Epoxidharze enthalten eine Vielzahl an Stoffen, die häufig Auslöser berufsbedingter allergischer Hauterkrankungen sind. Daten des Informationsverbunds Dermatologischer Kliniken (IVDK) bestätigen, dass bei ungezielten Testungen von 10.000 bis 15.000 Patienten pro Jahr ca. ein bis zwei Prozent der Patienten positiv auf Stoffe aus Epoxidharzen reagieren.
In der Praxis lässt sich oft schwer beurteilen, ob ein verwendetes Epoxidharz stark oder schwach sensibilisierend wirkt. Hinzu kommt, dass Epoxidharze verschiedene Stoffe enthalten, die der Anwender nicht ohne weiteres beurteilen kann. In der Regel setzen sich Epoxidharze aus zwei Komponenten zusammen:
- dem Reaktionsharz und
- dem Härter.
Zu den gebräuchlichsten Epoxidharzen zählen Kondensationsprodukte von Bisphenol A und Epichlorhydrin.
In der Elektronik und Elektrotechnik werden für Tränkharze und Vergussmassen (Gießharze) häufig heiß härtende Epoxidharze mit Säureanhydriden als Härter eingesetzt. Epoxidharze werden genutzt für Kondensatoren, Transformatoren, Drosseln, Spulen, Generatoren sowie für die Herstellung von Leiterplatten. Zudem können sie Bestandteil von Klebstoffen und Beschichtungsstoffen sein.
Im Baubereich kommen ausschließlich kalt härtende Epoxidharze mit Aminen als Härter für Farben, Lacke, Klebstoffe, Grundierungen, Versiegelungen, Abdichtungen, Gießharze, dekorative Bodenbeschichtungen, Parkhaus- und Industriebodenbeschichtungen, Kunstharzestriche, Fugenmörtel für Fliesen und Pflasterbeläge zum Einsatz.
Gefährdung
Ausgehärtete Epoxidharze sind in der Regel ungefährlich. Allerdings können nichtausgehärtete Epoxidharze bei der Verarbeitung schon bei geringem Haut- oder Augenkontakt gesundheitliche Beschwerden wie allergische Reaktionen auslösen. Bei häufigem Hautkontakt können sich Erkrankungen entwickeln, die bei schweren Verläufen in einigen Fällen zum Arbeitsplatzverlust führen oder eine Umschulung erfordern.
Darüber hinaus besteht ein Unfallrisiko, wenn Komponenten der Epoxidharze vermischt und nicht umgehend verarbeitet werden. Bleiben die gemischten Epoxidharze länger im Gebinde, können sie unter Wärmeentwicklung chemisch reagieren und das Gebinde sehr stark erhitzen. Beschäftigte können sich verbrennen und Verätzungen davontragen. Die damit einhergehende Freisetzung von Rauch und Dämpfen kann zu Atemwegsbeschwerden führen.
Die Atemwege werden auch gefährdet, wenn Beschäftigte z. B. bei der Verarbeitung entstehende Aerosole einatmen. Deshalb müssen die Beschäftigten durch eine Unterweisung über die Gefahren durch Epoxidharze informiert sein. Zur Vermeidung bzw. wirksamen Minimierung von Gefährdungen müssen Arbeitgeber geeignete Schutzmaßnahmen planen und umsetzen, die konsequent angewendet werden. Bestehen nach Ausschöpfung aller technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen noch Restrisiken, lässt sich durch persönliche Schutzmaßnamen, z. B. durch das Tragen von Schutzhandschuhen, ein Hautkontakt vermeiden (TOP-Prinzip). Eine Liste geeigneter Chemikalienschutzhandschuhe für Tätigkeiten mit lösemittelfreien Epoxidharzen bietet die BG BAU (siehe „info“).
Berufskrankheiten
In den letzten Jahren wurde eine gleichbleibend hohe Zahl an beruflich verursachten Erkrankungen bei den Berufsgenossenschaften gemeldet. Die Berufskrankheiten-Statistik (siehe Abb. 1) zeigt die bestätigten Epoxidharz-Erkrankungen in Betrieben der BG ETEM im Vergleich zu Betrieben aller UV-Träger im Zeitraum von 1999 – 2019. Berücksichtigt wurden Hautkrankheiten (BK-Nr. 5101), toxische Atemwegserkrankungen (BK-Nr. 4302) und allergische Atemwegserkrankungen (BK-Nr. 4301).
