall.
  • Hinweise zu Schutzmaßnahmen bei Hochspannungsbeeinflussung erdverlegter Gasleitungen.
  • Ergänzung neuer Arbeitsverfahren mit geringer Gefährdung.
  • Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von Zündfunken durch elektrostatische Entladungen beim Rutschen von Absperrblasen in Kunststoff-Rohrleitungen und gefährlicher Aufladungen von Blasensetzgeräten, die auf Gasleitungen aus Kunststoff montiert werden.
  • Konkretisierung des Schutzzieles für Arbeiten in der Gasinstallation gemäß TRGS 722 (bei Arbeiten an Gasinstallationsleitungen dürfen sich keine gefährlichen Gas-Luft-Gemische in den Räumen bilden. Kann sich eine gefahrdrohende Menge eines Gas-Luft-Gemisches bilden, besteht Gefahr durch vorhandene Zündquellen).

Gefährdungen und Schutzmaßnahmen erdverlegter Gasleitungen durch Hochspannungsbeeinflussung

Durch parallel zur Gasleitung verlaufende Hochspannungsleitungen und Oberleitungen von Bahnstrecken kann es zur Einkoppelung einer elektrischen Spannung in die Gasleitung bzw. in mit der Gasleitung leitfähig verbundenen Anlagen kommen. Bei der Berührung der Gasleitung ist somit eine Gefährdung der Mitarbeiter durch eine elektrische Durchströmung möglich. Die Beeinflussung kann beispielsweise von Hochspannungsfreileitungen (ab 110 kV) oder Bahnstromanlagen (15 kV) ausgehen.

Dr. Christian Rückerl (BG ETEM) ergänzte die Ausführungen Seemanns, indem er die möglichen Gefährdungen erläuterte und Hinweise zu geeigneten Schutzmaßnahmen gab. So ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zunächst zu prüfen, ob infolge der Annäherung eine Gefährdung durch Hochspannungsbeeinflussung an der Gasleitung auftreten kann. Hierfür sind zahlreiche Kriterien maßgebend, in erster Linie

  • der Abstand zwischen Gasleitung und Hochspannungsanlage und
  • die Länge der Parallelführung.

Ist der Abstand zwischen Gasleitung und Hochspannungsleitung größer als 1.000 m (siehe dazu auch DVGW GW 22 (A) Maßnahmen beim Bau und Betrieb von Rohrleitungen im Einflussbereich von Hochspannungs-Drehstromanlagen und Wechselstrom-Bahnanlage, Ausgabe Februar 2014), sind – unabhängig von der Länge der Parallelführung – in der Regel keine besonderen Schutzmaßnahmen erforderlich.

Beträgt der Abstand zwischen Gasleitung und Hochspannungsleitung weniger als 1.000 m und beide Leitungen verlaufen parallel zueinander, so muss in diesem Fall eine fachkundige Person die Beeinflussung qualifiziert bewerten und ggf. ein Schutzkonzept erstellen. Hierbei kann eine Abstimmung zwischen Netzbetreiber Strom und Planer erforderlich sein.

Das Berührungsschutzkonzept kann beispielsweise folgende Maßnahmen enthalten:

  • eine lokale Erdung der Rohrleitung zur Absenkung der Berührungsspannung,
  • einen Potenzialausgleich zwischen Isolierstößen oder anderen Teilen der Rohrleitung oder der Anlage, die infolge der Hochspannungsbeeinflussung unter Spannung stehen können, oder
  • die Einrichtung eines isolierenden Standortes.

Die Schutzmaßnahmen müssen im Einzelfall auf ihre Wirksamkeit kontrolliert werden (Durchgängigkeit, Erdübergangswiderstand, Standortisolation). Die Mitarbeiter müssen über die festgelegten Schutzmaßnahmen unterwiesen werden.

 

Dr. Albert Seemann