Die Illustration zeigt einen jungen Mann mit einem Laptop in der Hand. Den Fuß hat er im Teppich verfangen und droht zu stolpern. Das Thema ist "Arbeitsunfall in den eigenen vier Wänden".

Auch bei einem häuslichen Arbeitsunfall kann Versicherungsschutz vorliegen, wenn die Handlungstendenz zum Unfallzeitpunkt betriebsbezogen war.

Bei daheim verrichteter Arbeit für den Arbeitgeber (zum Beispiel Telearbeit) sind unversicherte private und versicherte betriebliche Tätigkeiten oft nicht klar voneinander getrennt. Was bedeutet das für den Versicherungsschutz?

Im Einzelfall ist grundsätzlich entscheidend, ob ein innerer Zusammenhang zwischen dem Unfall und der betrieblichen Tätigkeit besteht. In den früheren Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) wurde als Kriterium für die Abgrenzung die „wesentliche betriebsbedingte Nutzung“ des Unfallortes herangezogen. Das BSG hat seine Rechtsprechung inzwischen konkretisiert (Aktenzeichen: B 2 U 9/16 R).

Maßgebliches Kriterium für die Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang ist jetzt die Handlungstendenz des Versicherten, die zudem noch durch alle objektiven Umstände des Einzelfalls bewiesen werden muss.

Doch wie lässt sich bestimmen, ob ein Weg im unmittelbaren Unternehmensinteresse zurückgelegt wird und deswegen in einem direkten Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht? Dies soll sich künftig vor allem nach der Frage richten, ob der Mitarbeiter objektiv nachvollziehbar eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte (objektivierbare Handlungstendenz). Damit hat das BSG verdeutlicht, dass es nicht mehr vorrangig darum geht, wie oft der Unfallort generell betrieblich oder privat genutzt wird.

Dass der Ort des Unfallgeschehens und dessen objektive Zweckbestimmung dennoch Indizienwirkung entfalten können, zeigen diese Beispiele:

Entscheidung des BSG (Aktenzeichen B 2 U 28/17 R vom 27.11.2018 – „Telefonanruf“):

Eine Arbeitnehmerin, die als Sales und Key Manager tätig ist, befindet sich auf einem Auswärtstermin. Sie wird aufgefordert, um 16.30 Uhr den Geschäftsführer anzurufen. Sie fährt nach Hause, um im Homeoffice im Kellergeschoss ihres Wohnhauses den Laptop anzuschließen und pünktlich mit dem Geschäftsführer in Übersee Kontakt aufzunehmen. Auf dem Weg ins Homeoffice rutscht sie beim Hinabsteigen der Treppe gegen 16.10 Uhr auf einer Stufe ab, stürzt und verletzt sich. Neben der Tasche mit ihrem Laptop hat sie zu diesem Zeitpunkt noch weiteres Arbeitsmaterial dabei.

Das Gericht entschied: Es handelt sich um eine versicherte Tätigkeit, da die objektivierte Handlungstendenz der Klägerin darauf gerichtet war, ihrer Tätigkeit als Beschäftigte nachzukommen.

Entscheidung des BSG (B 2 U 8/17 R vom 27.11.2018 – „Software-Update“):

Der Geschäftsführer eines Versicherungsmaklerbüros führt nach Rückkehr von einem auswärtigen Geschäftstermin gegen Mitternacht ein größeres Software-Update mit Datensicherungsmaßnahmen durch. Die Geschäftsräume liegen im 1. OG eines sechsstöckigen Mehrfamilienhauses. Der Geschäftsführer wohnt im 5. Stock desselben Hauses. Alle Stockwerke sind über ein gemeinsames Treppenhaus verbunden. Ein Aufzug ist vorhanden.

Im Keller befinden sich unter anderem die Serveranlage und das Archiv des Versicherungsmaklerbüros sowie ein privates Kellerabteil des Geschäftsführers. Zur Überwachung des Software-Updates muss der Geschäftsführer zwischen dem Computer im Büro im 1. Stock und dem Serverraum im Keller hin- und hergehen. Gegen 1.30 Uhr nachts stürzt er auf der Haustreppe auf dem Weg vom Keller zum 1. OG und zieht sich dabei eine Kahnbeinfraktur an der linken Hand zu.

Das Gericht entschied, es könne nicht zweifelsfrei belegt werden, dass der Geschäftsführer die Treppe zum Unfallzeitpunkt tatsächlich mit der Absicht benutzt hat, Datensicherungsmaßnahmen in der Firma durchzuführen oder zu überwachen. Gründe nannte es mehrere:

  • Der Unfall habe sich auf einem Weg ereignet, der sowohl ins Büro als auch in die Privatwohnung führe.
  • Dieser Ort diene überwiegend nicht Betriebszwecken.
  • Außerdem liege der Unfallzeitpunkt jenseits jeglicher Geschäftszeiten.

Dennoch ist der Ausgang des Verfahrens offen: Nach Ansicht des BSG fehlt die Abwägung der für und gegen die betriebsbezogene Handlungstendenz sprechenden Indizien. Es hat den Fall (nicht nur) deswegen an das Landessozialgericht zurückgegeben. Das wird die Indizien nun erneut bewerten und vertieft zu prüfen haben.

 

Nancy Schmidt