Epoxidharzwebseite
Tätigkeiten mit Epoxidharzen werden aufgrund der speziellen technischen Eigenschaften auch künftig an der Tagesordnung bleiben. Deshalb beschäftigen sich seit vielen Jahren Vertreter von Herstellern, Anwendern, internationale Arbeitsschutzinstitutionen, Länderbehörden und Wissenschaftler in einem Arbeitskreis mit den durch Epoxidharze verursachten Gesundheitsgefährdungen und der Untersuchung von Stoffen für Epoxidharze.
Die Ergebnisse sind auf der Webseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zugänglich (siehe „info“). Neben Sachinformationen rund um das Thema Epoxidharze sind dort auch Informationen aus verschiedenen Branchen aufgeführt. Unter der Branche Elektrotechnik sind die Anwendungen mit Epoxidharzen aus Unternehmen der BG ETEM (Windkraftanlagen, Flugzeugbau, Orthopädietechnik, Elektronik und Elektrotechnik, Oberflächenbeschichtungen) zu finden (siehe Kasten).
Anwendung von Epoxidharzen in Branchen der BG ETEM
- Windkraftanlagen zur Herstellung von Rotorblättern
- Flugzeugbau zur Herstellung von Strukturkomponenten für Flugzeuge
- Orthopädietechnik bei der Herstellung von Orthopädiehilfsmitteln
- Elektronik und Elektrotechnik als Tränk- und Gießharze oder als Bestandteil von Klebstoffen für elektronische Baugruppen
- Oberflächenbeschichtungen beim Lackieren oder Grundieren von flüssigen Beschichtungsstoffen (Flüssiglackbeschichtung)
Der EIS-Gemischerechner – Helfer bei der Ersatzstoffsuche
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) fördert die Erarbeitung von Praxishilfen, die sich für die Gefährdungsbeurteilung von Unternehmen nutzen lassen. Eine davon ist der Epoxidharz-InhaltsStoffe-Rechner – kurz: EIS-Rechner (siehe Abb. 2). Mithilfe dieses Online-Tools können gezielt Inhaltsstoffe (Harz, Härter, Reaktivverdünner) von Epoxidharzen auf ihre sensibilisierende Wirkstärke hin bewertet werden (HS: hoch, GMS: gering oder mäßig). Diese Bewertung nahmen Dermatologen und Toxikologen vor (siehe „info“).
Ziel des Bewertungssystems für Epoxidharze ist, den Anwendern eine Übersicht über mögliche sensibilisierende Inhaltsstoffe (EIS-Liste) bereitzustellen und den Grad der sensibilisierenden Wirkung von Epoxidharzgemischen abschätzen zu können. Der EIS-Rechner unterstützt die Substitutionsprüfung, mit der weniger gefährliche Epoxidharzgemische ermittelt werden sollen.
Dateneingabe und Funktionsweise
Um die sensibilisierende Wirkstärke zweier Epoxidharze mit dem EIS-Rechner vergleichen zu können, müssen die aktuellen Sicherheitsdatenblätter vorliegen. Benötigt werden daraus
- die Angaben zu Inhaltsstoffen,
- deren Anteile im Gemisch (in Massen-Prozent) sowie
- das Mischungsverhältnis von Harz und Härter (siehe Abb. 3a und 3b).
Sind die Anteile der Inhaltsstoffe im Gemisch in Konzentrationsbereichen angegeben, so wird immer der höhere Wert für die Eingabe in den EIS-Rechner verwendet. Auch Füllstoffe können als dritte Komponente hinzugefügt werden. Der EIS-Rechner ordnet den Stoffen automatisch die sensibilisierende Wirkstärke (hoch oder gering/mäßig) zu. Für bisher noch nicht bewertete Stoffe sollte immer eine hohe sensibilisierende Wirkstärke manuell gewählt werden.
