Einsatz bleibt möglich – in GrenzenDiisocyanate führen häufig zu Atemwegs- und Hauterkrankungen. Aufgrund der geforderten spezifischen Eigenschaften der Produkte sind Alternativen oft nicht verfügbar. Die neue REACH-Beschränkungsregelung gilt für die industrielle und gewerbliche Verwendung von Produkten mit einer Diisocyanatkonzentration ab 0,1 Gewichts-Prozent, damit sie sicher weiter verwendet werden können.https://etem.bgetem.de/1.2021/etem/einsatz-bleibt-moeglich-in-grenzenhttps://etem.bgetem.de/@@site-logo/logo_etem_magazin.png
Einsatz bleibt möglich – in Grenzen
Diisocyanate führen häufig zu Atemwegs- und Hauterkrankungen. Aufgrund der geforderten spezifischen Eigenschaften der Produkte sind Alternativen oft nicht verfügbar. Die neue REACH-Beschränkungsregelung gilt für die industrielle und gewerbliche Verwendung von Produkten mit einer Diisocyanatkonzentration ab 0,1 Gewichts-Prozent, damit sie sicher weiter verwendet werden können.
Neue REACH-Beschränkungsregelung für Diisocyanate
Vergießen von elektronischen Bauteilen mithilfe eines Baugruppenträgers an einer Vergussanlage.
Diisocyanate kommen in Klebstoffen, Schäumen, Lacken und Vergussmassen vor. Sie sind eine wichtige Substanzklasse bei der Herstellung und Anwendung polyurethan(PUR)-haltiger Materialien, die aus einem Binder und einem Härter bestehen. Der Binder enthält hauptsächlich Polyalkohole, die nicht als Gefahrstoffe eingestuft sind. Als Härter kommen hauptsächlich
Methylendiphenyldiisocyanat (MDI),
Hexamethylendiisocyanat (HDI),
Toluoldiisocyanat (TDI) und
Isophorondiisocyanat (IPDI)
zum Einsatz. Ob Diisocyanate in den jeweiligen Produkten enthalten sind, kann schnell mithilfe des Sicherheitsdatenblattes überprüft werden.
Gefährdung
Diisocyanate sind aufgrund ihrer atemwegsensibilisierenden Eigenschaften häufig Auslöser von berufsbedingtem Asthma (siehe Technische Regeln für biologische Arbeitsstoffe (TRBA) und für Gefahrstoffe (TRGS) 406). Schon geringe Konzentrationen können zu einer Sensibilisierung führen. Eine hohe Gefährdung durch Einatmen („inhalative Gefährdung“) kann insbesondere bei Spritz- oder Heißanwendungen vorliegen. Durch Hautkontakt können lokale toxische und allergische Reaktionen auftreten. In der Gefährdungsbeurteilung muss berücksichtigt werden, dass wiederholter Hautkontakt auch eine stoffspezifische bronchiale Überempfindlichkeit auslösen kann.
Eine geringe inhalative Gefährdung liegt bei Diisocyanaten mit niedrigem Dampfdruck bei Raumtemperatur, wie z. B. MDI und p-MDI, oder der Verwendung von polymeren Diisocyanaten vor – wenn sich keine Aerosole bilden, keine staubbildenden Pulver eingesetzt werden und keine Erwärmung stattfindet. Dazu gehören Tätigkeiten wie z. B. das Vergießen von Bauteilen und Baugruppen in der Elektronikindustrie.
Eine mittlere inhalative Gefährdung kann bei vielen Tätigkeiten durch Erwärmung (auch durch Reaktionswärme) von Diisocyanaten, wie z. B. bei MDI und p-MDI oder durch Anwendungen polymerer Isocyanate mit Aerosolbildung (z. B. Sprühen, Spritzlackierung, Folienkaschierung), vorliegen.
