Das Foto zeigt einen druckfesten Prüfbehälter mittels diesem die Staubexplosionsfähigkeit untersucht wird.

Explosionsprüfung im Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.

Von Großbränden in der Textilproduktion hört man des Öfteren. Auch gibt es Berichte über eine sich rasant ausbreitende Flammenfront quer durch eine Produktionshalle, wenn aufgrund unzureichender Reinigung durchgehende Staubschichten auf Deckenkonstruktionen oder in Schächten vorhanden waren. Von Verpuffungen infolge einer Textilstaub-Druckwelle hört man zum Glück normalerweise nichts. Das bedeutet aber nicht, dass Textilstaub generell nicht explosionsfähig wäre.

Daten in der GESTIS-STAUB-EX Datenbank, die über mehrere Jahrzehnte gesammelt wurden und die auch Werte zu Staub aus Textilbetrieben enthält, deuten die Gefahr an. Die Datenbank steht allen Interessierten kostenfrei offen (siehe „info“).

Die Tabelle 1 zeigt beispielhaft einige Werte für Textilmaterial. Unterschieden werden drei Staubexplosionsklassen, die mit steigender Ziffer die Heftigkeit der möglichen Explosion charakterisieren (siehe Tabelle 2). Die untersuchten Staubproben aus der Textilproduktion ergaben zumeist eine Zuordnung zur Staubexplosionsklasse 1. Die untere Explosionsgrenze liegt für übliche Textilmaterialien meist in einer Größe von 10 bis 100 g/m3.

Wie wird die Explosionsfähigkeit festgestellt?

Um die Staubexplosionsfähigkeit zu untersuchen, haben sich mehrere Verfahren bewährt. So wird die Staubprobe z. B. in einem geschlossenen, druckfesten Prüfbehälter mittels Druckluft aufgewirbelt und gezündet. Der zeitliche Verlauf des durch die Explosion verursachten Druckanstiegs wird aufgezeichnet. Dies wird in Prüfapparaten mit einem Volumen von 1 m3 oder 20 Liter Volumen untersucht.

Häufig eingesetzt wird auch die sogenannte modifizierte Hartmann-Apparatur. Hierbei handelt es sich um ein senkrecht stehendes Glasrohr mit einem Volumen von 1,2 Liter, das nach oben nur mit einem lose aufliegenden Deckel verschlossen ist. Die Probe wird durch einen Druckluftstoß aufgewirbelt und gelangt beim Erreichen einer Dauerfunkenstrecke (oder eines Glühwendels) zur Entzündung.

Diese Apparatur benötigt aufgrund der geringeren Größe im Vergleich zu den oben genannten Apparaten kleinere Probenmengen und ist weniger aufwendig in der Handhabung. Sie liefert gute Ergebnisse über Explosionsfähigkeit und untere Explosionsgrenze (UEG). Die Auswertung, wie sich der Klappdeckel während der Explosion bewegt, bringt jedoch nur orientierende Werte zur Explosionsstärke (KSt-Wert bzw. Staubexplosionsklasse: Der KSt-Wert ist eine volumenunabhängige staub- und prüfverfahrensspezifische Kenngröße, die das Reaktionsverhalten eines Staubs charakterisiert).

Die beprobten Materialien müssen vor dem Versuch gesiebt werden, um die groben Fasern auszusondern. Grund: Die Probe muss in der Prüfapparatur durch einen Druckluftstoß möglichst gleichmäßig aufgewirbelt werden. Tatsächlich sind reale Proben aus Textilbetrieben durch Probennahme und Transport verändert (zusammengedrückt), sodass sie sich nicht mehr so aufwirbeln lassen, wie es bei einer lockeren, natürlich entstandenen Staubschicht der Fall ist.

In Tabelle 1 sind entsprechend die Korngröße (Siebfraktion) und der Median der Probe angegeben. Der Medianwert bedeutet, dass 50 Gewichtsprozent feiner und 50 Gewichtsprozent gröber als der angegebene Wert sind.

Gegenüber der real im Betrieb vorhandenen Staubschicht stellt die Laborprüfung daher den schlimmsten denkbaren Fall dar. Zu bedenken ist aber, dass die feinen Staubbestandteile in einer lockeren betrieblichen Staubsituation zu nicht unerheblichem Anteil vorhanden sind und tatsächlich aufgewirbelt werden können.

Tabelle 1: Beispielwerte aus der GESTIS-STAUB-EX Datenbank

Material Korngröße (Siebfraktion)[μm] Korngröße der Probe Median[μm] Untere Ex-Grenze(UEG) Staubexplosions­klasse
Baumwolle < 250 31,2 10 St 1
Wolle < 500  < 500 15  St 1
Baumwolle (Textile Aufbereitung), abgelagerter Staub < 63 < 63 30  St 1
Baumwolle, phenolharzhaltig < 63 < 63 15  St 1
Fasermischung (ca. 20 % PES, 60 % Reißbaumwolle, 20 % Reißpolyester) < 63 < 35 100  St 1
Polyester-Reißfasern (Kastenspeiser) < 63 < 63 30  St 1
Leinen, kotonisiert, aus Filter < 250 < 250 30  St 1
Hanf, abgelagerter Staub < 63 < 35 100  St 1
Linters, abgelagerter Staub < 63 26 60  St 1
Baumwollflock (Restfeuchte 2,3 %) < 63 10 15  (St 2)
Polyamid 6.6 (Schnittflock) < 63 43 30  St 1
Quelle: GESTIS-STAUB-EX

 

Tabelle 2: Die Heftigkeit möglicher Staubexplosionen (nach Klassen)

Staubexplosionsklasse KSt-Wert [bar m/s]

St 1

> 0 bis 200

St 2

> 200 bis 300

St 3

> 300

Quelle: GESTIS-STAUB-EX

Welche Maßnahmen sind zu treffen?