Darüber hinaus berücksichtigt der EIS-Rechner die ätzende Wirkung von Stoffen, weil diese die Hautbarriere schädigen und dadurch das Eindringen von Gefahrstoffen und Allergenen in die Haut erleichtern (Penetration). Der EIS-Rechner warnt die Anwender zudem vor besonders gefährlichen Eigenschaften bei krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gefahrstoffen der Kategorien 1A oder 1B - und bei atemwegssensibilisierenden Stoffen, wenn diese mindestens in einer Konzentration von einem Prozent enthalten sind.
In der Ergebniskommentierung (siehe Abb. 4a und 4b) werden beispielhaft zwei Laminierharze 1 und 2 miteinander verglichen. Die jeweils ermittelten Gefährdungszahlen (GZ)
- für die Harzkomponente jeweils GZ = 750 (Laminierharz 1 und 2),
- für die Härterkomponente GZ = 4500 (Laminierharz 1) bzw. GZ = 2362,5 (Laminierharz 2).
Der EIS-Rechner berechnet für das jeweilige Laminierharz eine Gesamt-Gefährdungszahl:
- GZ = 1.285,71 (Laminierharz 1) und
- GZ = 798,05 (Laminierharz 2).
Für die Abschätzung der Gefährdung wurden die Gefährdungszahlen den Gefährdungskategorien I bis VI zugeordnet (siehe Abb. 5). Je höher die Gefährdungszahl, desto höher die Gefährdungskategorie und damit die sensibilisierende Wirkstärke. In diesem Beispiel ergibt sich die Gefährdungskategorie
- VI für das Laminierharz 1 und
- IV für das Laminierharz 2.
Ergebnis: Das Laminierharz 2 ist weniger sensibilisierend.
Der EIS-Rechner liefert nur eine Aussage über die jeweilige sensibilisierende Wirkstärke. Andere Gefährdungen, z. B. die Entzündbarkeit aufgrund der enthaltenen Lösemittel, werden vom EIS-Rechner nicht bewertet und müssen gesondert in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden.
Der EIS-Gemischerechner befindet sich zurzeit noch in der Erprobung. Die EIS-Liste wird fortlaufend von den Vertretern des Arbeitskreises überprüft und es wird über die Aufnahme neuer Stoffe entschieden. Bereits aufgenommene Stoffe sowie die Methoden zur Bewertung der sensibilisierenden Wirkstärke einzelner Stoffe werden überprüft und ggf. ergänzt, wenn neue Erkenntnisse vorliegen. Künftig soll ein neues Bewertungskonzept für komplexe Stoffe wie z. B. Polymere erstellt werden, die in der Praxis immer häufiger vorkommen.
Fazit
Der EIS-Gemischerechner ist eine praktische Hilfe für den Arbeitsschutz, um weniger gefährliche Epoxidharze zu ermitteln (Substitution) und eine Abschätzung der Gefährdung für die Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen. Geeignet ist der EIS-Gemischerechner für Unternehmen, die Epoxidharze herstellen oder einsetzen bzw. die Verwendung planen. Seine Anwendung erfordert aber Fachkenntnisse zu Gefahrstoffen im Arbeitsschutz.
Dr. Stefanie Labs
→ info
- DGUV-Forschungsprojekt FP-0324:
„Ranking von Stoffen in Epoxidharzsystemen aufgrund ihrer sensibilisierenden Wirkstärke“ - DGUV-Forschungsprojekt FP-0384:
„Vergleichende gesundheitliche Bewertung von Epoxidharzsystemen unter Berücksichtigung sensibilisierender Wirkstärke“ - Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Themen\Arbeitsgestaltung im Betrieb\Gefahrstoffe\Arbeiten mit Gefahrstoffen\Stoffinformationen\Epoxidharze
- Forschungs- und Beratungsinstitut Gefahrstoffe GmbH (FoBiG):
www.eis-epoximixrechner.de - Informationsverbund Dermatologischer Kliniken (IVDK):
www.ivdk.org/de/ - Handschuhempfehlungen der BG BAU:
www.bgbau.de