Eine hohe inhalative Gefährdung liegt bei Tätigkeiten mit TDI und HDI vor, aber auch bei Aerosolbildung oder unter Erwärmung mit MDI und p-MDI in hohen Diisocyanat-Konzentrationen. TDI und HDI haben höhere Dampfdrücke als MDI. Typische Anwendungen mit hoher inhalativer Gefährdung sind z. B. Lackierungen, Verfahren für Oberflächenbeschichtungen oder Heißverklebungen.
Technisches Methylendiphenyldiisocyanat (p-MDI)
p-MDI steht für technisches Methylendiphenyldiisocyanat (CAS-Nr.: 9016-87-9). Es handelt sich um ein Gemisch bestehend aus:
In der Europäischen Union (EU) erkranken jährlich schätzungsweise 5.000 Beschäftigte an berufsbedingtem Asthma durch Diisocyanate. In Deutschland wurde in den vergangenen Jahren eine gleichbleibend hohe Zahl an beruflich verursachten Erkrankungen bei den Berufsgenossenschaften gemeldet. Die Berufskrankheiten-Statistik (siehe Abbildung 1) zeigt die bestätigten Diisocyanat-Erkrankungen in Betrieben der BG ETEM im Vergleich zu Betrieben aller Unfallversicherungsträger (UV-Träger) im Zeitraum von 2002 – 2019. Berücksichtigt wurden Isocyanat-Erkrankungen (BK-Nr. 1315 Isocyanate) und Hautkrankheiten (BK-Nr. 5101).
Abb. 1: Die Entwicklung der bestätigten Berufskrankheiten-Nr. 1315 und 5101 bei allen UV-Trägern und bei der BG ETEM für den Datenzeitraum 2002-2019 (Quelle: Berufskrankheiten-Dokumentation (BK-DOK) – Gewerbliche Wirtschaft und Öffentlicher Dienst, Stand: 24.11.2020).
REACH-Beschränkungsregelung
Die englische Abkürzung REACH steht für „Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“ (deutsch: Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe). Die Beschränkung von Diisocyanaten (Verordnung (EU) 2020/1149) im Rahmen der REACH-Verordnung (Anhang XVII) wurde am 4. August 2020 im Amtsblatt der Europäischen Union (L 252) veröffentlicht und ist bereits in Kraft getreten. Die geforderten Maßnahmen für Diisocyanate als Stoff oder als Bestandteil in anderen Stoffen oder Gemischen gelten für industrielle oder gewerbliche Anwender. Nur wenn die entsprechenden Anforderungen umgesetzt sind, dürfen diese Produkte noch in Verkehr gebracht und/oder weiterverwendet werden.
Dies gilt für:
das Inverkehrbringen ab dem 24. Februar 2022 und für
die Verwendung ab dem 24. August 2023.
Die Beschränkungsregelung gilt für die industrielle und gewerbliche Verwendung von Produkten, die Diisocyanate ab einer Konzentration von 0,1 Gewichts-Prozent (Gew.-%) enthalten (siehe Abbildung 2). Ausgenommen sind Produkte mit einem geringeren Gew.-%-Anteil.
Abb. 2: Konzentrationsgrenze für das Inverkehrbringen und die Verwendung von Diisocyanaten als Stoff oder als Bestandteil in anderen Stoffen oder Gemischen.
Von der neuen Beschränkungsregelung sind alle Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette betroffen – vom Hersteller, Importeur, Formulierer bis zum nachgeschalteten Anwender. Dazu gehören auch viele kleine, mittelständische und große Unternehmen der BG ETEM im Bereich der
Elektronik und Elektrotechnik,
Energieversorgung,
Druckerei, Buchbinderei,
Schuhherstellung und -reparatur,
Orthopädietechnik,
Fahrzeuginnenausstattung,
Polstermöbel-Herstellung und
Kunststoff-Formteile-Herstellung.
Diisocyanate werden unter anderem zur Herstellung von Klebstoffen, Schäumen, Lacken und Vergussmassen verwendet (siehe Kasten).
Anwendung von Diisocyanaten in Branchen der BG ETEM
Klebstoffe
Vergussmassen (Elektronik und Elektrotechnik, Energieversorgung)