Auch wenn die Erfahrung dies nicht belegt: Textilmaterial oder die bei seiner Verarbeitung entstehenden Stäube sind in der Lage, eine explosionsfähige Atmosphäre zu erzeugen. Dies ist in der Gefährdungsbeurteilung eines Textilunternehmens zu berücksichtigen.

Dieses Foto zeigt einen Produktionssaal. Hier liegt ein hohes Brandrisiko vor. Durch einen geeigneten Reinigungsplan lässt sich das vermeiden.

Hier liegt hohes Brandrisiko vor. Aber auch ein Ex-Bereich Zone 22. Beides lässt sich durch einen geeigneten Reinigungsplan vermeiden.

Für das Innere der Produktionsanlage ist zunächst der Maschinenhersteller verantwortlich. Er muss

  • die Gefährdung durch eine mögliche Staubexplosion in seiner Risikobeurteilung einschätzen,
  • die nötigen konstruktiven Maßnahmen treffen sowie
  • die erforderlichen Hinweise in der Betriebsanleitung geben, um sichere Produkte in Verkehr zu bringen.

Vorrangig betrifft dies Anlagen zur Faseraufbereitung/-reinigung mit dem üblichen pneumatischen Fasertransport sowie pneumatischer Abführung und der Abscheidung des anfallenden Abfalls. Den Nutzer verpflichtet das dazu, die Anlage bestimmungsgemäß nach Vorgabe des Herstellers zu betreiben und zu warten. Ein Unternehmen, das eine solche Anlage einsetzt, sollte auch überlegen, optional angebotene Brandschutzeinrichtungen wie z. B. Schwerteil-/Metallabscheider, Funkendetektoren oder Löscheinrichtungen zur Erhöhung des Brandschutzes und der Betriebssicherheit zu nutzen.

Sicherlich ist ein Spinnereivorwerk für alle normalerweise üblichen Fasermaterialien geeignet. Möchte man aber unübliches Fasermaterial verarbeiten – wie z. B. kotonisiertes Leinen oder Kapok –, muss mit dem Hersteller vorher abgeklärt werden, ob die Maschine aus Sicht des Explosions- und Brandschutzes hierfür geeignet ist. Auch im Produktionssaal müssen mögliche Explosionsrisiken im Blick bleiben – denn Staubablagerungen können mit einem Explosionsrisiko verbunden sein. Wird eine größere Menge Staub z. B. durch einen Druckluftstoß aufgewirbelt oder durch einen unvorhergesehenen in der Halle verursachten Durchzug, kann eine explosionsfähige Wolke entstehen. Hier gilt es, Staubansammlungen in gefahrbringender Menge vorbeugend zu vermeiden.

Die Gefahrstoffverordnung sieht für explosionsgefährdete Bereiche eine Zoneneinteilung vor (Kasten rechts). Ist brennbarer Staub in ausreichender Menge vorhanden und kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Staub gelegentlich – d. h. selten und für kurze Zeit – aufgewirbelt wird, ist bereits eine Zone 22 vorhanden. Als Faustregel im allgemeinen Explosionsschutz gilt: Ist die Farbe des Untergrunds nicht mehr zu erkennen, liegt Staub in gefahrbringender Menge vor. Die TRBS 2152 „Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre“, Teil 1, nennt als Orientierung, dass bereits ab einer Staubschicht-Dicke von 1 mm eine gefahrbringende Menge vorliegen kann. Eine planvolle und regelmäßige Reinigung ist also eine wirksame Maßnahme für den Brandschutz. Gleichzeitig lässt sich so ein explosionsgefährdeter Bereich der Zone 22 vermeiden.

Diese Abbildung zeigt eine 1 mm starke Staubschicht.

1 mm Staubschicht als orientierendes Kriterium für gefahrbringende Menge (TRBS 2152, Teil 1) 

Die Reinigung muss so erfolgen, dass der Staub vorzugsweise durch Saugen erfasst und aus der Halle entsorgt wird. Abblasen ist unzulässig und würde lediglich zu einer Umverteilung im Produktionsraum und möglicherweise zu Explosionsrisiken führen – zumindest aber zu einer erheblichen Gesundheitsgefährdung der Mitarbeiter, wenn der allgemeine Staubgrenzwert von 1,25 mg/m3 für den alveolengängigen Feinstaub (A-Staub) und 10 mg/m3 für die etwas gröbere einatembare Staubfraktion (E-Staub) nicht eingehalten ist.

Fazit

Der beste Tipp, den man einem Textilbetrieb geben kann, ist eine auf Staubvermeidung ausgelegte Betriebsweise und die Vermeidung von Explosions-, Brand- und Gesundheitsrisiken durch einen an den Staubanfall angepassten Reinigungsplan.

 

Martin Steiner